ASCO 2019: Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinome – Effiziente Erstlinienoptionen, die EXTREME ablösen
Der diesjährige Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) lieferte zusätzliche Evidenz dafür, welche Patientenpopulation von Pembrolizumab plus/minus Chemotherapie profitiert und wie gut TPEx im Vergleich zu EXTREME wirkt.
Plattenepithalkarzinome im Kopf-Hals-Bereich
Zu den Highlights der ASCO-Ergebnisse bei rezidivierten bzw. metastasierten Plattenepithalkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich (HNSCC) zählt die finale Analyse der KEYNOTE-048-Studie (Rischin D et al., Abstract 6000). Pembrolizumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie und 5-Fluoruracil (5-FU) gefolgt von Pembrolizumab-Erhaltungstherapie zeigte ein überlegenes Gesamtüberleben (OS) in den Subgruppen mit einem PD-L1-Combined Positive Score (CPS) ≥20 (14,7 vs. 11 Monate; HR 0,6; p=0,0004) und ≥1 (13,6 vs. 10,4 Monate; HR 0,65; p<0,0001) im Vergleich zu 5-FU/Cisplatin/Cetuximab gefolgt von Cetuximab (EXTREME). In der Gruppe mit CPS ≥20 lag die Gesamtansprechrate (ORR) bei 42,9 vs. 38,2 Prozent mit Pembrolizumab/Chemotherapie vs. EXTREME. Die Gruppe mit CPS ≥1 erreichte eine ORR von 36,4 vs. 35,7 Prozent.
Zusätzlich erwies sich eine Monotherapie mit Pembrolizumab in der Gesamtpopulation gegenüber dem EXTREME-Schema als nicht überlegen, aber auch nicht unterlegen (OS 11,5 vs. 10,7 Monate; HR 0,83; p=0,02). Die ORR betrug 16,9 vs. 36 Prozent mit Pembrolizumab vs. EXTREME.
Bisher waren lediglich die Daten zur Gesamtpopulation für die Kombination Chemotherapie/Pembrolizumab und die Subgruppen CPS ≥20 und CPS ≥1 für die Pembrolizumab-Monotherapie bekannt gewesen.
Auf Basis der neuen und finalen Ergebnisse sollten Patienten mit einem CPS ≥20 in der klinischen Praxis bevorzugt eine Pembrolizumab-Monotherapie erhalten.Wenn ein rasches Ansprechen sehr wichtig ist, sollte eine Kombination aus Pembrolizumab plus Chemotherapie verabreicht werden. In der Subgruppe mit CPS ≥1 sind zwar ebenfalls beide Optionen denkbar, wobei Pembrolizumab plus Chemotherapie die aktivere Variante sein könnte, obwohl ein formaler Vergleich zwischen Pembrolizumb-Monotherapie und Pembrolizumab plus Chemotherapie aus statistischen Gründen nicht zulässig ist. Leider ist die Subgruppenanalyse der CPS≥1–19-Patienten noch ausständig.
Im Falle eines negativen CPS erscheint eine Pembrolizumab-Monotherapie hingegen nicht ausreichend. Hier kommt Pembrolizumab/Chemotherapie oder das EXTREME-Schema oder Chemotherapie/Taxan/Cetuximab gefolgt von Cetuximab (TPEx-Schema) in Frage.
Dadurch, dass die Ansprechraten gerade bei einer Monotherapie mit Pembrolizumab geringer sind als in der ehemaligen Standardtherapie mit EXTREME, ist es wichtig, Patienten bei einer Progression relativ rasch auf eine Zweitlinientherapie umzustellen. Ein Behandeln über eine Progression hinaus erscheint aufgrund von Zweitlinien-Therapieoptionen nicht sinnvoll. Weiters muss im Falle einer Progression bedacht werden, dass eine Pseudoprogression bei Kopf-Hals-Tumoren sehr selten ist und „echte“ Progressionen den Regelfall darstellen.
Die Evidenzlage, dass auch nach Versagen einer Immuntherapie die Ansprechraten durchaus besser sein können, als wir es bisher von einer Zweitlinie gewohnt sind, ist in den letzten Monaten zunehmend. Eine Immuntherapie könnte sogar für eine nachfolgende Therapie sensitivieren. Das immunologische Tumormikroenvironment wird durch die Immuntherapie jedenfalls nachhaltig verändert. Wir verstehen zwar die molekularen Mechanismen dahinter noch nicht im Detail, aber die Chance auf ein gutes Ansprechen ist jedenfalls auch in der Zweitlinie nach Immuntherapie-Versagen gegeben.
TPExtreme, eine weitere interessante, wenn auch formal negative Studie, verglich sechs Zyklen EXTREME mit vier Zyklen TPEx plus G-CSF-Support, jeweils gefolgt von Cetuximab (Guigay J et al., Abstract 6002). Eingeschlossen waren 539 Patienten mit rezidiviertem oder metastasiertem HNSCC. Das im primären Endpunkt untersuchte OS lag bei 13,4 vs. 14,5 Monaten im EXTREME- vs. TPEx-Arm (HR 0,87; p=0,15) und unterschied sich somit nicht signifikant.
Überraschend war das gute Abschneiden von EXTREME im Vergleich zu früheren Studien, was auch daran liegen könnte, dass etwa 20 Prozent der Patienten eine nachfolgende Immuntherapie erhalten haben.
