13. Nov. 2018

Habt acht! Ein Arzt für Bruchpiloten

FOTO: ALFRED HUBER

Er ist gelernter Tischler, war Bataillonsarzt beim Bundesheer, hat eine Schwäche für Gewaltmärsche und ordiniert jetzt in einer ehemaligen Pizzeria: Dr. Wolfgang Danhofer ist wahrlich kein Arzt wie jeder andere. (Medical Tribune 46/18)

Zufrieden sitzt Dr. Wolfgang Danhofer am Kaffeehaustisch. Entspannt lehnt er sich zurück und sagt aus tiefster Überzeugung: „So gut wie jetzt ist es mir noch nie gegangen.“ Man kann das nachvollziehen, wenn man Danhofers wechselhafte Lebensgeschichte kennt. Dass er jemals als Landarzt in seiner Heimat fungieren werde, war dem heute 47-Jährigen keineswegs in die Wiege gelegt. Seine erste Liebe galt dem Handwerk, weshalb er zunächst die Tischlerfachschule in Villach absolvierte. Erst dann erwachte die soziale Ader in ihm, er holte das Gymnasialwissen in Latein und Biologie nach und begann das Medizinstudium in Graz. Den Turnus absolvierte er in St. Veit, Klagenfurt und Villach.

Als Bataillonsarzt bei den Gebirgsjägern

Dann begann ein sehr abwechslungsreiches Leben, das für den heutigen Vater von drei Kindern wohl viel zu turbulent wäre. Denn der „Wolfi“, wie er von den Soldaten liebevoll genannt wurde, fungierte sechs Jahre lang als Bataillonsarzt bei den Gebirgsjägern in Spittal an der Drau. Als solcher musste er sich verpflichten, in regelmäßigen Abständen die EUFOR-Einsätze österreichischer Soldaten medizinisch zu betreuen. So hat es ihn für ein halbes Jahr nach Bosnien verschlagen, wo er sich mit einer Kollegin die Praxis teilte. „Gott sei Dank gab es keine Feindberührung. Also beschränkte sich unser Einsatz auf die üblichen Wehwehchen wie Magenverstimmung oder Kopfweh“, sagt Danhofer. Insgesamt sei der Einsatz recht eintönig gewesen, nur durch die gute Kameradschaft innerhalb der Truppe halbwegs erträglich.

Danhofer mit seinem Team – Christina Peharz, Elisabeth Erlacher und
Birgit Danhofer (v.l.): „So gut wie jetzt ist es mir noch nie gegangen.“

Um finanziell über die Runden zu kommen, hat Danhofer zu Hause in Oberkärnten Aushilfsdienste für bis zu sechs Kollegen übernommen. Der entfernteste Einsatzort war St. Peter/Kammersberg in der Steiermark. Heute erinnert er sich: „Das geht ganz schön an die Substanz, vor allem dann, wenn man mehrere Nacht- und Wochenenddienste hintereinander versehen muss.“ Langsam wuchs im begeisterten Bergsteiger und Läufer der Wunsch heran, zur Ruhe zu finden und ein einigermaßen geregeltes Leben zu führen. Das forderten nicht nur seine Frau Birgit, die als absolvierte Medizinerin in der Ordination mithilft, sondern auch die drei Kinder Emma, Jakob und Clara. Während der Wartezeit auf eine Kassenstelle als Allgemeinmediziner ließ sich Danhofer als Wahlarzt in seinem Heimatort Lieserhofen („mitten in der Pampa“) nieder: „Aber davon kannst du nicht leben, vor allem, wenn man erst einen Patientenstamm aufbauen muss.“ Dafür brauchte er sich nicht um den Standort zu sorgen. Denn in weiser Voraussicht hatte er beim Umbau seines Elternhauses eine Einliegerwohnung eingerichtet, die in der Übergangszeit als „Ordi“ dienen konnte. Da hörte er aus Kollegenkreisen, dass in Greifenburg im Oberen Drautal (an der B100 Richtung Lienz) die Kassenstelle der ehemaligen Gemeindeärztin Dr. Philippitsch-Weichselbraun unbesetzt ist.

Ein Anruf bei der Ärztekammer in Klagenfurt brachte eine überraschende Erkenntnis: „Bewerben Sie sich um die Stelle. Wenn Sie der einzige sind, werden Sie diese auch bekommen.“ So begab sich der „brotlose“ Wahlarzt in die 1.900-Seelen-Gemeinde, um nach einem Raum für seine Ordination zu suchen. Denn das von der Gemeinde geplante Gesundheitszentrum im Gebäude des alten Postamtes war noch nicht fertig. Fündig wurde der Mediziner in der ehemaligen Pizzeria „Jimmy“, in der er jetzt schon im vierten Monat ordiniert: „Das ist ein idealer Standort mitten im Ort direkt an der Bundesstraße.“ Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit hat er sich seinen potenziellen Patienten in einem Flugblatt vorgestellt: „Ich bin Arzt für Allgemeinmedizin mit den Zusatz-Diplomen für Palliativmedizin, Notarzt und Geriatrie. Sollte ich Sie als Hausarzt im Weiteren betreuen dürfen, bitte ich Sie, beim Erstkontakt eine vollständige Auflistung Ihrer Medikamente, den Impfpass und den letzten Arztbrief mitzunehmen.“

Gesundheitszentrum in Greifenburg kommt

Danhofer freut sich schon auf das neue Gesundheitszentrum in Greifenburg, dessen Fertigstellung allerdings gerade in das Frühjahr nächsten Jahres verschoben worden ist. Denn dort wird gemeinsam mit ihm ein zweiter Allgemeinmediziner einziehen, der sich mit ihm Dienste und Einsätze teilen kann. Die können unter Umständen recht aufwendig sein. Denn Greifenburg liegt am Fuße der Emberger Alm, einem Dorado für Drachenflieger und Gleitschirm-Piloten. Flugunfälle sind fast an der Tagesordnung. Da ist der Arzt gefordert. Erst unlängst hat Danhofer die Emberger Alm „inspiziert“, um die Gewohnheiten der Flugsportler besser kennenzulernen. Wenn sich der neue Ordinationsbetrieb in Greifenburg erst einmal eingespielt hat, wird Danhofer seinem Hobby wieder intensiver frönen können. Als ehemaligem Bundesheer-Bediensteten sind ihm „Gewaltmärsche“ ans Herz gewachsen. 120 Kilometer am Stück sind keine Seltenheit.

Noch heuer will Danhofer einen 24-Stunden-Marsch im Burgenland auf sich nehmen. Die Kraft dafür will er aus seinem neuerdings geregelten Leben schöpfen: „Nach Jahren der Bereitschafts- und Nachtdienste ist es richtig befreiend, feste Dienstzeiten zu haben und vor allem ausschlafen zu können.“ Bei aller Freude über den neuen Berufsstand übt der neue Gemeindearzt von Greifenburg aber Kritik am herrschenden System. „Ich habe mir unlängst ausgerechnet, dass ein Landarzt im Bereitschaftsdienst unter der Woche ganze fünf Euro netto pro Stunde verdient. Das ist kein Anreiz für Kollegen, solche Dienste zu übernehmen. Und es ist absehbar, dass sich bald kein Mediziner mehr dafür finden wird, wenn die Bezahlung nicht fühlbar steigt.“

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune