Schmerzhaftes Unglück beim Werkeln

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Vadym/AdobeStock

Der Fall. Heute Früh werden Sie schon beim Eingang erwartet. „Das muss gestern beim Werkeln passiert sein!“, begrüßt Sie Herr V. mit einem knallroten, geschwollenen linken Auge. „Beim Basteln ist mir wohl was ins Auge geflogen. Gestern hab ich eigentlich gar nichts gemerkt, nur kurz als mir das Stanleymesser abgebrochen ist, aber das war dann gleich wieder vorbei. Heute früh wach ich vor lauter Schmerzen auf und kann mein Auge kaum öffnen und es ist knallrot. Sehen tu ich aber noch ganz normal. Bleibt das so?“ Es zeigt sich eine deutlich gemischte Injektion am linken Auge, stark tränend, kein eitriges Sekret. Rechtes Auge unauff. Wie können Sie Ihrem Patienten helfen und welche Maßnahmen leiten Sie ein? (ärztemagazin 19/18)  

„Ich würde mit der Spaltlampe Hornhaut und Konjunktiva begutachten“

Priv.-Doz. Assoz. Prof. Dr. Katharina Kriechbaum
Univ.-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie, Wahlärztin, Wien
AUFGRUND DER ANAMNESE liegt eine Hornhaut- oder sogar perforierende Verletzung nahe. Ich würde an der Spaltlampe die Hornhaut und Konjunktiva begutachten, und nach intracornealen oder subtarsalen Fremdkörpern (Ektropionieren des Ober- und Unterlids) suchen. Um den akuten Schmerz zu mildern, können analgetische Augentropfen verabreicht werden. Unter Anfärbung mit Fluorescein können unter Blaulicht Erosionen, Stippungen oder Eintrittswunden an der Cornea und Konjunktiva gut dargestellt werden. Falls ein oberflächlicher Fremdkörper vorliegt, wird dieser mit Stieltupfer oder Fremdkörpernadel entfernt, bei Vorliegen von Rost oder Schmutz die Wunde mit der Fräse gereinigt. Ist die Eintrittswunde tief, würde ich wieder mit Fluorescein anfärben und unter Blaulicht auf Flüssigkeitsaustritt und somit auf Perforation prüfen. Da auch die Möglichkeit einer gedeckten Sklera-Perforation besteht, würde ich den Augendruck messen und den vorderen Augenabschnitt auf Reizzustand (Zellen, Tyndall in der Vorderkammer), Irisverletzungen, Blutungen und Linsenverletzungen überprüfen.

Die Tiefe der Vorderkammer und die Pupille sollten im Vergleich mit dem nicht betroffenen Auge beurteilt werden, da Seitenunterschiede einen Hinweis auf eine perforierende Verletzung geben können. Abschließend würde ich in jedem Fall den Augenhintergrund inklusive der Netzhautperipherie begutachten. Therapeutisch würde ich eine Behandlung mit antibiotischer und Vitamin-A-Salbe (eventuell Verband) anordnen und eine zeitnahe Kontrolle veranlassen. Eine Aufklärung über die wiederkehrende Schmerzsymptomatik nach Nachlassen der Wirkung der analgetischen Augentropfen ist sinnvoll. Gegebenenfalls empfehle ich orale Schmerztherapie. Liegt der Verdacht auf eine perforierende Verletzung vor, wird der Patient systemisch antibiotisch abgeschirmt, stationär aufgenommen und weiterer Bildgebung zugeführt. Die entsprechende chirurgische Versorgung muss so bald wie möglich erfolgen.

