6. Mai 2024Traumurlaub mit üblen Nachwirkungen

Gastroenteritis bei Reiserückkehrenden

So manches beliebte Reiseland gilt leider als Hochrisikogebiet für die Reisediarrhö. Und einige Urlauberinnen und Urlauber bringen den Durchfall nach Hause mit. Was bei einer Gastroenteritis von Reiserückkehrenden zu tun ist und was vor der Reisediarrhö schützt, fasst die aktualisierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) für zusammen.

Gelber Plastikreisekoffer und Toilettenpapierrolle auf blauem Hintergrund. Tourismus, Urlaubskonzept
splitov27/AdobeStock

Die Definition ist einfach und in der Sk2-Leitlinie "Gastrointestinale Infektionen" der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) nachzulesen: Eine Reisediarrhö besteht, wenn eine Person im besuchten Land mindestens 3 ungeformte Stühle pro Tag ausscheidet. Ein Durchfall, der nach der Rückkehr persistiert, wird Diarrhö bei Reiserückkehrenden genannt. Für einen schweren Verlauf sprechen Fieber, blutige Fäzes und eine vorbestehende Komorbidität (z.B. Immunsuppression). Besonders gefährdet sind Säuglinge und Seniorinnen und Senioren.

Das Erregerspektrum in Risikogebieten unterscheidet sich deutlich von dem in Mitteleuropa. So treten häufiger Infektionen mit enterotoxischen E.-coli-Stämmen (ETEC) auf. Auch andere pathogene Kolibakterien (EAEC, EIEC*) sowie Shigellen und Protozoen (Giardia lamblia, Entamoeba histolytica) werden vermehrt nachgewiesen, in den letzten Jahren zunehmend Noroviren.

Eine mikrobiologische Abklärung ist bei Reiserückkehrenden indiziert, wenn mindestens eine der folgenden Konstellationen vorliegt:

  • fieberhafte oder blutige Diarrhö,
  • Krankheitsdauer länger als 5 Tage,
  • schwerer Verlauf mit Exsikkose, Hypotonie und/oder Tenesmen.

Aus epidemiologischen Gründen ebenfalls empfohlen wird die mikrobiologische Diagnostik in Ausbruchssituationen und bei Gruppenerkrankungen.

Rückkehrende aus Malariagebieten mit Fieber und Diarrhö sollen umgehend auf eine Infektion mit Plasmodien untersucht werden. Schließlich leiden bis zu 25% der Patientinnen und Patienten mit M. tropica an Durchfällen. Eine klinische Differenzierung von der fieberhaften Diarrhö anderer Genese ist wegen überlappender Beschwerden oft nicht möglich.

Anhaltende Diarrhö erfordert Erregerdiagnostik

Außerdem wird bei allen Durchfallbetroffenen mit einer Körpertemperatur über 38,5°C die Anlage von Blutkulturen empfohlen. So lassen sich bakteriämische Verläufe einer Shigellose, Salmonellose oder Campylobacterinfektion erfassen. Auch andere wichtige Differenzialdiagnosen wie der Typhus abdominalis können ausgeschlossen werden.

Patientinnen und Patienten mit anhaltender Diarrhö (>14 Tage) nach einer Fernreise sind primär auf bakterielle Erreger (Campylobacter, Salmonellen, Shigellen), Entamoeba histolytica und Lamblien zu untersuchen. Das weitere Vorgehen hängt von der Situation ab. Wenn die initiale Diagnostik keinen pathologischen Befund ergibt, ist vor allem bei Immunsupprimierten nach Yersinien, Mykobakterien, Kokzidien, Mikrosporidien und Helminthen zu fahnden. Eine vorausgegangene Antibiotika- oder Chemotherapie lenkt den Verdacht auf Clostridioides difficile. Eine Eosinophilie lässt sich eventuell auf Strongyloides stercoralis oder Isospora belli zurückführen. Nach einem Langzeitaufenthalt im Reiseland ist mit einer tropischen Sprue zu rechnen (Dünndarmbiopsie).

Bei Patientinnen und Patienten mit Fieber und/oder Blutabgängen oder erhöhtem Komplikationsrisiko ist eine empirische Antibiotikatherapie notwendig. Die Leitlinie empfiehlt eine möglichst kurze Therapiedauer, beispielsweise 1.000mg Azithromycin als Einzeldosis. Bei unblutigen Diarrhöen können als nichtresorbierbare Wirkstoffe Rifamycin oder Rifaximin verordnet werden.

Besteht der Verdacht auf eine Infektion mit Entamoeba histolytica soll vor dem Beginn der antibiotischen Behandlung eine mikrobielle Diagnostik stattfinden. Schwer kranke Patientinnen und Patienten können auch empirisch therapiert werden. Dafür eignet sich z.B. Metronidazol in einer Dosierung von 3-mal täglich 10mg/kgKG (max. 3×800mg). Die Applikation erfolgt intravenös oder oral über 10 Tage. Zur anschließenden Zystenelimination eignet sich Paromomycin (25–35mg/kg KG per os für 7–10 Tage).

Rehydratation steht an erster Stelle

Vor der Reise empfiehlt die Leitlinie eine sorgfältige Aufklärung über Möglichkeiten zur Selbstbehandlung. Die Patientinnen und Patienten sollte wissen, dass im Ausland akquirierte Diarrhöen überwiegend leicht und selbstlimitierend verlaufen. Therapeutisch steht die Rehydratation an erster Stelle. Geeignet ist neben kommerziellen Produkten die WHO-Trinklösung mit einer Osmolarität von 245Osm/l. Folgende Zusammensetzung auf 1l Wasser wird empfohlen: Natriumcitrat 2,9g, Natriumchlorid 2,6g, Glukose 13,5g, Kaliumchlorid 1,5g. Die Wirkung von Tannin, Kaolin, Pektin und Carbo medicinalis ist bisher nicht belegt.

Wenn eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme oral nicht möglich ist, sollte umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Dieser Rat gilt auch bei fieberhaften oder blutigen Diarrhöen, anhaltendem Erbrechen, reduziertem Allgemeinzustand (Exsikkose, Hypertonie, Kollapsneigung) und relevanter Komorbidität, z.B. einer Immunsuppression.

Patientinnen und Patienten mit ausgeprägten Durchfallsymptomen dürfen vorübergehend Loperamid einnehmen. Der Einsatz des Motilitätshemmers ist aber auf 2 Tage und maximal 16mg/d zu begrenzen. Bei blutigen Stühlen und Fieber ist die Anwendung wegen der erhöhten Gefahr für ein toxisches Megakolon kontraindiziert. Alternativ kommt der Enkephalinase-Inhibitor Racecadotril in Betracht.

Keine Indikation für Probiotika zur Prävention

Im Vorfeld einer Reise ist eine Beratung zu Nahrungsmittelhygiene und zu individuellen Risikofaktoren sinnvoll. Am besten gibt man den Patientinnen und Patienten die Informationen schriftlich mit, wird in der Leitlinie empfohlen. Dann würden sie eher ernst genommen. Keine Indikation besteht für den vorsorglichen Einsatz von Probiotika. Auch eine Antibiotikaprophylaxe ist nicht generell zu empfehlen. Für Risikopatientinnen und Risikopatienten z.B. mit Immunsuppression oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung kommt sie in Ausnahmefällen infrage.

Quelle: S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen”, AWMF-Register-Nr. 021-024

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune