25. Sep. 2018

Kopfschmerzen nicht auf die leichte Schulter nehmen

v.l.n.r.: Nenad Mitrovic, Eugen Trinka, Gregor Brössner
FOTO: OESTERR. GESELLSCHAFTF. NEUROLOGIE (OGN) - APA-FOTOSERVICE - BARGAD

Der ÖGN-Präsident schlägt Alarm: Patienten mit chronischen Schmerzen würden vor der Überweisung in spezialisierte Zentren unterversorgt. Allerdings sei die Anzahl der Zentren lückenhaft. Immerhin verbessern sich die Therapieoptionen derzeit. (Medical Tribune 39/18)

Am 12. September wurde der Europäische Kopfschmerz- und Migränetag begangen. Experten der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft (ÖKSG) nahmen den Tag zum Anlass, um auf Problemfelder und Erfolge aufmerksam zu machen. ÖGN-Präsident Prof. Dr. Mag. Eugen Trinka, Leiter der Universitätsklinik für Neurologie an der Christian Doppler Universitätsklinik in Salzburg, beklagte, dass Kopfschmerzen und Migräne häufig nicht ernst genommen würden. Doch die chronisch wiederkehrenden Erkrankungen bedürften einer fundierten und möglichst frühen Behandlung.

Mangelhafte Versorgung

Die Versorgungssituation lässt allerdings laut Trinka zu wünschen übrig: Erforderlich sei eine abgestufte und koordiniert funktionierende Versorgung der Kopfschmerz- und Migränepatienten, die von den Hausärzten über niedergelassene Neurologen bis hin zu einer ausreichenden Zahl spezialisierter Zentren reicht, „wovon derzeit in Österreich allerdings nicht die Rede sein kann“. Problematisch sei auch, dass Expertenempfehlungen in der Praxis weit auseinanderklaffen. Eine Erhebung in acht österreichischen Kopfschmerzzentren habe gezeigt, dass viele Patienten vor der Überweisung in ein spezialisiertes Zentrum keine ausreichende Therapie erhalten hätten. Triptane seien nur sechs Prozent der erwachsenen Migräne-Patienten verordnet worden.1 Priv.-Doz. Dr. Gregor Brössner, Präsident der ÖKSG und Leiter der Ambulanz für Kopf- und Gesichtsschmerzen an der Universitätsklinik für Neurologie der Med-Uni Innsbruck, informierte über vier monoklonale Antikörper zur Migräne-Prophylaxe, die in klinischen Studien untersucht worden sind: Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab. Drei wirken als Antagonisten gegen das CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) und einer gegen dessen Rezeptor. „Die Wirksamkeit und Sicherheit der vier monoklonalen Antikörper wurde und wird in vielen Studien untersucht“, so Brössner. „An einigen davon war auch die Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie beteiligt.“

Neue Medikamente

Erenumab ist seit September auf dem Markt. Für Fremanezumab wird die Zulassung bald erwartet. „Die neue Medikamentenklasse erspart Patienten jene Belastungen, die bei gängigen Prophylaxemitteln gegen episodische Migräne häufig auftreten, wie Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen, Schwindel, Schläfrigkeit, Erschöpfung, ja sogar geistige Beeinträchtigung“, erklärte Brössner. Das werde sich vermutlich positiv auf die Adhärenz auswirken. Eine wichtige Fragestellung sei, wie man künftig jene Patienten erkennen kann, die am besten auf diese Therapien ansprechen. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, Leiter der Neurologie am Salzkammergut- Klinikum Vöcklabruck und Vorsitzender der AG Schmerz in der ÖGN, rief Kopfschmerzformen ins Gedächtnis, die auf gefährliche Erkrankungen wie Schlaganfall, Meningitis, strukturelle Gehirnläsionen, vaskuläre Malformationen, Glioblastome oder andere Tumore zurückzuführen sein können. Hellhörig sollte man werden, wenn jemand plötzlich über massive Kopfschmerzen klagt, der sonst davon verschont war, oder wenn sich die Kopfschmerzen hinsichtlich Charakter, Intensität oder Frequenz verändern. Auch wenn der klinische Verlauf atypisch wird oder zusätzlich neurologische Auffälligkeiten auftreten, sollte man aufmerksam werden.

Erhöhtes Schlaganfallrisiko

Immerhin zeigte eine Metaanalyse, dass Migränepatienten mit Aurasymptomatik ein etwa zweifach erhöhtes Risiko für ischämische Schlaganfälle haben. Rauchen und die Pille erhöhen dieses Risiko nochmals deutlich.

1 Zebenholzer K et al., Abstract OC-EP-002, Cephalgia 2017; 37(1S): 5–6
2 Kurth T et al., Lancet Neurol 2012; 11: 92–100

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune