Erhöhte Amylase, keine Symptome
Der Fall. Herr T. (24 J., Mechaniker) kommt zu Ihnen zur regelmäßigen Kontrolle bei M. Crohn. Regelmäßig in 6-wöchigem Abstand erhält er 300mg Remicadeinfusionen, welche er sehr gut verträgt. Die letzte Remicadegabe war vor ca. 2 Wochen. „Momentan geht es mir echt ganz gut. Ich habe keinerlei Einschränkungen im Alltag, keine auffälligen Stühle und bis auf kurzzeitige dezente Bauchschmerzen letzte Woche auch keine Beschwerden“, berichtet er Ihnen in der Sprechstunde. Sie haben seine Blutwerte vor sich liegen: BB unauff., Elektrolyte, Blutsenkung und Albumin im Normbereich, Amylase: 120 U/l, Lipase: 125 U/l. Klinisch zeigen sich keine Auffälligkeiten: Abdomen: weich, keine Resistenzen, keine Abwehrspannung, kein Druckschmerz, regelrechte Darmgeräusche in allen 4 Quadranten. Wie interpretieren Sie diese Werte? Welche Maßnahmen veranlassen Sie und was sagen Sie Ihrem Patienten? Worauf sollte er achten? (ärztemagazin 3/19)
„ Bis zur nächsten Remicade- Gabe ist ein bildgebendes Verfahren sinnvoll“
Doz. Dr. Bernhard Angermayr
FA f. Innere Medizin, Gastroenterologie & Hepatologie, Amtl. beeid. und gerichtl. zert. Sachverständiger, ärzte im zentrum, St. Pölten www.angermayr.com www.zentrum.at
HERR T. LEIDET an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und erhält eine Therapie mit einem TNF-alpha-Blocker. Beides sind Gründe, dass Herr T. regelmäßig bei einem Arzt, der auf die Erkrankung und ihre Therapie spezialisiert ist, in Betreuung ist. In der Regel sind das Fachärzte für Gastroenterologie und Hepatologie. Von einem solchen Arzt ist auch die Therapie verordnet worden. Somit wäre es logisch, sinnvoll und am einfachsten, wenn der Allgemeinmediziner, bei dem Herr T. zur Kontrolle ist, den Gastroenterologen kontaktiert.
In Absprache mit diesem muss dann das weitere Procedere geplant werden, da die Abklärung der Ursache und der klinischen Relevanz der geringgradigen Erhöhung von Amylase und Lipase nicht einfach festzustellen ist. Bis zur nächsten Remicade-Gabe bleiben noch vier Wochen, sodass in dieser Zeit ein bildgebendes Verfahren sinnvoll ist, am ehesten würde ich eine MRCP und eine MR des Pankreas durchführen. Neben den klassischen Ursachen Alkohol und Gallenstein muss man beim Morbus Crohn auch an eine PSC, eine Autoimmunpankreatitis und eine Nebenwirkung von Remicade denken. In jedem Fall rate ich dringend dazu, den Patienten mit den Ergebnissen der Untersuchungen dem betreuenden Gastroenterologen vorzustellen.
„ Nach CTC-Kriterien sind Anzeichen einer milden Pankreatitis zu erkennen“
Ass.-Prof. Dr. Irene Kührer
FÄ f. Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Wien https://irenekuehrer.at
IN DEM VORGESTELLTEN Fall finden sich als einzige Auffälligkeit erhöhte Pankreasenzyme. Der Normwert für die Amylase liegt bei 110 U/l und für die Lipase bei 67 U/l. Nach den CTC-Kriterien sind daher Zeichen einer milden Pankreatitis zu erkennen. Bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen ist das Risiko, eine akute Pankreatitis zu entwickeln, um den Faktor 4,3 und bei Colitis-ulcerosa-Patienten um den Faktor 2,1 erhöht. Der Patient könnte sich jedoch auch in der asymptomatischen Phase zu Beginn einer akuten Pankreatitis befinden. Des Weiteren ist die erst vor zwei Wochen abgeschlossene Remicadegabe zu beachten. Remicade selbst kann laut Fachinformation gelegentlich zu Pankreatitis führen (gelegentlich: ≥1/1.000, <1/100).
