Müdigkeit, Herzrasen und Atemnot

Der Fall. „Irgendwas stimmt momentan nicht mit mir!“, begrüßt Sie Frau N. (48 J., Angestellte) an diesem  Morgen. „Seit gestern habe ich immer wieder dieses Herzrasen und sogar das Stiegensteigen strengt mich an. Das kenne ich nicht von mir.“ Bei genauerem Nachfragen erfahren Sie, dass Frau N. seit einer Woche sehr müde ist und viel schläft, allerdings habe sie seit einigen Wochen sehr viel zu tun auf der Arbeit. „Bisher war ich eigentlich immer gesund. Klar erwischt mich mal eine Erkältung, so auch vor 3 Wochen, aber nicht mal da hab ich einen Krankenstand gebraucht. Bei der vielen Arbeit wäre das auch nicht möglich gewesen.“  Cor: r, rhy, tc, Pulmo: beidseits frei, VA, keine patholog. RGs, RR 110/70mmHg, HF 50/Min, Temp: 37,3°C,  EKG: AV-Block I. Grades, BB: erhöhte Entzündungsparameter mit Leukozytose. Welche Maßnahmen  ergreifen Sie als Nächstes und was sagen Sie der Patientin? (ärztemagazin 07/18)

„In der Akut-Phase steht strikte körperliche Schonung im Vordergrund“

Dr. Manuela Hanke, 
FÄ für Innere Medizin und Kardiologie sowie Ernährungsmedizin, Wien, www.kardiologie-hanke.wien
In erster Linie würde ich der Patientin erklären, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Entzündung des Herzens handelt. Es wird eine stationäre Aufnahme vorgeschlagen. Troponin (Th) und Myokarditis-Serologie werden abgenommen. Bei positivem Resultat ist eine Myokardschädigung sehr wahrscheinlich. Auf Grund des AV-Blocks sollte Frau N. auch monitorisiert werden, um alle Rhythmus­störungen aufzuzeichnen und möglichst rasch eingreifen zu können. Die beschriebene Dyspnoe könnte Zeichen einer verminderten LV-Auswurfleistung sein, deshalb ist eine Echokardiographie indiziert, auch zur Diagnose eventueller WBST oder eines Perikardergusses. Zur Sicherung der Diagnose wird eine Herz-MRT (CMR) veranlasst. Spezielle Sequenzen können in der frühen Phase ein interstitielles Ödem, regionale Veränderungen der Herzmuskeldurchblutung oder schon die Durchlässigkeit des Gewebes für MR-Kontrastmittel (LE: late-enhancement) zeigen. Bei schwereren Verlaufsformen ist eine Herzmuskel-Biopsie erforderlich. Die C-MRT kann für Verlaufsuntersuchungen eingesetzt werden, Histologie sowie Antikörper-Nachweis ergänzen die Diagnostik.

Zum Ausschluss einer KHK sollte eine Koronarangiographie veranlasst werden. Meist heilt eine Myokarditis ohne Folgen aus, eine spezifische Therapie ist dann nicht notwendig. In der Akut-Phase der Erkrankung steht eine strikte körperliche Schonung im Vordergrund. Herzrhythmusstörungen sind meist passager und langfristig nicht behandlungsbedürftig. Bei schweren akuten Verlaufsformen (kardiogener Schock) kann eine Unterstützung der Herzleistung erforderlich sein. Kann ein Virusnachweis geführt werden, gibt es Hinweise darauf, dass eine Therapie mit β-Interferon hilfreich sein kann. Kommt es bei der chronischen Herzmuskelentzündung zu einer Herzinsuffizienz, wird neben der leitliniengerechten Behandlung mit Herzinsuffizienzmedikamenten auch der Einsatz von Immunsuppressiva (z.B. Prednisolon oder Azathioprin) diskutiert. Die Erfahrungen mit diesen Therapieformen basieren aber nicht auf größeren klinischen Studien. Die frühzeitige Diagnostik und somit die Möglichkeit, Belastungen während der Akutphase zu vermeiden, steht im Vordergrund. Versagt die konservative Therapie, können überbrückend links­ven­trikuläre Herzunterstützungs­systeme eingesetzt werden. Ultima Ratio ist die Herztransplantation.

