Von A wie Aderhautmelanom bis Z wie Zecke

Auch dieses Jahr spiegelte die Jahrestagung der Österreichischen Akademie für Dermatologische Fortbildung das breite Spektrum der Dermatologie wider; eine Auswahl. (CliniCum derma 3/18) 

Dermatoskopie: Der Saal gegen den Computer

Können Computer-Algorithmen melanozytäre Läsionen besser erkennen als Dermatologen? Dieser Herausforderung stellten sich die Teilnehmer der OEADF-Jahrestagung 2018 und diagnostizierten per Zufallsauswahl zehn Läsionen aus einem Set von insgesamt 379 Läsionen.1 Das Ergebnis: Bei der Unterscheidung Nävi versus Melanome schnitten die weltbesten Computer-Algorithmen im Ver gleich zu den Ärztinnen und Ärzten im Saal besser ab und gewannen neun zu sieben. Die Erklärung für dieses Ergebnis lieferte Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler, Universitätsklinik für Dermatologie, Medizinische Universität Wien, und hob hervor, dass Computer- Algorithmen einfach anders denken als der Mensch und in diesem Fall darauf trainiert sind, eine hohe Spezifität zu erreichen.

Dies bedeutet, dass sie sehr gut in der Lage sind, Nävi als korrekt gutartig zu erkennen. Da Computer- Algorithmen auf die Gesamtgenauigkeit trainiert sind, werden bei Zweifeln eher Nävi diagnostiziert, da diese im Sample auch häufiger enthalten sind. Im Unterschied dazu ist die Sensitivität der Ärzte und Ärztinnen im Saal natürlicherweise höher als deren Spezifität, da sie darauf trainiert sind, keine Melanome zu übersehen. „Ärztinnen und Ärzte sind sich darüber im Klaren, dass es wichtiger ist, Melanome zu diagnostizieren, und nehmen damit in Kauf, dass diese Diagnose auch fälschlicherweise positiv sein kann“, diese Denkweise begründet das schlechtere Abschneiden vs. Computer, so Kittler. Wurde das Publikum darüber informiert, dass in diesem konkreten Sample doppelt so viele Nävi als Melanome enthalten waren, änderte sich die Ausgangslage, und die Experten diagnostizierten besser als die Computer-Algorithmen.

Aber auch im täglichen klinischen Alltag ist bekannt, welche Prävalenzen zu erwarten sind. „Computer zur Unterstützung der Diagnostik sind keine Konkurrenz, sondern eine Bereicherung. In Zukunft werden wir diese ‚intelligenten‘ Systeme nützen. Ein Pilot, der ohne Bordcomputer nach New York fliegt, macht heutzutage auch keinen vertrauensvollen Eindruck mehr“, betonte Kittler. Er wies auch darauf hin, dass sich derzeit alle euphorischen Berichte auf Experimente unter Laborbedingungen beziehen und sich in der Dermatologie auf melanozytäre Läsionen beschränken. Das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt. Seborrhoische Keratosen, Basalzellkarzinome usw. werden gar nicht mit einbezogen. „Das ist nur Schachspiel mit zwei Figuren. Dermatologen benutzen das ganze Brett.“

Konfokale Lasermikroskopie

In der rezent veröffentlichten S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms2 wird die konfokale Lasermikroskopie (RCM) als Hilfsmittel zur verbesserten Unterscheidung zwischen malignen Melanomen, dysplastischen Nävi und anderen pigmentierten Läsionen und zur Reduktion der Rate unnötiger Operationen bewertet, berichtete Priv.-Doz. Dr. Verena Ahlgrimm-Siess, Universitätsklinik für Dermatologie, Landeskrankenhaus Salzburg. In der Melanomdiagnostik zeigt die RCM eine höhere Sensitivität (93,5 Prozent) und Spezifität (78,8 Prozent) als die Dermatoskopie, führte die Expertin weiter aus. Sie ist keine Screeningmethode, sondern stellt eine weiterführende Diagnostik nach Dermatoskopie dar. Wesentliche Vorteile liegen vor allem in der nicht invasiven zytomorphologischen Beurteilung von Hautneoplasien, insbesondere in kosmetisch/funktionell sensiblen Arealen. Eine fehlende subzelluläre Auflösung (atypische Mitosen, …) und die begrenzte Eindringtiefe (Tumordicke, noduläre Melanome) limitieren aber deren Einsatz.

