7. Feb. 2018

Medizinische Spitzenposition bei Olympia

OLYMPISCHE WINTERSPIELE – Erstmals wurde ein österreichischer Arzt vom IOC zum Chefarzt von Olympischen Spielen berufen. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger hat seine Tätigkeit im koreanischen Pyeongchang bereits Ende Jänner aufgenommen. (Medical Tribune 06/18) 

 Schobersbergers Team ist mit der Sicherstellung der Qualität des medizinischen Managements während der Olympischen Spiele betraut.
Schobersbergers Team ist mit der Sicherstellung der Qualität des medizinischen Managements während der Olympischen Spiele betraut.

Mit einer ehrenvollen und herausfordernden Aufgabe hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger betraut: Er wurde zum Vorsitzenden der medizinischen und wissenschaftlichen Kommission der Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang ernannt, die am 9. Februar 2018 beginnen. Seine Aufgabe beschreibt Schobersberger u.a. als „kommunikative Mittlerfunktion zwischen den internationalen Sportverbänden und den Teamärzten der nationalen Verbände“. Das IOC hat vor Ort ein Expertenteam, das den Veranstalter unterstützen soll. „Wir greifen in ein funktionierendes System ein, das aus Notfallmedizinern, Pharmakologen, Physiotherapeuten, Sportärzten und Laborleuten besteht und sich seit Jahren auf die Aufgaben vorbereitet“, präzisiert Schobersberger. Zu dieser Struktur gehört auch die Zusammenarbeit mit regionalen Schwerpunktspitälern und einer eigens im Olympischen Dorf aufgebauten Klinik.

„Das IOC holt sich internationale Experten, die vor Ort und im Vorfeld einzelne Bereiche evaluieren, die Qualitätssicherung optimieren und dem Veranstalter sagen, was nicht passt.“ Als Extrembeispiel bezeichnet Schobersberger die letzten Olympischen Sommerspiele in Rio 2016, wo es „medizinisch extreme Defizite gegeben hat, die man vor Ort hat beseitigen müssen im Sinne der Sicherheit der Athleten und Funktionäre“. Die maßgeblichen Kontakte zum IOC basieren vor allem darauf, dass Schobersberger während der ersten Olympischen Jugendwinterspiele 2012 in Innsbruck die medizinische Leitung innehatte. Damals stand Schobersberger einem Team der Tirol Kliniken vor, das 1550 Personen (darunter 1058 aktive Sportlerinnen und Sportler) medizinisch betreute. Zum medizinischen Versorgungspaket gehörte auch die Betreuung aller Wettkampf- und Eventstätten mit Ärzten und Physiotherapeuten. Weil das IOC alle akkreditierten Personen versichert, war dieser große Kreis von knapp 10.000 Personen ebenfalls medizinisch zu betreuen. Offenbar war das IOC von dieser Arbeit so angetan, dass seither ein enger Kontakt bestand und Schobersberger während der zweiten Winterjugendspiele 2016 in Lillehammer als medizinischer Berater zum Einsatz kam.

Antidopingstrategie – ein heikles Thema

Nach den Skandalen infolge der Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Sotschi stehen möglichst wirksame Dopingkontrollen bei den Spielen in Pyeongchang im Zentrum öffentlichen Interesses. Diese Aufgaben wurden vom IOC – nicht zuletzt als Reaktion auf das russische „Staatsdoping“ – an eine vom IOC unabhängige Einrichtung übertragen. Unter dem Schirm der World Anti-Doping Agency (WADA) wird in Korea den Ankündigungen zufolge die „Independent Testing Authority (ITA)“ unabhängig von Staaten und internationalen Sportverbänden für Dopingkontrollen zuständig sein. Ein heikler Teil der Antidopingstrategie wird allerdings Schobersberger in seiner Funktion als Vorsitzender der „TUE*-Kommission“ zufallen. „Diese Kommission setzt sich damit auseinander, wie vorzugehen ist, wenn ein Athlet während der Spiele erkrankt oder bereits chronisch krank anreist und Medikamente benötigt, die auf einer Verbotsliste stehen“, erläutert Schobersberger. Die Entscheidungen über Ausnahmegenehmigungen liegen letztlich bei Schobersberger, wobei es dabei auch darum gehen wird, die Plausibilität vorgelegter Atteste zu überprüfen.

