Österreich hinkt bei 0-Tages-Aufenthalten hinterher
Trotz punktueller Zuwachsraten bei tagesklinischen Eingriffen gibt es in Österreich noch viel Luft nach oben – wie internationale Vorreiter eindrucksvoll zeigen. (CliniCum 11/18)
Mit dem Vormarsch der minimalinvasiven Chirurgie verkürzt sich auch die stationäre Aufenthaltsdauer für die operierten Patienten. Bei bestimmten geplanten allgemeinchirurgischen Eingriffen wie etwa Verschluss von Hernien, Resektion der Gallenblase oder Entfernung von Varizen bzw. Hämorrhoiden tendiert der Spitalsaufenthalt international inzwischen Richtung null Tage, sprich Einchecken, Operation und Entlassung am selben Tag. Während allerdings in Ländern wie den USA, England oder Dänemark bereits mehr als die Hälfte – teilweise sogar bis zu mehr als zwei Drittel (USA) – aller Operationen tagesklinisch durchgeführt werden, hinkt Österreich in dieser Entwicklung mit rund 20 Prozent trotz einer auch hier klar steigenden Tendenz noch weit hinterher: 2016 lag die Zahl der 0-Tages-Aufenthalte bei 20,0 Prozent (nach 14,1 Prozent 2007).
Ein konkreter Vergleich: Während in den USA 99 Prozent aller Varizen tagesklinisch entfernt werden, in Großbritannien 85 Prozent und in Skandinavien zwischen 65 und 90 Prozent, waren es in Österreich im Vorjahr nur 8,8 Prozent. Nach den zwei Hauptgründen für diese Diskrepanz gefragt, werden immer wieder zwei Gründe genannt: einerseits die – bis vor ein paar Jahren noch – unattraktiven Abrechnungsmöglichkeiten und andererseits die Sorge vor möglichen postoperativen Komplikationen, erläuterte Primar Univ.-Prof. Mag. Dr. Alexander Klaus, FACS, Schirmherr des Symposiums. Punkt zwei würde durch aktuelle Studien nachhaltig entkräftet: „Sowohl die Ergebnisqualität als auch Prozess- und Strukturqualität zeigen sehr eindeutige Ergebnisse. Auch die Erfahrung in jenen Krankenhäusern, die bereits tagesklinische Operationen an Gallenblase, Hernie oder Varizen vornehmen, fällt sehr positiv aus.“
Klaus, Ärztlicher Direktor und Vorstand der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien, einem heimischen Vorreiterspital in Sachen tagesklinischem Angebot, fordert jetzt ein Umdenken und wünscht sich auch für Österreich „endlich einen Durchbruch. Die Tagesklinik wurde in Österreich lange Zeit sehr stiefmütterlich behandelt – dabei geht es hier um ein Modell, das weltweit funktioniert. Warum sollte sich das gerade bei der großen chirurgischen Expertise in der minimalinvasiven Technik nicht auch in Österreich durchsetzen können?“
Keine Zusatzrisiken
Hintergrund der internationalen Entwicklung sind dabei nicht ausschließlich wirtschaftliche Überlegungen bzw. infrastrukturelle Notwendigkeiten, sondern durchaus auch medizinische Vorteile, wie Klaus versichert. Komplikationen, Schmerzen und Übelkeit können bei einer entsprechend intensiven und multiprofessionellen Betreuung rund um den Eingriff reduziert werden, die Mobilisierung kann sofort danach beginnen. Die sofortige Rückkehr in die gewohnte Umgebung führt zu einer raschen Regeneration und Erholung und trägt damit zum Wohlbefinden des Patienten bei, außerdem wird dadurch das Risiko einer nosokomialen Infektion minimiert. Natürlich gibt es aber auch Ausschlusskriterien, etwa wenn der Patient alleine lebt, Kinder alleine erzieht oder selbst Angehörige pflegt oder wenn der Wohnort zu weit vom Spital entfernt ist, um eine entsprechende Nachsorge gewährleisten zu können.
Detaillierte Prozessplanung
Die Integration tagesklinischer Angebote in den Krankenhausalltag erfordert in puncto Prozess und Ressourcenplanung allerdings ein radikales Umdenken der Verantwortlichen ebenso wie der medizinischen Akteure, weiß Klaus aus eigener Erfahrung: „Es braucht im Vorfeld eine gründliche präoperative Abklärung sowie eine intensive Betreuung, perfekt aufeinander abgestimmte Abläufe sowie entsprechende Personalressourcen.“ Außerdem sei für Patienten, die direkt für die Operation ins Krankenhaus kommen, aus organisatorischen Gründen eine baulich eigenständige Abteilung mit separater Registratur und eigenem Aufnahmepersonal vorteilhaft, schloss Klaus. Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien wurde all das konsequent umgesetzt. Die tagesklinischen OP-Anteile erreichen inzwischen teilweise internationales Niveau. Um zu unserem einleitenden Beispiel der Varizen-Entfernung zurückzukehren: Inzwischen werden 97 Prozent aller Varizen-OPs tagesklinisch durchgeführt
AFS ACADEMY Symposium „Tagesklinische Chirurgie – Status quo? Quo vadis“, Wien, 18.–19.10.18
Katalog für tagesklinische Leistungen (MELs)
Da tagesklinische Leistungen in Österreich dem stationären Bereich zugeordnet werden, erfolgt die Abrechnung nach dem LKF-Modell und folglich über Fallpauschalen. Es gibt dafür einen speziellen Katalog für tagesklinische Leistungen, der aktuell rund zehn allgemeinchirurgische Leistungen umfasst. Nur für solche Leistungen macht ein entsprechendes Angebot für die Kliniken finanziell Sinn.
Eine detaillierte Auflistung aller Einzelleistungen für die Abrechnung nach dem Tagesklinikmodell finden Sie unter https://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/8/0/0/CH1241/CMS1287565975903/anlage8_-_mels-tagesklinik_2017.pdf