Nierenzellkarzinom: Vier Lessons learned in 2018
Immuntherapie ist gut, aber leider nicht für alle. Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger nimmt das Therapieversagen unter die Lupe und leitet daraus vier wesentliche Learnings ab.
Im Rahmen des vierten Michael J. Marberger Annual Meetings erklärt Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Universitätsklinik für Innere Medizin, Wien, wie die Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) optimiert werden kann.
Die Kombination aus PD-1- und CTLA-4-Inhibitor, Nivolumab/Ipilimumab, ist der neue Standard in der Erstlinientherapie von Patienten mit mRCC und intermediärem oder schlechten Risiko. Mit einem kompletten Ansprechen bis zu 16 Prozent (bei PD-L1 ≥1%) wurde ein bisher nicht erreichtes Ergebnis erzielt. Das gute Ansprechen auf Nivolumab/Ipilimumab schlägt sich zudem im längsten bisher für diese Population erreichten Gesamtüberleben nieder (NR vs. 26 Monate unter Sunitinib; HR 0,63). Und auch nach Beendigung der Therapie zeigen sich anhaltende Effekte der Checkpoint-Inhibitoren (Motzer RJ et al., NEJM 2018; 378: 1277-90). Darüber hinaus kam es zu deutlichen Verbesserungen bei Tumoren mit besonders schlechter Prognose, wie bei sarkomatoider Differenzierung (McDermott D et al., IKCS 2018).
„Aber trotz dieser beeindruckenden Daten, gibt es Raum für Verbesserung“, wirft Schmidinger ein. und verweist darauf, dass in der oben genannten CheckMate-214-Studie mit Nivolumab/Ipilimumab 51 Prozent der Patienten mit intermediärem oder schlechtem Risiko kein Ansprechen erzielten. Auch 33 Prozent der PD-L1-positiven Population erreichte kein Ansprechen (Motzer RJ et al., NEJM 2018; 378: 1277-90). Ähnliches zeigte sich in anderen Immuntherapie-Kombinationsstudien. So blieb bei 51 Prozent der PD-L1-positiven IMmotion-151-Population ein Ansprechen auf Atezolizumab/Bevacizumab aus (Rini B et al., ESMO 2018; Abstract LBA 3). Und auch 38 Prozent der PD-L1-positiven JAVELIN-RENAL-101-Patienten sprachen nicht auf Avelumab/Axitinib an (Motzer RJ et al., ESMO 2018; Abstract LBA 6). Das progressionsfreie Überleben konnte mit Atezolizumab/Bevacizumab nach Analyse im unabhängigen zentralen Review nicht signifikant verlängert werden. Mit Avelumab/Axitinib lag das mediane PFS bei 11,2 Monaten. „Dafür brauche ich keinen Checkpoint-Inhibitor – das ist ein Wert, den ich auch mit einem Tyrosinkinaseinhibitor erreichen kann“, sagt Schmidinger.
Um den bestmöglichen Nutzen aus den vorhandenen Therapien zu ziehen, sucht die Expertin daher nach Erklärungen für das Therapieversagen.
1 primären Treiber identifizieren
In erster Linie gelte es, so Schmidinger, den primären Treiber bereits vor Therapiebeginn am individuellen Patienten zu bestimmen. In der IMmotion-151-Studie wurden unter Zuhilfenahme des Transkriptom-Profilings prädiktive Faktoren ermittelt (McDermott D et al., Nature Med 2018; Rini B et al., ESMO 2018; Abstract LBA31). Demnach haben Patienten mit einer hohen Angiogenese-Signatur ein sehr gutes Ansprechen auf Sunitinib. „Jene mit einer hohen T-Effektor-Signatur benötigen dagegen einen Checkpoint-Inhibitor und sind mit einer zielgerichteten Therapie nicht ausreichend therapiert.“ Eine weitere Gruppe besteht aus Patienten mit einer hohen myeloiden Inflammations-Signatur, die eine Kombination aus Checkpoint-Inhibitor und Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) benötigen.