Optische Kohärenztomographie

Die Funktionsweise der optischen Kohärenztomographie (OCT) ist jener der Ultraschalltechnik ähnlich, erläuterte Dr. Christoph Sinz, Universitätsklinik für Dermatologie, Medizinische Universität Wien. Aber anstelle von Schallwellen kommen Lichtstrahlen zum Einsatz, und die Information des untersuchten Gewebes wird mittels eines Interferometers interpretiert. Im Vergleich zum Hochfrequenz( HF)-Ultraschall (20Mhz) hat die OCT eine geringere Eindringtiefe, aber ein deutlich höheres Auflösungsvermögen. Damit ist sie möglicherweise bei der Beurteilung der Tumordicke bei Melanomen von weniger als einem Millimeter dem HF-Ultraschall überlegen, so der Experte. Im Vergleich zur RCM hat die OCT hingegen eine höhere Eindringtiefe, aber ein geringeres Auflösungsvermögen.

„Aufgrund der Auflösung und der Eindringtiefe eignet sich die OCT in erster Linie für die Diagnose epithelialer Hautveränderungen“, betonte Sinz. Bei der Diagnostik des Basalzellkarzinoms liegt beispielsweise die Sensitivität dieser Methode zwischen 86 Prozent bis 95 Prozent, die Spezifität zwischen 75 Prozent bis 90 Prozent (unter Berücksichtig von High Definition Optical Coherence Tomography). Möglicherweise könne die OCT aber auch hilfreich bei einer genaueren präoperativen Bestimmung der Tumorränder sein. Bei aktinischen Keratosen eignet sich die OCT zur Diagnose und Charakterisierung der Läsionen, aber auch zum Monitoring von nicht invasiven Lokaltherapien und zur Unterscheidung von aktinischen Keratosen und Basalzellkarzinomen bzw. von aktinischen Keratosen und invasiven Plattenepithelkarzinomen. Aufgrund der geringen Auflösung ist derzeit jedoch die Unterscheidung von benignen und malignen melanozytären Hautläsionen nicht empfehlenswert, gab der Experte zu bedenken.

Eine Bestimmung der Begrenzung zur Tiefe hin könne hingegen bei dünnen Melanomen (weniger als einen Millimeter) möglich sein. Die dynamische OCT ermöglicht die nicht invasive Darstellung oberflächlicher Blutgefäße. Damit können Unterschiede z.B. zwischen benignen Nävi (regelmäßige Punktgefäße) und malignen, melanozytären Hautveränderungen (polymorphes Gefäßmuster) gezeigt werden. Unterschiedliche Gefäßmuster verschiedener Subtypen des Basalzellkarzinoms wurden ebenfalls beschrieben. Um die Eindringtiefe bei bleibendem gutem Auflösungsvermögen zu erweitern, können mittlerweile verschiedene Techniken kombiniert werden (=multimodale Bildgebung): Ein im Rahmen einer Kooperation mit dem Zentrum für medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MUW entstandenes Projekt untersucht die Möglichkeiten einer 3D nicht invasiven Darstellungstechnik, die auf der Kombination von OCT, dynamischem OCT und Fotoakustik beruht.

Mittels Fotoakustik lassen sich beispielsweise auch Gefäße bis zu sechs Millimeter Eindringtiefe mit guter Auflösung darstellen. Obwohl die Dermatohistopathologie weiterhin der Standard in der Diagnostik von Hauttumoren bleibt, können nicht invasive Diagnoseverfahren die diagnostische Genauigkeit im Vergleich zur Untersuchung mit dem bloßen Auge erhöhen, resümierte Sinz. Die OCT ist eine schnelle, komplikationslose Untersuchung mit hoher diagnostischer Genauigkeit bei Basalzellkarzinomen und aktinischen Keratosen, so der Schluss des Experten.