Symposium und Forschungsprojekt

Weniger im öffentlichen Fokus steht die Aufgabe des Vorsitzenden der Medizinischen und Wissenschaftlichen Kommission auch ein – traditionell während der Spiele abzuhaltendes – medizinisches Symposium für die anwesenden Teamärzte zu leiten und dabei auch selbst einen Vortrag zu halten. Fortzusetzen ist auch ein vom IOC während Olympischer Spiele seit vielen Jahren betriebenes Forschungsprojekt zur Evaluierung von Verletzungen und Erkrankungen der teilnehmenden Athleten. Dabei geht es um Erkenntnisse zur Prävention und Prophylaxe von Sportunfällen und Erkrankungen. Schobersberger hebt als Besonderheit dieses Forschungsprojekts hervor, dass Olympische Spiele eine sonst unerreichbare Zahl an Spitzensportlern aus zahlreichen Sportarten an einem Ort zusammenführen.

Auszeichnung auch für die ISAG

Für Schobersberger sind es bereits (die Jugendspiele mitgerechnet) die siebenten Olympischen Spiele, bei denen er dabei ist. 2014 in Sotschi war er „Chief Medical Officer“ für die österreichische Olympiamannschaft (inklusive aller Funktionäre) und leitete ein Team von einem Dutzend Ärzten und rund 20 Physiotherapeuten innerhalb eines kleinen Zentrums im österreichischen Teil des Olympischen Dorfs. Hauptberuflich ist Wolfgang Schobersberger Facharzt für Anästhesie, Sport- und Höhenmedizin und leitet das Innsbrucker Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG). Das ISAG wurde 2009 gegründet und hat selbst olympische Wurzeln: Im Vorfeld der ersten Olympischen Winterspiele in Innsbruck 1964 entstand ein Jahr vorher das Institut für Sport- und Kreislaufmedizin, eines der ersten sportmedizinischen Institute im deutschsprachigen Raum. Unter der Leitung des legendären Sportarztes Univ.- Prof. Dr. Ernst Raas hat dieses Institut mangels einer eigenen Abteilung jahrelang auch kardiologische Patienten zur Herzinfarktabklärung behandelt, der Spitzensport blieb ein Segment. Träger des ISAG sind das Land Tirol, die Tirol Kliniken und die Privatuniversität des Landes UMIT.

Mit der Gründung des ISAG steht Leistungsdiagnostik im Mittelpunkt, die auch von Hobbysportlern in Anspruch genommen werden kann. Die Basis in der Leistungsdiagnostik bilden Ergometrie und Spiroergometrie. „Wir erweitern aber das Programm, bei entsprechendem Interesse von Sportlern, etwa um Aussagen über Maximalkraft, Kraftdynamik und vieles mehr treffen zu können.“ Dabei wird auch eng mit Trainern zusammengearbeitet. Sportmedizinische Leistungsdiagnostik für die österreichischen Teilnehmer der Winterspiele in Südkorea gehören ebenso zum Portfolio wie die Untersuchungen und Beratungen zum Höhenbergsteigern und für Trekkingtouren, Drogen- und Verletzungsprävention sowie gemeinsame Projekte mit dem Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck. Für Tirols Gesundheitslandesrat DI Dr. Bernard Tilg (ÖVP) ist die erstmalige Berufung eines österreichischen Mediziners zum leitenden Arzt Olympischer Spiele nicht nur eine Auszeichnung für Wolfgang Schobersberger und dessen wissenschaftliches Lebenswerk, sondern auch „für das Sport- und Gesundheitsland Tirol, für die Tirolkliniken und das ISAG“.

* Therapeutic Use Exemption

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune