Physikalische Medizin für den Finanzminister
Physikalische Behandlungen könnten dem System rund eine halbe Million Euro einsparen. (Medical Tribune 47/18)
Anlässlich der Jahrestagung im November machte die Österreichische Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (ÖGPMR) aufmerksam auf die medizinischen und ökonomischen Vorzüge ihres Faches und präsentierte eine neue Leitlinie.
Paradigmenwechsel
Elf medizinische Fachgesellschaften waren an der gründlichen Überarbeitung der österreichischen Leitlinie zum Management unspezifischer Kreuzschmerzen beteiligt. Diese enthält nun erstmals genaue Informationen zur vorliegenden Evidenz für einzelne physikalische Behandlungen. „Neu ist ein Paradigmenwandel – allgemein, nicht nur in Österreich, nicht nur in Europa, auch in den USA –, dass man akute Schmerzen nicht mehr primär medikamentös behandelt, sondern erst versucht, sie mit nicht-medikamentösen Maßnahmen in den Griff zu bekommen“, so Univ.-Prof. Dr. Michael Quittan, Leiter des Referats für Evidenzbasierte Medizin (EBM) der ÖGPMR. Die Physikalische Medizin verwendet physikalische Reize zur Behandlung der Beschwerden – die entsprechenden Methoden bei Rückenschmerz sind in der neuen Leitlinie nun erstmals auch mit Empfehlungsgraden (soll, sollte, kann, sollte nicht, soll nicht) versehen.
Kostensparend und sicher
Auf rund 2,1 Milliarden Euro beliefen sich die Krankenstandskosten 2013 in Österreich bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Ohne physikalische Therapie verlängern sich die Krankenstände um rund ein Viertel – 497 Millionen Euro ließen sich mit entsprechenden Behandlungen einsparen. Die Ausgaben für die Physikalische Medizin belaufen sich etwa auf die Hälfte dieser Ersparnis. Diese Zahlen entstammen einer Kosten-Nutzen-Abschätzung, basierend auf offiziellen Daten der Statistik Austria und Sozialversicherung. „Ein Euro mehr für die physikalische Therapie bedeutet somit alleine bei den Kosten für Krankenstände eine Einsparung von zwei Euro“, erläutert Dr. Friedrich Hartl, Obmann der Bundesfachgruppe Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation der Österreichischen Ärztekammer.
Neben der Kosten-Nutzen-Abschätzung spricht für die Physikalische Medizin, dass dabei kaum Neben- oder Wechselwirkungen vorkommen. „Wir müssten sechsstellige Patientenzahlen behandeln, um unerwünschte Wirkungen zu beobachten“, so Hartl. Zeitnahe Behandlungen und kurze Wartezeiten erhöhen die Wirksamkeit physikalischer Maßnahmen. Der selbstverstärkende Kreislauf aus ursprünglicher Noxe, Schmerzen, Fehlhaltung und Überlastung sollte möglichst früh durchbrochen werden, um irreversible Schäden zu vermeiden. Die physikalische Therapie vergleicht Hartl mit einem Feuerlöscher, der nur Feuer löschen, Verbranntes jedoch nicht zurückholen kann. „Der Versorgungsgrad wird besser“, so Christian Wiederer, Ärztlicher Direktor am Kurpark Baden. In Wien, Niederösterreich und Oberösterreich ist er am besten, bemerkt Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, Präsident der ÖGPMR und Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien.
ÖGPMR-Pressekonferenz; Wien, 9.11.2018