Fall der Woche: Fieber und immer wieder kurze Wehen

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Der Fall. Am frühen Abend gleich zu Beginn Ihres Bereitschaftsdienstes werden Sie von einer jungen schwangeren Frau (34 J.) aufgesucht. „Mir geht’s gar nicht gut. Seit gestern habe ich Fieber und dieses Unwohlsein“, berichtet sie Ihnen. „Seit dem frühen Nachmittag verspür ich immer wieder kurze Wehen und seit ca. 1 Stunde hab ich so Herzrasen. Ich mach mir jetzt wirklich Sorgen um das Kind, nicht dass es zu früh kommt.“ Frau K. ist Grav 2, Para 1 und in SSW 32+6. Bisher verlief die Schwangerschaft ganz unkompliziert, allerdings muss sie sich seit ca. 2 Wochen auf Grund einer Zervixinsuffizienz schonen. BB: beginnende Leukozytose und CRP 8, P 120/min, RR 150/85mmHg, Temp. 38,9°C. Welche Maßnahmen setzen Sie und wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? (ärztemagazin 11/18)

„ Die sofortige Aufnahme in einer geburtshilflichen Abteilung ist notwendig“

Univ.-Prof. Dr. Georg J. Gerstner
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Wien
AUF GRUND DER vorliegenden Symptomatik muss die Schwangere sofort an einer geburtshilflichen Abteilung aufgenommen werden. Nachdem es sich um die 32/6 SSW handelt, sollte dies möglichst an einem Mutter-Kind-Zentrum mit angeschlossener Neonatologie geschehen, da naturgemäß eine Frühgeburt droht. Fest steht auf Grund des relativ hohen Fiebers und der Infektionszeichen im Blutbild, dass es sich um eine entzündliche Komplikation im Sinne einer Infektion handelt. Logisch ist, auf Grund der seit zwei Wochen beschriebenen Zervixinsuffizienz von einer lokalen Infektion im Sinne einer Chorioamnionitis auszugehen. Das Herzrasen könnte man als Begleitsymptomatik des hohen Fiebers interpretieren. Es muss jedenfalls sofort der ebenfalls deutlich erhöhte Blutdruck von einem darauf spezialisierten Internisten abgeklärt und behandelt werden. Eine Präeklampsie muss geburtshilflicherseits abgeklärt werden. Die Patientin muss ab sofort Bettruhe einhalten, da eine Frühgeburt droht.

Auf Grund der beginnenden Wehen wird man sofort mit einer intravenösen Tokolyse beginnen und zur Lungenreife des Kindes 2x im Abstand von 12 Stunden Cortikosteroide applizieren. Die Spiegelung des Gebärmuttermundes ergibt den Zervixbefund. Manchmal kommt es bei Zervixinsuffizienz auch zu einem Vorfall der Fruchtblase in die Scheide; dies kann auch zu Wehen und Infektionssymptomatik führen. In jedem Fall wird man der Patientin daher auch sofort hochdosiert Antibiotika verabfolgen. Natürlich wird der Geburtshelfer sofort nach der Aufnahme eine Ultraschall-Untersuchung des Kindes durchführen und ebenso mit der Vaginalsonde die Länge der Zervix messen. Auch ist zu prüfen, ob nicht womöglich schon ein hoher Blasensprung vorliegt. Dies ist heute mittels immunchromotographischer Tests möglich. Ebenso werden Abstriche zur Kultur entnommen. Der kindliche Zustand wird mittels Cardiotokographie (CTG) abgeklärt. Dabei kann man auch die Wehen schön darstellen. Selbstverständlich wird man die Laborparameter, die hier ja bereits auswärts für ein Amnion-Infektionssyndrom sprachen, kontrollieren.

Beim CRP ist zu beachten, dass es zwei verschiedene Messmethoden mit unterschiedlichen Referenzbereichen gibt. Außerdem sind die Grenzwerte in der Schwangerschaft andere. Aus der Gesamtheit der Untersuchungen ergibt sich dann, wie drohend die Frühgeburt tatsächlich ist. Insbesondere über 4 Wehen in 30 Minuten (verspürt oder am CTG), eine Verkürzung der Zervixlänge unter 25mm oder eine sogenannte Trichterbildung sind Zeichen einer solchen. Bei klinischem Verdacht auf eine drohende Frühgeburt soll auf die vaginale Tastuntersuchung bewusst verzichtet werden. Bei vorzeitigem Blasensprung ist diese kontraindiziert. Vorrangiges Ziel der Wehenhemmung ist es, die Wehen mindestens über einen Zeitraum von >48 Stunden zu blockieren, um eine vollständige kindliche Lungenreifung zu erreichen. Eine darüber hinausgehende Wehenhemmung wird man hier maximal bis zum Erreichen der SSW 33/6 durchführen. Wichtig erscheint hier noch, die tägliche Kontrolle der Serum-Infektionsparameter, insbesondere des CRP. Auch ist die Kenntnis des B-Streptokokken-Status notwendig, der in aller Regel bereits beim Facharzt durchgeführt wurde, da frühgeborene Kinder einem erhöhten Risiko des Auftretens einer Neugeborenen- Sepsis unterliegen.

„ Die Diagnose eines Amnion-Infektionssyndroms ist sehr wahrscheinlich“

Univ.-Prof. Dr. Christian Dadak
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Wien
BEI DIESER PATIENTIN steht in erster Linie eine Infektion als ziemlich sichere Diagnose fest. Aufgrund der Leukozytose und des erhöhten CRP werde ich die Patientin sofort stationär aufnehmen. Aufgrund der schon vorhandenen Zervixinsuffizienz ist die Diagnose eines Amnion-Infektionssyndroms sehr wahrscheinlich. Natürlich kommen auch ein Harnwegsinfekt, eine Appendicitis oder eine Pneumonie in Frage. Ich werde bei der Aufnahme sofort einen Bakterienabstrich vornehmen, eventuell eine Kultur anlegen und einen Schnelltest auf vorzeitigen Blasensprung vornehmen (AmniSure und Fibronectin). In weiterer Folge werde ich ein CTG anordnen und einen Ultraschall auf Lage des Kindes, Plazentasitz, Biometrie und Doppler-Durchströmung veranlassen. Ich werde natürlich auch ein neuerliches Blutbild anordnen sowie den Harn anschauen auf Zeichen eines Harnwegsinfektes (gegebenenfalls ist Nitrit positiv).

Wenn das CTG eine leichte Tachykardie zeigt, was auf Grund des Fiebers möglich wäre, würde ich eine Dauerregistrierung veranlassen. Als Komplikation könnte eine weitere Eröffnung des Muttermundes drohen und eine Wehentätigkeit resultieren. Mit dem Einsatz von wehenhemmenden Substanzen (Betamimetika oder Rezeptorenblocker) würde ich zunächst noch sehr zurückhaltend agieren. Die Frage der Lungenreifung beim Feten muss ebenfalls im Therapieplan berücksichtigt werden. In der 33. Schwangerschaftswoche ist schon von einer gewissen Lungenreife auszugehen. Trotzdem ist die gabe von Kortison angezeigt. Das Kind wird zu diesem Zeitpunkt ca. 2.100 Gramm schwer sein. Für die Lungenreifung benötigt man zumindest 48 Stunden, eventuell unter Wehenhemmung. Als wichtigste Therapie steht eine antibiotische Abschirmung im Vordergrund. Es werden vor allem Penicillinpräparate und Cephalosporine zum Einsatz kommen. Dies müsste entsprechend der Klinikleitlinie geschehen. Der weitere Verlauf muss genau beobachtet werden und nach etwa 4 Stunden muss die Situation neuerlich evaluiert werden. Sollte das CRP weiter ansteigen, dann muss an eine Geburtseinleitung gedacht werden. Sollte das CRP und die Leukozyten stabil bleiben oder sogar sinken, das CTG sich normalisieren, kann an eine Verlängerung der Schwangerschaft gedacht werden.