Was den inneren Frieden stört
Aus mir wird nie ein Geduldsmensch werden. Oder jemand, der friedlich in sich ruhend durch das Leben schwebt. Zumindest nicht durch dieses Leben. Sollte es so etwas wie Reinkarnation geben, dann stehen mir einige Leben als Apfelbaum, Schildkröte oder Pottwal bevor. Da kann ich dann lernen, ruhig im Sturm stehen zu bleiben, bedächtig meinen Weg zu schlurfen oder mich mit majestätischer Ruhe von den Strömungen des Meeres tragen zu lassen. Bis dahin bin ich jedoch einfach nur ich selber. Und dieses Ich wird heute wieder einmal gequält. Da hilft es auch nichts, wenn der „Dalai-Lama-Spruch“ des Tages auf meinem Kalender lautet: „Lass nicht zu, dass das Verhalten anderer deinen inneren Frieden stört!“ Der hat gut reden, der betreut auch nicht meine heutige Patientenschar.
Ganz zu Beginn kommt Herr R. zur Befundbesprechung seiner Blutwerte. Die Blutabnahme habe ich vor ungefähr dreieinhalb Monaten gemacht und seitdem nichts mehr von ihm gehört. Man möchte meinen, dass es in seinem eigenen Interesse wäre, bei einer familiären Hypercholesterinämie mit lauter frühzeitig toten Altvorderen endlich seine Cholesterinwerte in den Griff zu bekommen. Oder auch zu wissen, ob die von mir verschriebenen Präparate wohl bekömmlich für seine Leber sind. Nachdem er monatelang die „Unerledigt-Liste“ angeführt hatte, hat die beste aller Assistentinnen ein halbes Dutzend Mal hinter ihm her telefoniert. Bis schließlich endlich der heutige Termin zustande gekommen war.