Okuläre Melanome

Bei malignen Tumoren des Augeninneren handelt es sich vor allem um Melanome. Sie können sowohl die Aderhaut, den Ziliarkörper als auch die Iris betreffen. Obwohl sie nur einen sehr geringen Anteil aller Melanome ausmachen, sind uveale Melanome die häufigsten primären malignen intraokulären Tumore beim Erwachsenen, wobei der größte Anteil der uvealen Melanome von der Aderhaut (Choroidea) ausgeht. Ursprung uvealer Melanome sind die Melanozyten der Uvea. Daher ist auch häufig eine dunkle Pigmentierung erkennbar. Das Erkrankungsrisiko erhöht sich mit zunehmendem Alter, und der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Die Prävalenz uvealer Nävi liegt laut Literatur zwischen vier Prozent und acht Prozent (bis 30 Prozent), wobei eines von 5.000 bis 8.000 Nävi jährlich transformiert. Die Inzidenz des uvealen Melanoms liegt bei vier bis sechs Fällen pro einer Million Einwohner pro Jahr und ist seit mehr als 100 Jahren unverändert.3

„Das wichtigste Malignitätskriterium ist das Wachstum des Nävus“, betonte Priv.-Doz. DDr. Christoph Schwab, Universitäts-Augenklinik Graz. Risikofaktoren für die Transformation eines Aderhautnävus in ein Aderhautmelanom sind beispielsweise die Dicke des Nävus (mehr als zwei Millimeter), eine subretinale Flüssigkeitsansammlung im Läsionsbereich, die Ansammlung orangen Pigments, die rund um das Muttermal und an der Oberfläche beobachtet werden kann; die Nähe zum bzw. die Berührung des Papillenrandes und durch den Nävus hervorgerufene Symptome wie eine Visusverschlechterung, führte der Experte weiter  aus. Unabhängig von der gewählten Therapie (Strahlentherapie, Enukleation) ist die Metastasierungsrate uvealer Melanome hoch, und die Letalität liegt bei ungefähr 50 Prozent nach 15 Jahren, schilderte der Experte. Wesentliche Therapieziele sind daher neben dem Überleben vor allem auch die Zerstörung des Tumors, die Erhaltung des Auges und des Sehvermögens.

Kleines Zecken-1×1

Zecken sind blutsaugende Ektoparasiten und wichtige Vektoren für Krankheitserreger. In etwa 1.000 Spezies sind bekannt. Studien ergaben zudem das Bild lokaler Clusterungen. Auch mehrere Krankheitserreger können gleichzeitig übertragen werden. Eine wichtige Nachricht für die Praxis: „Eine negative Zeckenanamnese schließt eine Borreliose nicht aus! Eine negative Zeckenanamnese findet man bei bis zu zwei Drittel der ‚Zeckenpatienten‘“, betonte Prim. Univ.-Prof. Robert Müllegger, Abteilung für Dermatologie und Venerologie, Landesklinikum Wiener Neustadt. Zecken durchlaufen einen Entwicklungszyklus, und Nymphen sind sehr klein und fast durchsichtig. Sie sind somit kaum erkennbar und werden von den Betroffenen nicht bemerkt.

Zecken verankern sich nach Anhaftung mit einer zementartigen Substanz in der Haut und können tagelang Blut saugen. Beträgt die „Anhaftungszeit“ weniger als 24 Stunden, dann ist das Risiko einer Borrelieninfektion minimal. FSME-Viren werden hingegen wesentlich schneller übertragen, da sich die Viren bereits im Speichel der Zecke befinden und nicht wie die Borrelien im Darm. Deshalb sollten die Zecke/der Zeckenrest schnellstmöglich entfernt werden. „Es ist unsinnig, die Zecke herauszudrehen, wie manchmal empfohlen. Abrasieren ist am pragmatischsten. Quetschen sollte man deshalb nicht, da hierdurch nochmals viele Krankheitserreger ausgestoßen werden“, führte der Experte aus. Ein weiterer Hinweis: Bei Kindern sind aufgrund der geringeren Körpergröße die Stiche vor allem am Kopf und im Gesichtsbereich lokalisiert. Und ein bereits bestehendes Erythem sollte am besten mit einem wasserfesten Stift markiert und nach fünf Tagen kontrolliert werden.