„Es besteht der Verdacht auf eine ,Hammer-Meißel-Verletzung“

OÄ Priv.-Doz. Dr. Katharina Kubista
FÄ für Augenheilkunde und Optometrie, Wien www.proeyes.at 
ANHAND DER ANAMNESE von Herrn V. besteht der Verdacht auf eine „Hammer-Meißel-Verletzung“ am linken Auge. Es scheint so, als ob dem Patienten beim Werkeln ein Stück vom Stanleymesser oder von dem Material, welches er geschnitten hat, in das Auge gesprungen ist. Nachdem der Patient laut Angabe noch einen guten Visus, aber starke Schmerzen und ein rotes Auge hat, kann davon ausgegangen werden, dass die optische Achse nicht betroffen ist. Eine gründliche Untersuchung an der Spaltlampe ist zwingend erforderlich. Zusätzlich sollten fluoreszierende Augentropfen verwendet werden, um eine mögliche Eintrittspforte in das Auge besser darzustellen. Sollte eine solche entdeckt werden, muss untersucht werden, ob Flüssigkeit aus dem Auge austritt. Also muss ein „Seidel- Test“ gemacht werden. Natürlich ist auch auf Entzündungszeichen im Auge zu achten. In jedem Fall sollte auch der Außenbereich des Auges sowie der Bereich unter dem Lid mittels Ektropionieren untersucht werden sowie eine Bildgebung mittels Röntgen oder sogar CT der Orbita durchgeführt werden, um einen subtarsalen oder intraokularen Fremdkörper auszuschließen.

Im einfachsten Fall handelt es sich lediglich um eine kleine Erosion der Horn- oder Bindehaut, die mit einer lokalen antibiotischen Therapie behandelt werden kann. Im schlimmsten Fall hat der Patient einen intraokularen Fremdkörper mit einer Eintrittspforte und Entzündungszeichen und muss mittels Glaskörperchirurgie operiert und antibiotisch abgeschirmt werden. Der intraokulare Fremdkörper muss entfernt werden, womöglich muss sogar die Linse entfernt und durch eine Kunststofflinse ersetzt werden, falls sie gestreift oder durchquert wurde, die Eintrittspforte vernäht und Antibiotika, im Rahmen einer Endophthalmitis- Prophylaxe, in das Auge injiziert werden. Bei resistenten Keimen droht eine Erblindung des betroffenen Auges. Engmaschige Kontrollen sowie eine Untersuchung des nicht betroffenen Auges sind erforderlich.

„Prinzipiell empfehle ich Bastlern das Tragen einer Schutzbrille“

Assoz.-Prof. PD Dr. Christina Leydolt
Univ.-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie, Wahlärztin, Wien 
HIER LIEGT DER DRINGENDE Verdacht auf einen Fremdkörper im Auge vor. Daher ist es auch unerlässlich, genaue Details des Unfallhergangs zu erfragen: Mit welchem Material wurde gearbeitet? Organisch oder anorganisch? Hat der Patient sich selbst etwas aus dem Auge entfernt bzw. gespült, … etc. Ein Fremdkörper kann entweder eine oberflächliche Verletzung von Bindehaut und/oder Hornhaut hervorrufen oder aber zu einer penetrierenden Verletzung des Bulbus führen. In ersterem Fall würde man bei dem Patienten eine Erosion der Hornhaut vorfinden, die sich an der Spaltlampe nach Anfärben der Hornhaut mit einem Farbstoff leicht diagnostizieren lässt. Kratzspuren auf der Hornhaut deuten auf einen subtarsalen Fremdkörper hin, daher ist ein Umklappen (Ektropionieren) der Lider zwingend erforderlich. Falls sich der Fremdkörper darstellt, kann dieser mit einer Nadel oder Pinzette entfernt werden und eine Therapie mit antibiotischer und Vitamin-A-haltiger Augensalbe eingeleitet werden, wodurch eine oberflächliche Verletzung relativ schnell und vollständig abheilt.

Sollten Anzeichen einer penetrierenden Verletzung bestehen, wie z.B. sichtbare perforierende Wunde der Hornhaut, Bindehaut oder darunterliegender Sklera, flache Vorderkammer, Blut in der Vorderkammer, niedriger Augendruck, Irisinkarzeration, Irisverletzung, Glasköperblutung, Netzhautriss oder -blutung oder Ähnliches, aber kein intraokulärer Fremdkörper direkt sichtbar sein, ist eine Bildgebung unerlässlich. Bei Verdacht auf einen metallischen Fremdkörper (wie in diesem Fall ein Teil eines Stanleymessers) empfehle ich ein Spiral-CT der Orbita. Bei Vorliegen eines intraokulären Fremdkörpers muss dieser operativ an einem spezialisierten Zentrum mit interdisziplinärer Traumachirurgie entfernt werden. Die Prognose richtet sich nach der Schwere der Verletzung und den betroffenen Augenstrukturen. Prinzipiell empfehle ich allen „Bastlern“ das Tragen einer Schutzbrille.