Darf ich bald einen Patienten auch per Videochat behandeln?
EIN BESCHLUSS des Deutschen Ärztetags sorgte Anfang Mai für ein Erdbeben. Die Hauptversammlung der deutschen Bundesärztekammer sprach sich mit „großer überwältigender Mehrheit“ für eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots aus, wie der deutsche Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery per Tweet (sic!) mitteilte. Die neue Regelung in der deutschen Musterberufsordnung sieht künftig vor, dass Ärzte „im Einzelfall“ auch bei ihnen noch unbekannten Patienten eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vornehmen dürfen. Sofern dies „ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt“ gewahrt ist, heißt es weiter. Eine Einschränkung freilich gibt es: Die Krankschreibung per Telefon oder Videokonferenz bei unbekannten Patienten bleibt verboten. Nun ist es an den Landesärztekammern, den Beschluss zu übernehmen.
Laut Präsident Montgomery dauert dies noch einmal ein bis zwei Jahre. In Österreich ist die Standesvertretung zögerlicher: Die Online-Sprechstunde hat hier noch etliche rechtliche Hürden zu bewältigen. Hierzulande ist die Behandlung nur durch den Kontakt vor Ort zulässig. Man muss ihn „angreifen oder riechen“ können. Es gibt zwar Plattformen, die PatientInnen und ÄrztInnen miteinander in Beziehung setzen, um online Termine auszumachen, um Rezepte und Überweisungen anzufragen oder strukturierte Fragen zu stellen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Patienten zumindest einmal beim jeweiligen Arzt waren. Ferndiagnosen bleiben aber auch in diesen Geschäftsmodellen ausgeschlossen. Die deutsche Entwicklung zeigt aber, wohin der Zug fährt. Ich bin überzeugt, dass Onlineordinationen bald auch in Österreich ihre Rolle spielen. Für niedergelasssene Mediziner macht es durchaus Sinn, diesen Trend aufzugreifen. Er wird auch vor dem niedergelassenen (Kassen-)Bereich nicht haltmachen.