Behandlung bakterieller Vaginosen verhindert Frühgeburten nicht
Viel deutet auf eine Assoziation von bakteriellen Vaginosen und Frühgeburten hin. Eine Studie in The Lancet zeigt jetzt deutlich, dass Antibiotikagaben das Frühgeburt-Risiko nicht senken können.1
Nach wie vor sind Frühgeburten – also die Geburt eines Babys vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche – die häufigste Todesursache bei Neugeborenen und weltweit die zweithäufigste Ursache für die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren.2 Eine Ursache für Frühgeburten kann eine Entzündung der Eihäute (Chorioamnionitis) sein.
Laborkulturen von Eihäuten sind dabei häufig positiv für vaginale Mikroorganismen, darunter für jene, die bekannte Verursacher bakterieller Vaginosen sind – häufiger, krankhafter Veränderungen der Scheidenflora, bei denen sich das mikrobielle Gleichgewicht der das saure Milieu erhaltenden Laktobazillen zugunsten von meist anaeroben Keimen verschiebt.3 Frauen mit bakteriellen Vaginosen haben ein dokumentiertes Risiko für Frühgeburten. Besonders hoch ist das Risiko Schwangerer, bei denen Vaginosen während der frühen Schwangerschaft auftreten.4
Assoziation bakterieller Vaginosen und Frühgeburten
Aufgrund dieser Assoziationen gab es in der Vergangenheit bereits mehrere klinische Studien, die sich damit befassten, ob sich das Frühgeburtrisiko durch Behandlung bakterieller Vaginosen reduzieren lässt. Sie kamen allerdings zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Eine Studie bei 624 Frauen mit Vaginosen und erhöhtem Frühgeburtrisiko aus den 1990er Jahren zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt bei dieser Hochrisikogruppe durch eine Behandlung mit Erythromycin gesenkt werden konnte.5 Im Anschluss folgten Studien, die breitere Schwangerengruppen, auch ohne erhöhtes Frühgeburtrisiko, eingeschlossen – bei ihnen konnte eine Cochrane-Studie keine signifikante Verringerung der Frühgeburtenrate belegen.6
Die klinischen Ergebnisse unterschieden sich dabei stark zwischen den Studien, was zuvor auf Abweichungen in der Antibiotika-Applikation zurückgeführt wurde, wie etwa beim verwendeten Wirkstoff (Clindamycin topisch oder oral, oder Metronidazol) sowie dem Behandlungsplan (in den ersten 22 Schwangerschaftswochen oder nach der 22. Schwangerschaftswoche) und Behandlungsablauf (bei einigen Studien wurden Frauen, bei denen während der Behandlung wieder ein bakterieller Befall auftrat, erneut behandelt).7
Studie bei über 84.000 Frauen
Anfang Oktober 2018 wurden in The Lancet die Ergebnisse der doppelblinden, randomisierten PREMEVA-Studie veröffentlicht.1 Im Zuge der PREMEVA-Studie wurden 84.543 schwangere Frauen mittels des aktuellen Standard-Nachweisverfahrens einer Gram-Färbung mit anschließendem Nugent-Scoring auf bakterielle Vaginosen gescreent. 3.105 Schwangere, bei denen bakterielle Vaginosen festgestellt wurden, wurden daraufhin in zwei Substudien eingeteilt: 2.869 Schwangere ohne Vorgeschichte von Früh- oder später Fehlgeburten wurden dabei vor der 15. Schwangerschaftswoche entweder mit einem oder drei Zyklen mit oralem Clindamycin (1 Zyklus: n=943, 3 Zyklen: n=968) oder mit einem Placebo-Präparat (n=958) behandelt. Eine zweite Gruppe von 236 Schwangeren, die bereits spontane Frühgeburten oder späte Fehlgeburten erlitten hatte, erhielten in einer gesonderten Hochrisiko-Substudie entweder einen (n=122) oder drei (n=114) Zyklen mit oralem Clindamycin, unter Berücksichtigung der klinischen Praxis des Studienortes Frankreich, wo in solchen Fällen eine Behandlung vorgesehen ist.
Kein Hinweis auf Senkung der Frühgeburtenrate
Unter den Frauen mit niedrigem Risiko gab es keinen Hinweis, dass eine Behandlung mit Clindamycin späte Fehlgeburten oder spontane sehr frühe Frühgeburten vor der 33. Woche oder ein anderes der vorab festgelegten klinischen Ereignisse verringern konnte – diese traten bei 22 Frauen mit Clindamycin (1,2%) und bei 10 der mit Placebo behandelten Frauen (1,0%) auf (Relatives Risiko RR: 1,10; 95%-KI: 0,53–2,32; p=0,82). Unter den Frauen mit hohem Risiko wurden zwar signifikant mehr Fehlgeburten verzeichnet als im Placebo-Arm der Niedrigrisiko-Studie (17,9 vs. 5,9%), zwischen den mit einem oder drei Zyklen Clindamycin behandelten Armen gab es jedoch keinen Unterschied in der Häufigkeit dieser Events (5 von 114 [4,4%] bzw. 4 von 122 [6,6%] Frauen; RR: 0,67; 95%-KI: 0,23–2,00; p=0,47). Hingegen traten im Niedrigrisiko-Studienarm mehr Nebenwirkungen mit Clindamycin als mit Placebo auf (3 vs. 1,3%), die häufigste Nebenwirkung war Durchfall, der bei 1,6 Prozent der Frauen auftrat.