Hervorzuheben ist jedoch, dass TPEx ein besser verträgliches und einfacher zu verabreichendes Schema ist. Aufgrund dieser Vorteile bei ähnlicher Wirksamkeit ist im klinischen Alltag TPEx als valide Alternative für das EXTREME-Schema zu sehen bzw. bestärkt die bisher bereits an einigen Zentren angewandte klinische Praxis, dass 5-FU durch ein Taxan ersetzt werden kann.
Im platinresistenten Setting prüfte die Phase-III-Studie EAGLE bei Patienten mit rezidiviertem oder metastasiertem, platinresistentem HNSCC Durvalumab vs. Durvalumab/Tremelimumab vs. einer Standardtherapie nach Wahl des Arztes (Cetuximab, Taxan, Methotrexat oder Fluoropyrimidin-basiertes Regime; Licitra LF et al., Abstract 6012). Das OS lag bei 7,6 vs. 6,5 vs. 8,3 Monaten.
Im Gegensatz zu Studien mit Nivolumab (CheckMate 141) und Pembrolizumab (KEYNOTE 040) bei platinresistenten HNSCC scheint Durvalumab bzw. Durvalumab/Tremelimumab keinen Benefit zu bringen. Das mediane OS sowie die Gesamtansprechrate (ORR) mit Durvalumab fielen ähnlich wie in vorhergehenden Studien mit Checkpoint-Inhibitoren aus. Es könnte sein, dass sehr viele Patienten im Standard-Therapiearm nach Studienende eine Immuntherapie entsprechend des Zulassungsstatus erhalten haben und daher keinen OS-Vorteil mehr hatten. Weitere Biomarkeranalysen werden derzeit durchgeführt.
Nasopharynxkarzinome
In der „Oral Abstract“-Sitzung wurden zwei randomisierte Phase-III-Studien beim lokal fortgeschrittenen Nasopharynxkarzinom vorgestellt, die zeigen, dass eine Induktionschemotherapie gefolgt von einer Chemoradiotherapie einen Benefit im krankheitsfreien Überleben (DFS) und OS bringt (Ma J et al., Abstract 6003; Chen MY et al., Abstract 6004). Die Induktionschemotherapie nimmt damit beim Nasopharynxkarzinom sukzessive einen höheren Stellenwert ein, was sich auch in den aktualisierten NCCN-Guidelines widerspiegelt: Induktionschemotherapie gefolgt von Radiochemotherapie kann nun mit demselben Evidenzgrad angewendet werden wie der bisherige Standard bestehend aus Radiochemotherapie gefolgt von adjuvanter Chemotherapie, die nach abgeschlossener Radiochemotherapie nur von einem Teil der Patienten toleriert wird.
Speicheldrüsenkarzinome
Metastasierte/rezidivierte Speicheldrüsenkarzinome stellen uns im klinischen Alltag vor eine therapeutische Herausforderung. Phase-III-Studien sind in dieser „Orphan Disease“ de facto nicht vorhanden und das Ansprechen auf eine klassische zytotoxische Chemotherapie ist suboptimal. Eine molekulare Aufarbeitung dieser Tumore ist daher unbedingt zu empfehlen, was auch durch die Präsentation einer Studie bei HER2-amplifizierten Speicheldrüsenkarzinomen wieder demonstriert wurde. In dieser Patientenpopulation konnte durch Therapie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) eine erstaunliche ORR von 90 Prozent erzielt werden (Li BT et al., Abstract 6001). Sechs von zehn Patienten erreichten ein komplettes und weitere drei ein partielles Ansprechen. Ein Patient hatte eine Krankheitsstabilisierung. Die Studie war aufgrund der oben angesprochenen Seltenheit dieser Tumore mit zehn Patienten sehr klein. Neben einer HER2-Amplifikation sind NTRK-Fusionen und Androgenrezeptor-Überexpression weitere wichtige Targets für zielgerichtete Therapien und sollten im klinischen Alltag ebenfalls getestet werden.
Take Home Messages
Rezidivierte/metastasierte Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich
Patienten mit einem CPS ≥20sollten primär Pembrolizumab-Monotherapie erhalten oder, wenn ein rasches Ansprechen sehr wichtig ist, kann auch Pembrolizumab plus Chemotherapie empfohlen werden. Patienten mit einem CPS ≥1 sollten Pembrolizumab plus Chemotherapie erhalten, wobei auch Pembrolizumab-Monotherapie eine Option darstellt. Die Therapieempfehlung dieser Subgruppe muss bis zum Vorliegen weiterer Analysen (CPS ≥1–19) als „vorläufig“ erachtet werden. Bei negativem CPS kommt Pembrolizumab/Chemotherapie oder TPEx (bzw. EXTREME) in Frage.
TPEx ist ähnlich effektiv, aber deutlich verträglicher als EXTREME und sollte daher vorzugsweise eingesetzt werden.
Lokal fortgeschrittene Nasopharynxkarzinome
Zwei Studien zeigen, dass eine Induktionschemotherapie gefolgt von einer Chemoradiotherapie einen OS-Benefit gegenüber Radiochemotherapie bringt, weshalb dieses Vorgehen eine valide Option mit hohem Evidenzgrad darstellt.
Rezidivierte/metastasierte Speicheldrüsenkarzinome
Speicheldrüsenkarzinome sollten molekular analysiert werden und bei HER2-Amplifikation ist T-DM1 eine sehr valide und verträgliche Therapieoption.
Assoz.-Prof. PD Dr. Thorsten Füreder
Universitätsklinik für Innere Medizin I
Wien