Bei diesem asymptomatischen Mann sollte eine Kontrolle der Pankreasenzyme nach 48 Stunden erfolgen. Ebenso ist in jedem Fall ein Routineultraschall der Pankreasregion durchzuführen. Der Patient sollte über die leicht erhöhten Werte seiner Bauchspeicheldrüse aufgeklärt werden. Aus diätologischer Sicht sind eine fettreduzierte Ernährung und Alkoholkarenz bis zur Normalisierung der Werte zu empfehlen. Im Ultraschall sollte auch der Befund der Gallenblase erhoben werden. Da keine weiteren Blutwerte und keine Kolikschmerzen erhöht sind, ist der Verdacht einer biliären Pankreatits unwahrscheinlich. Als dritter Punkt der Ursachenforschung bleibt die Anamnese zur Virusexposition, z.B. zu Mumpsviren. Sollte die Tendenz der Pankreasenzyme weiter steigend sein, kann an eine Reaktivierung von EBV gedacht werden.
Eine weiterführende Abklärung muss aber erst nach 48 Stunden bei weiter erhöhten oder dann neu aufgetretenen Veränderungen oder dem Auftreten von Beschwerden notwendig werden. Zusammenfassend: Aufklärung des Patienten, Vermittlung der diätischen Maßnahmen, Laborkontrolle nach 48 Stunden; danach weiterführende intensivierte Abklärung. Ich würde bei diesem jungen Mann, der asymptomatisch ist und eine milde Erhöhung der Pankreasenzyme aufweist, jedenfalls auf eine Röntgenstrahlenbelastung mit Durchführung einer Computertomographie verzichten.
„ Ich würde engmaschige Kontrollen der Pankreasenzyme empfehlen“
Dr. Theresa Kapral
FÄ für Innere Medizin/Rheumatologie, Wien www.rheuma-kapral.at, www.mza.at
PROBLEME MIT DER Bauchspeicheldrüse sind bei Morbus Crohn auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. So können die bei Morbus Crohn verwendeten Medikamente (z.B. Sulfasalazin, Mesalazin, Azathioprin, Infliximab, Adalimumab) als Nebenwirkung gelegentlich zu einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse führen. Weiters kann bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere bei Morbus Crohn, auch die Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung ist als extraintestinale Manifestation, bedingt durch die Grunderkrankung, beschrieben. Ursache hierfür dürften bei Morbus Crohn Veränderungen im Duodenum sein.
Die Bauchspeicheldrüse produziert wichtige Verdauungsenzyme und gibt diese über einen kleinen Gang in den Zwölffingerdarm ab. Ist dieser Gang entzündlich verändert oder gar verschlossen, kommt es zum Rückstau und schließlich zur Entzündung. Eine weitere mögliche Ursache für die Erhöhung der Pankreasenzyme ist eine autoimmune Pankreatitis. Diese kommt bei Patienten mit anderen Autoimmunerkrankungen wie M. Crohn oder Colitis ulcerosa häufiger vor als bei Gesunden. Bei unserem Patienten gibt es also mehrere mögliche Ursachen für den Anstieg der Pankreasenzyme, die in Betracht gezogen werden müssen. Einerseits ist die Therapie mit Remicade möglicherweise der Auslöser, andererseits kann auch die Grunderkrankung selber schuld sein, auch wenn der Patient keine klinischen Aktivitätszeichen aufweist.
Im Fall von Herrn T. würde ich auf jeden Fall engmaschige Kontrollen der Pankreasenzyme empfehlen, um auf einen weiteren Anstieg rasch reagieren zu können. Weiters würde ich den Patienten zu einer Abdomensonographie zuweisen und ihn instruieren, sich bei Oberbauchbeschwerden sofort zu melden. Sollte das Pankreas in der Sonographie nicht gut beurteilbar sein, wäre eine Computertomographie des Abdomens zu erwägen. Zur weiterführenden Abklärung im Falle einer Verschlechterung oder Beschwerdezunahme wären eine MRCP oder ERCP möglich. Der Patient sollte, solange die Werte erhöht sind, auf sehr fette Nahrung und Alkohol unbedingt verzichten.