Studie weist Einschränkungen auf
In einem Kommentar in The Lancet weisen zwei amerikanische Experten für vaginale Mikrobiologie auf einige Einschränkungen der PREMEVA-Studie hin.8 Mark A Klebanoff vom Nationwide Children’s Hospital, Columbus, Ohio, und Rebecca M. Brotman von der University of Maryland School of Medicine, Baltimore, Maryland, heben hervor, dass das primäre Ergebnis einer späten Fehlgeburt oder einer spontanen Frühgeburt insgesamt in nur 22 der 1.904 Schwangerschaften (1,2%) aufgetreten war – ein niedrigerer Wert als erwartet, der vermuten lässt, dass die Frauen in der Studie bereits eine gute medizinische Prophylaxe erhielten hatten. Außerdem fehlte in der Studie die Überprüfung, ob die Antibiotikatherapie die bakterielle Vaginose beseitigen konnte, und zirka 20 Prozent der Frauen berichteten, das ihnen zugewiesene Clindamycin-Therapieschema nicht absolviert zu haben.
Eine frühere Publikation in The Lancet zeigte jedoch bereits eine Verhinderung von Frühgeburten durch einen einzigen Clindamycin-Zyklus mit vergleichbarer Dauer9; es ist daher nicht davon auszugehen, dass die negativen Ergebnisse der aktuellen Studie auf ein Rezidiv der Vaginosen zurückzuführen sind. Detailanalysen wiesen außerdem darauf hin, dass Compliance und Cross-over die Ergebnisse nicht beeinträchtigt hatten.8
Datenlage bei Frauen ohne Risiko gesichert, bei Frauen mit Frühgeburtrisiko noch Klärungsbedarf
Bei Frauen ohne Risikofaktoren ist laut den Experten Mark A. Klebanoff und Rebecca M. Brotman anzunehmen, dass das Testen oder die Behandlung von Vaginosen nicht zielführend ist: Für sie bilden die PREMEVA-Ergebnisse die reale Situation im klinischen Alltag ab. Diese sind außerdem konsistent mit einer Cochrane-Metastudie aus dem Jahr 2013, die zeigt, dass die Behandlung bakterieller Vaginosen, unabhängig vom Antibiose-Schema, Fehl- oder Frühgeburten nicht verhindern kann.6 PREMEVA unterstützt außerdem bereits bestehende Empfehlungen einzelner nationaler Fachgruppen, die sowohl das Screening als auch die Behandlung asymptomatischer Frauen ohne Vorgeschichte von Frühgeburten ablehnen.8
Bei Frauen mit hohem Risiko für Fehl- oder Frühgeburten sind die aktuellen Empfehlungen hingegen höchst unterschiedlich; die PREMEVA-Studie und der Cochrane-Bericht legen für Klabanoff und Brotman nahe, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit einem solchen Kollektiv ethisch gerechtfertigt ist und benötigt wird.8
Referenzen
1 Subtil D et al.: Early clindamycin for bacterial vaginosis in pregnancy (PREMEVA): a multicentre, double-blind, randomized controlled trial. Lancet 2018; online veröffentlicht am 12. Oktober. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31617-9.
2 Liu L et al.: Global, regional, and national causes of child mortality: an updated systematic analysis for 2010 with time trends since 2000. Lancet 2012; 379: 2151–61.
3 Andrews WW et al.: Amniotic fluid interleukin-6: correlation with upper genital tract microbial colonization and gestational age in women delivered after spontaneous labor versus indicated delivery. Am J Obstet Gynecol 1995; 173: 606–12.
4 Leitich H et al.: Asymptomatic bacterial vaginosis and intermediate flora as risk factors for adverse pregnancy outcome. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2007; 21: 375–90.
5 Hauth JC et al.: Reduced incidence of preterm delivery with metronidazole and erythromycin in women with bacterial vaginosis. N Engl J Med 1995; 333: 1732–36.
6 Brocklehurst P et al.: Antibiotics for treating bacterial vaginosis in pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2013; 1: CD000262.
7 Lamont RF et al.: Treatment of abnormal vaginal flora in early pregnancy with clindamycin for the prevention of spontaneous preterm birth: a systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol 2011; 205: 177–90.
8 Klebanoff MA et al.: Treatment of bacterial vaginosis to prevent preterm birth. Lancet 2018; online veröffentlicht am 12. Oktober. doi: 10.1016/S0140-6736(18)32115-9.
9 Ugwumadu A et al.: Effect of early oral clindamycin on late miscarriage and preterm delivery in asymptomatic women with abnormal vaginal flora and bacterial vaginosis: a randomised controlled trial. Lancet 2003; 361: 983–88.
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