MMR-Impfung und Autismus: Neue Studie räumt mit alten Mythen auf

Female Doctor vaccinating small girl.
(c) Gettyimages/Tashi-Delek

Eine über zehn Jahre durchgeführte dänische Registerstudie an mehr als 600.000 Kindern hat die Hypothese aus den 1990er Jahren neu aufgerollt. Das Ergebnis: Nicht einmal bei Kindern aus Hochrisikofamilien gibt es einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus.

Auch zwanzig Jahre nach der später zurückgezogenen Publikation in The Lancet1 hält sich die Angst hartnäckig, dass Impfungen Autismus verursachen können. Dieses Gerücht wird immer wieder als Grund angeführt, warum Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen, was wiederum zur derzeitigen, bis dato nie dagewesenen, Impfskepsis geführt hat. Das Ergebnis sind Wellen von eigentlich vermeidbaren Infektionskrankheiten, die Gesundheitssysteme weltweit nun überrollen: Auch in Österreich häufen sich die Masernfälle. Allein im Jänner und Februar 2019 wurden hierzulande 58 Infektionen gemeldet (zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2018 waren es „nur“ 77).2

In der kontroversen Studie im Jahre 1998 hatte die Forschergruppe von Andrew Wakefield zwölf Kinder mit Entwicklungsverzögerungen beschrieben, acht davon mit Autismus, die innerhalb von vier Wochen nach der Masern/Mumps/Röteln (MMR)-Impfung auftraten. Trotz erheblicher Mängel erregte die Studie breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die Behauptungen trugen dazu bei, das Vertrauen in die Sicherheit der MMR-Impfung zu beschädigen, was zu einem starken Rückgang der Durchimpfungsraten geführt hatte.

Studie mit mehr Teilnehmern und detaillierteren Messungen wieder aufgerollt

Anfang März 2019 wurde die weltweit größte Studie zum Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus von einer Forschergruppe der University of Copenhagen und der Stanford University School of Medicine in den Annals of Internal Medicine (IF 2018: 19,4) veröffentlicht.3 Das ist nicht die erste Studie auf diesem Gebiet: Bereits 2014 hatte eine Metastudie anhand von Daten aus sechs Beobachtungsstudien gezeigt, dass es keine Assoziation zwischen der MMR-Impfung und Autismus gibt.4 Weitere, noch aktuellere Studien kamen zum selben Ergebnis.5,6

Die aktuelle Studie wurde in Dänemark durchgeführt, wo es ein nationales Impfprogramm gibt, das kostenfrei ist und auf Freiwilligkeit basiert. Darin wurden die Daten von insgesamt 657.461 dänischen Kindern untersucht, die zwischen 1999 und 2010 geboren wurden; auch 31.619 nicht gegen MMR geimpfte Kinder waren darunter. Außer dem Impfstatus zur MMR-Impfung waren auch noch weitere Kindheitsimpfungen, eventuelle Autismusdiagnosen, sowie generelle Risikofaktoren wie ein Geschwisterkind mit diagnostiziertem Autismus bekannt. Besonderes Augenmerk wurde auf Subgruppen von Kindern gelegt, die ein erhöhtes Risiko für Autismus haben, etwa durch ein autistisches Geschwisterkind. Außerdem wurde die immer wieder genannte Hypothese untersucht, ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen MMR-Impfungen und der erstmaligen Manifestation von Autismus besteht.

Nicht einmal bei Kindern mit hohem Risiko

In den insgesamt untersuchten 5.025.754 Personenjahren erhielten 6517 Kinder die Diagnose Autismus (Inzidenzrate 129,7 pro 100.000 Personenjahre). Im Vergleich der MMR-geimpften mit nicht geimpften Kindern ergab sich ein für Alter, Geschlecht, Impf-Zeitpunkt und Autismus-Prädisposition korrigierter HR von 0,93 (95%-KI: 0,85 – 1,02, nicht signifikant), also überhaupt kein Zusammenhang. Die Studie spricht daher stark dafür, dass die MMR-Impfung das Risiko für Autismus nicht steigert, bei genetisch anfälligen Kindern Autismus nicht verursacht, und nicht zu einer Häufung von Autismusfällen nach der Impfung führt. Im Gegensatz zu früheren Studien wurde eine größere Kohorte untersucht, auch der Beobachtungszeitraum war länger. Außerdem wurden zusätzliche Störvariablen herausgerechnet, und untersucht, ob die Hypothese auch auf besonders anfällige Gruppen und Häufung von Fällen zutrifft.

„Warum verwenden wir so viel Zeit und Geld auf diese Forschung?“

In einem begleitenden Editorial zur Studie6 loben Dr. Saad B. Omer, ein Forscher zur Volksgesundheit an der Emory-Universität, und Dr. Inci Yildirim von der Emory School of Medicine die Studie prinzipiell. Sie werfen jedoch ein kritisches Licht darauf, dass weiterhin Studien nur durchgeführt werden, um die Angst, die eine zurückgezogene Publikation aus 1998 ausgelöst hat zu besiegen, indem sie deren wissenschaftliche Verfehlungen aufzeigen. „In einer idealen Welt“ schreiben sie „würde Forschung zu Impfsicherheit nur durchgeführt werden, um wissenschaftlich begründbare Hypothesen durchzuführen, nicht um auf die Verschwörungstheorie, die gerade modern ist, einzugehen.“ Sie rufen Ärzte und Gesundheitsbehörden nachdrücklich dazu auf, die Assoziation „Impfen und Autismus“ in das Reich der Mythen zu verbannen.

Referenzen

1 Wakefield A et al., RETRACTED: Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, nonspecific colitis, and pervasive developmental disorder in children. Lancet. 1998;351:637-41.

2 Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Statistik abrufbar unter https://www.sozialministerium.at/site/Gesundheit/Krankheiten_und_Impfen/Krankheiten/Uebertragbare_Krankheiten/Infektionskrankheiten_A_Z/Masern (abgerufen am 7. März 2019)

3 Hviid A et al., Measles, Mumps, Rubella Vaccination and Autism: A Nationwide Cohort Study. Ann Intern Med. 2019 Mar 5.

4 Taylor LE et al., Vaccines are not associated with autism: An evidence-based meta-analysis of case-control and cohort studies. Vaccine. 2014;32:3623-9.

5 Jain A et al., Autism occurrence by MMR vaccine status among US children with older siblings with and without autism. JAMA. 2015;313;1534-40.

6 Uno Y et al., Early exposure to the combined measles-mumps-rubella vaccine and thimerosal-containing vaccines and risk for autism spectrum disorder. Vaccine. 2015;33:2511-6.

7 Omer B, Yildirim I, Further Evidence of MMR Vaccine Safety: Scientific and Communications Considerations. Ann Intern Med. 2019 Mar 5.