Müllegger gibt auch zu bedenken, dass ein Erythema migrans im längsten Fall ein halbes Jahr nach Stich auftreten kann. „Und ein positiver ELISA-Test alleine ist überhaupt nicht aussagekräftig. Ein ELISA-Test ist relativ unspezifisch und muss erst noch durch einen Immunoblot bestätigt werden.“ Jedoch kann die Serologie alleine niemals sicher zwischen einer aktiven, therapiebedürftigen Borrelieninfektion und einer Infektion in der Vergangenheit unterscheiden. Ebenso ist eine Serologie im Verlauf der Erkrankung nicht sinnvoll, die Laborparameter können sowohl steigen als auch fallen. Daher: „Wiederholen Sie nach Therapie der Lyme-Borreliose die Serologie auf keinen Fall“, betonte der Experte. Ebenso gilt, dass ein positiver IgM-Antikörper-Titer ohne IgG mit großer Wahrscheinlichkeit jede Form eines Spätstadiums einer Borreliose ausschließt.

Für die Diagnose eines Spätstadiums der Erkrankung (beispielsweise Arthritis, Karditis, neurologische Symptome) muss ein positives IgG nachweisbar sein. Bei einem typischen Erythema migrans ist ein sofortiger Behandlungsbeginn notwendig, auch ohne vorhandene Serologie. Nur bei einem atypischen Erythem (beispielsweise mit inkomplettem Ring, Bläschenbildungen und dergleichen mehr) ist eine Serologie notwendig. Wird ein positiver ELISA durch Immunoblot bestätigt, erfolgt der Start einer antibiotischen Therapie. Bei initial negativem ELISA empfiehlt es sich, diesen nach zwei bis vier Wochen zu wiederholen (Serokonversion). Ist der ELISA wiederholt negativ und kein eindeutiges Erythema migrans vorhandeln, dann erfolgt keine Behandlung.

Dermatologen sollten aber differenzialdiagnostisch auch an ein interstitielles Granuloma anulare denken – im Einzelfall kann eine Histopathologie, Kultur und PCR angezeigt sein. Zur Behandlung von Dermatoborreliosen sind Doxycyclin und Amoxicillin in allen weltweiten Leitlinien die Antibiotika der Wahl. Doxycyclin ist insofern zu bevorzugen, als es zahlreiche andere zeckenassoziierte Erkrankungen auch erfassen würde, so Müllegger. Wenn trotz Therapie die Hautveränderungen persistieren bzw. sich verstärken, dann ist es zwingend notwendig, die Diagnose zu überdenken. Die Frühstadien der Erkrankung werden über einen Zeitraum von zehn bis maximal 21 Tage behandelt. Im Unterschied dazu ist die Acrodermatitis chronica atrophicans auf jeden Fall über einen Zeitraum von vier Wochen zu behandeln. Auch jede schwangere Frau mit einem Erythema migrans ist zwingend antibiotisch zu behandeln. Amoxyicillin ohne Clavulansäure ist bei Schwangeren das Mittel der Wahl, alternativ Azithromycin und Cefuroxim.

Referenzen:
1 Marchetti MA et al., Results of the 2016 International Skin Imaging Collaboration International Symposium on Biomedical Imaging challenge: Comparison of the accuracy of computer algorithms to dermatologists for the diagnosis of melanoma from dermoscopic images. J Am Acad Dermatol 2018;78(2):270–77 e1
2 S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms, Version 3.0, April 2018, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-024OL_l_S3_Melanom-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-07_01.pdf
3 Singh AD et al., Uveal melanoma: epidemiologic aspects. Ophthalmol Clin North Am 2005;18(1):75–84, viii

Jahrestagung der Österreichischen Akademie für Dermatologische Fortbildung (OEADF), Wien, 31.5.–1.6.18

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma