Schmerzen, müde, schlapp – was hat Maria?
Der Fall. Maria (17J.), eine Ihnen gut bekannte Patientin, war vor knapp zwei Wochen schon einmal bei Ihnen. Damals haben Sie eine EBV-Infektion festgestellt mit den typischen Symptomen und eindeutig viralem Blutbild. „Mir geht’s immer noch nicht so gut. Ich bin so wahnsinnig müde und schlapp. Aber eigentlich komme ich, weil ich heute Nacht ganz plötzlich diese starken Schmerzen in meiner linken Seite verspürt habe“, erklärt die junge Patientin Ihnen und zeigt auf ihre rechte Flanke. „Vor lauter Schmerz bin ich aufgewacht und konnte erst nach einiger Zeit wieder einschlafen. Da stimmt irgendwas nicht.“ In der klinischen Untersuchung können Sie bis auf cervical geschwollene Lymphknoten und eine leichte Splenomegalie keine Auffälligkeiten finden. Wie gehen Sie weiter vor? Welche Differenzialdiagnosen haben Sie und welche Maßnahmen setzen Sie? (ärztemagazin 4/19)
„Da die Schmerzen im Vordergrund stehen, denke ich an einen Milzinfarkt“
Univ.-Prof. Dr. Renate Heinz
FÄ f. Innere Medizin, ZFA Hämatoonkologie, Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, MedUni Wien, Wahlärztin www.renateheinz.at
MILZSCHWELLUNGEN sind bei EBV-Infektionen nicht selten. Es wurden sogar Milzrupturen beschrieben – daher „sanfte“ Palpation und kein brüsker Gebrauch des Schallknopfs des Ultraschallgeräts! Ein bei jungen Patienten nicht selten diagnostiziertes Pfeiffer’sches Drüsenfieber kann durchaus lange ein Krankheitsgefühl erzeugen. Es dürfte auch über Wochen ansteckend sein (Kissing Fever!). Da aber jetzt die starken Schmerzen – vielleicht auch ausstrahlend in die linke Schulter – im Vordergrund stehen, denke ich an einen Milzinfarkt. Blutbild mit mikroskopischer Untersuchung des Blutausstrichs, Gerinnungsstatus, CRP, Leberwerte und LDH sind unbedingt zu kontrollieren. Sollten weiterhin keine Hinweise auf ein malignes hämatologisches Geschehen vorliegen, steht die Schmerztherapie an erster Stelle.
Da im Rahmen von viralen Infekten oft auch die Leber mitbeteiligt ist, vermeide ich Mexalen und ziehe Metamidazol oder Aspirin vor. Letzteres könnte auch in der Indikation Thrombozytenaggregationshemmer eingesetzt werden. Die Patientin muss wissen, dass sowohl im Rahmen ihres Infektes wie auch als Nebenwirkungen der verschriebenen Medikamente hämatologische Zytopenien beobachtet werden können. Daher bei Fieber, Aphten im Mund, Blutungen oder flohstichartigen Veränderungen auf der Haut sofortige Kontrolle. Sonst körperliche Schonung. Vielleicht – auch wenn keine evidenzbasierten Studien vorliegen – ein lauwarmer Schmierseifen(?)-Wickel auf die betroffene Region. Die schulmedizinische Frage des Antibiotikums ist heikel: ausgeprägte allergische Reaktionen bei Penicillinderivaten – also Hände weg davon. Wenn unbedingt notwendig – hohes CRP – würde ich Makrolide oder Chinolone in Erwägung ziehen. Körperliche Schonung und Geduld müssen extra verschrieben werden! Nach der Erstversorgung würde ich mir noch Gedanken machen, ob der Milzinfarkt nicht auf ein offenes Foramen ovale hinweisen könnte – eine Echokardiografie könnte wenig invasiv Aufschluss darüber geben.
„Differenzialdiagnostisch ist an die spontane Milzruptur zu denken“
Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer
FA f. Innere Medizin, ZFA f. Infektionen & Tropenmedizin, MedUni Wien www.infektiologie.wien
DIE EBV-INFEKTION ist eine typische (Klein-)Kindererkrankung und verläuft meist asymptomatisch. Mit 17 Jahren ist die Patientin auch noch jung, aber nicht mehr für die Erstinfektion einer EBV-Infektion. Die geschilderten Symptome „müde und schlapp“ sind typisch und können einige Wochen bis zu sechs Monate anhalten. Die starken Schmerzen werden auf Kapselspannungsschmerzen der Milz zurückzuführen sein und sind primär harmlos. Differenzialdiagnostisch ist bei Mononukleose an die spontane Milzruptur zu denken, die jedoch eine sehr selten auftretende Komplikation (0,1–0,5%) ist und nahezu immer in den ersten drei Wochen auf tritt.
Neben der Anamnese (Bagatelltrauma, schweres Heben, Sport?) und der Beurteilung des Allgemeinzustandes (Blutdruck, Kollapsneigung? Körpertemperatur) sind eine Abdomensonographie (intraabdominelle Flüssigkeit?) sowie eine Blutbildkontrolle (Abfall des Hämoglobinwerts) erforderlich. Bei Verdacht auf Milzruptur muss eine Computertomographie des Abdomens durchgeführt werden. Bestätigt sich die Diagnose, kann eine Splenektomie erforderlich werden. Nach dem chirurgischen Eingriff muss die Patientin gegen Haemophilus influenzae Typ b, Meningokokken (gegen alle Serogruppen) und Pneumokokken (13-fach konjugiert) geimpft werden, falls dies nicht schon früher erfolgt ist. Da die Patientin jedoch primär linksseitige Flankenschmerzen angibt, eine Milzruptur bei Mononukleose eine Rarität ist, sollte auch eine Pyelonephritis in Betracht gezogen werden.
Dysurie? Fieber?, wären die nächsten Fragen. Aber vielleicht hat der Ultraschall die Lösung schon gebracht, da sich ein Abszess in der linken Niere fand. In diesem Fall wäre vor Beginn der antimikrobiellen Therapie die Abnahme von zwei Blutkultursets sowie einer Harnkultur wünschenswert. Bei kollikartigen Schmerzen könnte auch an Harnleitersteine gedacht werden, jedoch treten diese meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf. Theoretisch wäre auch eine Extrauteringravidität möglich. Bestätigt sich keine der Differenzialdiagnosen, kann man die Patientin beruhigen, bei Notwendigkeit eine Schmerztherapie (z.B. Naproxen) verordnen, Schonung auftragen und in Observanz behalten.
„Eine spezifische Therapie der Mononukleose ist nicht bekannt“
Prim. MR Dr. Helmuth Howanietz
FA f. Kinder- u. Jugendheilkunde, Leiter von www.kizaugarten.at, Wien
MONONUCLEOSIS INFECTIOSA wird auch als Pfeiffer’sches Drüsenfieber, Monozytenangina oder Lymphoidzellangina bezeichnet. Ausgehend von einer Angina, die oft „porzellanartig weißliche“ Beläge aufweist, kann die Diagnose durch Lymphknotenvergrößerungen am Hals, aber auch Hepatosplenomegalie vermutet und serumchemisch durch typische plasmazellähnliche Lymphozyten im peripheren Blutausstrich sowie Mononukleose- Schnelltest gestellt werden. Im Differenzialblutbild zeigt sich eine absolute Lymphozytose mit eben gehäuft auftretenden „monozytenähnlichen“, atypischen Lymphozyten und die erwähnte Hepatosplenomegalie kann sich auch in einer Transaminasenerhöhung manifestieren.
Zur Diagnosesicherung lassen sich auch noch IgM und IgG gegen EBV gerichtet bestimmen. Durch monozytoide Infiltrationen einzelner Organparenchyme kann es zu anikterischer Hepatitis, Hämaturien bei Nephritis, pathologischen EKG-Verläufen bei Myokarditis, aber auch zu ZNS-Beteiligungen im Sinne einer Meningoenzephalitis oder aber auch Polyneuritis unter 5% der Erkrankten kommen. Milzvergrößerungen sind – wie auch in unserem Fall – in fast 50% nachzuweisen, Milzrupturen bleiben glücklicherweise eine Seltenheit. Trotzdem empfiehlt es sich, auf sportliche, körperliche Aktivitäten während der akuten Infektionszeichen zu verzichten und die Rückbildung der Splenomegalie zu dokumentieren. Eine spezifische Therapie der Mononukleose ist nicht bekannt. Bei äußerst schweren Verlaufsformen mit Beteiligung des Nervensystems kann man Virostatika (Azyclovir) versuchen.
Werden Mononukleose- Patienten fälschlicherweise mit Penicillin behandelt, kann das in 10% der Fälle zu juckenden, makulopapulösen Exanthemen führen. Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Nasopharynxkarzinomen und dem Burkitt-Lymphom sind bei EBV-Trägern beschrieben. Differenzialdiagnostisch muss man das Pfeiffer’sche Drüsenfieber immer von anderen die Milz vergrößernden Erkrankungen auseinanderhalten. In erster Linie an Cytomegalie, aber auch an Typhus, Leptospirosen und die Toxoplasmose muss gedacht werden. Hämatoonkologische Systemerkrankungen wie der Morbus Hodgkin oder aber auch Leukämien und das Burkitt-Lymphom müssen berücksichtigt werden. Seltener sind Kollagenosen, Zysten, Abszesse und Stoffwechselerkrankungen wie die Mucopolysaccharidosen oder die Galaktose Ursache einer Splenomegalie.