2 Heterogenität berücksichtigen
Als zweiten Punkt nennt Schmidinger die Erfassung der Heterogenität der Population. „Bei Patienten mit günstigem Risikoprofil wissen wir, dass viele von ihnen eine sehr hohe Angiogenese-Signatur aufweisen. Das bedeutet, dass diese Patienten sehr gut auf einen TKI ansprechen.“ Die Expertin erinnert an die CheckMate-214-Studie, in der Patienten mit günstigem Risiko unter Sunitinib ein medianes PFS von 25 Monaten und eine Gesamtansprechrate von 52 Prozent erreichten. Auf der anderen Seite zeigte sich, dass Patienten mit intermediärem oder schlechtem Risiko meist eine höhere T-Effektor-Signatur und höhere PD-L1-Expression im Vergleich zu jenen mit günstigem Risikoprofil haben (Rini B et al., ESMO 2018; Abstract LBA31)
3 Escape-Mechanismus verstehen
Wie der Tumor dem Immunsystem entkommt und wie diesem Phänomen therapeutisch begegnet werden könnte ist Gegenstand umfangreicher Forschung. Schmidinger nennt einige mögliche therapeutische Strategien (Wu AA et al., Oncoimmunology 2015).
Die mangelnde Erkennung des Tumors durch das Immunsystem könnte beispielsweise durch die Gabe einer Chemotherapie verbessert werden. „5-Fluoruracil wirkt normalerweise nicht beim Nierenzellkarzinom. Wenn Sie es aber mit einem Checkpoint-Inhibitor kombinieren, dann sensibilisiert es den Tumor für die Checkpoint-Inhibitor-Therapie.“ Als weitere mögliche Ansätze nennt Schmidinger in dieser Situation CAR-T-Zellen oder Histon-Deacetylase-Inhibitoren.
Einem gestörten T-Zell-Metabolismus könnte mit IDO-Inhibitoren begegnet werden und bei T-Zell-Dysregulation seien IL-10-Antikörper bzw. COX2-Inihibitoren mögliche Therapien in der Zukunft.
Darüber hinaus besteht die These, dass körpereigene Immunzellen, die vom Tumor für dessen Zwecke eingesetzt werden, durch VEGF-Inhibitoren, Radiotherapie oder Metformin wieder reprogrammiert werden könnten, sodass der Organismus sie wieder für seine Verteidigung einsetzen kann. Gemeint sind hier beispielsweise regulatorische T-Zellen, myeloid-derived Suppressorzellen oder Tumor-assoziierte Makrophagen.
Kommt es zu einer Induktion der T-Zell-Apoptose oder Up-Regulation inhibitorischer Moleküle, könnte ein Ipilimumab-Boost angezeigt sein.
Darüber hinaus nennt Schmidinger noch das Darm-Mikrobiom, das durch die Zugabe von Probiotika beeinflusst werden kann.
4 Den Tumor primen
Nicht zuletzt dürfte das Timing von Mono- oder Kombinationstherapien eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg spielen. Schmidinger zitiert dazu eine Studie im Mausmodell. Die Gabe eines TKI vor einer Vakzine verbesserte das Outcome im Vergleich zu Vakzine oder TKI alleine. Bei umgekehrter Reihenfolge, also zuerst Vakzine, dann TKI, ließ sich das Überleben der Mäuse hingegen nicht verlängern (Farsaci B et al., Int J Cancer 2012; 130: 1948-59). „Die simultane Gabe von Immuntherapie und TKI ist aber genau das, was wir derzeit in klinischen Studien machen. Vielleicht müssen wir den Tumor zuerst mittels zielgerichteten Wirkstoffen primen, bevor wir eine Immuntherapie geben.“ Hier verweist die Expertin auf Daten, wonach VEGF-Inhibitoren zu einer Depletion von regulatorischen T-Zellen und Aktivierung von CD8-positiven T-Zellen geführt haben (Draghiciu O et al., OncoI Immunol 2015; 4.1).
Schmidinger: „Vielleicht müssen wir den Tumor mittels zielgerichteten Wirkstoffen primen, bevor wir eine Immuntherapie geben“
In Zukunft kommt es darauf an, alle genannten Punkte noch besser zu verstehen. „Denn zukünftige Therapiestrategien, die auf die genannten Learnings fokussieren, werden das Outcome bei dieser Erkrankung für immer verändern“, ist Schmidinger überzeugt.
Frontiers in Urology, 4th Michael J. Marberger Annual Meeting, Wien, 14.12.18