Work-Life-Balance
Vor zirka zehn Jahren habe ich G. kennengelernt, meinen Tierarzt. Zu Silvester im Bereitschaftsdienst, ich mit einer Schachtel voll halbtoter Bauernhofkätzchen mit Katzenseuche in der Hand. Damals war er jung und energiegeladen und teilte sich zusammen mit einem Kollegen die Arbeit. Sieben Tage in der Woche, vierundzwanzig Stunden am Tag. Einer der beiden Tierärzte war auf jeden Fall erreichbar. Mittlerweile ist er zwar immer noch jung und knackig (wenn ich ihn so mit mir vergleiche), aber halt zehn Jahre älter.
Und auch wenn G. inzwischen vier Kolleg/innen und eine Unmenge Arzthelferinnen hat, um die Arbeit aufzuteilen, kommt er hie und da ins Grübeln bezüglich seiner Lebensplanung oder wie es heutzutage so schön heißt: Work-Life-Balance. Ich kann das gut verstehen. Wenn man lange genug gearbeitet hat wie ein Verrückter, gibt es zwar Menschen, die nichts anderes kennen und gerne bis zum fünfundsechzigsten Lebensjahr so weitermachen möchten (sofern sie nicht vorher der Schlag trifft), aber normalerweise spürt man irgendwann eine gewisse Müdigkeit und Erschöpfung und auch diese bohrende Frage nach dem Sinn des Ganzen. G. zum Beispiel sieht die eigenen Kinder heranwachsen und will Teil ihres Lebens sein und nichts verpassen.