„Eine rasche und konsequente Abklärung muss erfolgen“

Prof. Dr. Christian Sebesta, 
FA für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Hämatologie und Onkologie, SMZ Ost – Donauspital, Wien
Wenn eine verhältnismäßig junge Frau aus voller Gesundheit heraus das oben geschilderte Beschwerdebild entwickelt, muss eine rasche und konsequente Abklärung erfolgen, um eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung wie z.B. eine Myokarditis auszuschließen. Ich würde die Patientin über die Möglichkeit einer Herzbeteiligung im Rahmen eines viralen oder bakteriellen Infektes aufklären und umgehend ein Herzecho mit der entsprechenden Fragestellung, ein Lungenröntgen zum Ausschluss einer klinisch nicht erkennbaren Pneumonie, zur Beurteilung der Herzgröße und zum Ausschluss eines Perikardergusses und eine weitere Blutabnahme mit Virusbluten und einem Antistreptolysin-Titer veranlassen.

Dabei sind auch Troponin I, Pro-BNP, CK und CK-MB sowie das ­D-Dimer mitzubestimmen. Die genannten Untersuchungen müssen schnellstens durchgeführt werden, Frau N. sollte aber nicht den Eindruck bekommen, dass sie in akuter Lebensgefahr ist. Bis zum Eintreffen der Ergebnisse erkläre ich der Patientin, dass körperliche Schonung notwendig ist. Auf die Verordnung eines Antibiotikums würde ich vorerst verzichten, zumal die vermutete Diagnose meistens viral bedingt ist. Wenn es der Patientin unmöglich sein sollte, das Gebot der körperlichen Schonung einzuhalten, wenn ausgeprägter mentaler Stress oder Angst erkennbar sind oder wenn sie über neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen klagt, würde ich eine stationäre Aufnahme zur weiteren Abklärung veranlassen.

„Es gilt, zwischen viraler und bakterieller Ätiologie zu unterscheiden“

Dr. Claudia Wainke, 
Hanusch KH, Wien
Nach der körperlichen Untersuchung und der Auswertung des EKG und des BB sage ich Frau N., dass es mir scheint, als hätte sie eine Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung. Ich beruhige sie und erkläre, dass es gut war, auf ihre Symptome zu hören. Ich vermittle ihr, dass keine Panik vonnöten ist, empfehle jedoch eine stationäre Aufnahme, um sich möglichst zu schonen, überwacht zu sein und Schritt für Schritt der Ursache nachgehen zu können. Die Möglichkeit „ausgerissener“ Ätiologien kann tlw. bereits anamnestisch geprüft werden. So lohnt sich etwa die Frage nach Auslands­aufenthalten, da neben Bakterien & Viren auch Mykosen oder ein Befall von Parasiten und Protozoen Myokarditis verursachen können. Gerade Südamerika ließe in der Diagnostik an Trypanosoma cruzi denken (Chagas-Krankheit).

Die Geschichte der Frau N. und ihre Symptome sind jedoch so typisch, dass vorerst an eine „klassische“ Myokarditis zu denken ist. Es gilt, diagnostisch in erster Linie zwischen bakterieller und viraler Ätiologie zu unterscheiden und das Ausmaß der Entzündung zu bestimmen, aber trotz des kürzlich zurückliegenden Infekts auch an seltenere nichtinfektiöse, autoimmun-assoziierte Differentialdiagnosen zu denken. Nachfragen bzgl. der vergangenen Erkältung kann Hinweise bieten: Nach einer Infektion des Rachenraumes durch Streptokokken kommt es ca. in 1–3% zum rheumatischen Fieber, wobei Autoantikörper auch Myo- und ­Endokard attackieren. Auch Vaskulitiden und Kollagenosen könnten theoretisch verursachend sein.

Je nach Möglichkeiten des Spitals sollte die Einweisung eine vorerst durchgehende Monitorisierung ermöglichen. Der AV-Block muss überwacht und etwaige weitere EKG-Veränderungen (große Bandbreite) aufgezeichnet werden. Im Labor fordere ich an: Virus-Serologie; CK, CK-MB, Troponin-T (Myozytolyse); BNP (Herzinsuffizienz?, Entzündung); evtl. Autoantikörper. Die diagnostischen Stationen umfassen Echokardiographie (Ausschluss von Alternativen und funktionelle Befundung der Herzmuskelaktivität), kardiale MRT (Diagnose & Verlauf) und bei ausbleibender Besserung oder fulminanterem Verlauf eine Myokardbiopsie. Je nach Ergebnis der Untersuchungen wird neben der Schonung und Überwachung mit ß-Interferon, Antibiotika oder ggbf. Antimykotika oder Immunsuppressiva behandelt. Symptomatisch gilt es je nach Entwicklung zu reagieren (medikamentöse Behandlung von Insuffizienz und Rhythmusstörungen).