Viele Zahnnotfälle lassen sich kurzzeitig in Eigenregie behandeln
Zahnschmerzen braucht niemand – und schon gar nicht auf Reisen. Beginnt dann doch ein Zahn zur Unzeit zu pochen oder zu ziehen, kann eine gut ausgestattete Reiseapotheke die ärgste Not lindern. (Medical Tribune 43/19)
Nicht jeder kann – oder will – einen fremden Zahnarzt aufsuchen, wenn er auf Reisen Probleme mit den Zähnen hat. Je nach Aufenthaltsort ist der nächste Zahnarzt möglicherweise auch weit entfernt, nicht gut ausgebildet oder unzureichend ausgestattet, schreibt Dr. Sabrina Strobel von der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie am Uniklinikum Freiburg. Deshalb rät sie, zwei bis drei Monate vor längeren Reisen einen Termin zur Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt zu vereinbaren.
Kein Provisorium
Wer eine größere Reise plant, sollte diese nicht mit einer provisorischen Versorgung, mit einer unbehandelten Entzündung oder unmittelbar nach einem chirurgischen Eingriff antreten. Unabhängig davon seien die meisten Beschwerden im Mundbereich sowieso keine lebensbedrohlichen Notfälle, so die Zahnärztin, und sie ließen sich meist mit geeigneten Hilfsmitteln aus der zahnmedizinischen Reiseapotheke zumindest für eine gewisse Zeit gut beherrschen.
Schmerzende Zähne
Das Abbrechen eines Zahnstücks, etwa durch Aufbeißen auf einen Kirschkern, ist meist schmerzfrei und kein akuter Notfall. Spontane Schmerzen ohne vorangegangenes Ereignis, die über Nacht anhalten, sprechen hingegen für einen entzündeten Zahnnerv (irreversible Pulpitis). Die Schmerzen sind auf den betreffenden Zahn zu lokalisieren und werden bei Kältereiz stärker. Häufig lassen sich die Beschwerden mit Ibuprofen oder Gewürznelken in den Griff bekommen. Trotz erreichter Schmerzfreiheit sollte aber bald ein Zahnarzt aufgesucht werden, da hinter der Entzündung meist eine unbemerkte Karies steckt. Diese kann sich unbehandelt zu einer akuten Parodontitis apicalis ausweiten, die sich durch diffuse Schmerzen sowie eine zunehmende Aufbissempfindlichkeit des Zahnes äußert. Ist kein Zahnarzt verfügbar, sollte das Areal gekühlt und zusätzlich zum Schmerzmittel ein Antibiotikum eingenommen werden. Tritt eine Schwellung und Abszedierung auf, handelt es sich um einen dentalen Notfall, der umgehend eine Extraktion oder Wurzelbehandlung des Zahnes sowie Inzision des Abszesses erfordert.
Schmerzendes Zahnfleisch
Akute Schmerzen am Zahnfleisch sind meist die Folge von Verletzungen beim Essen, von Druckstellen durch herausnehmbaren Zahnersatz und bläschenbildenden Schleimhautveränderungen (Aphten, Herpes simplex).
Ist der Wurzelkanal ganz?
Verschiedene Salben können die Schmerzen lindern, ebenso Spülungen mit kaltem Kamillen- oder Salbeitee. Entzündungen und Schmerzen infolge durchbrechender Weisheitszähne lassen sich mittels Mundspüllösungen und einer kortisonhaltigen Salbe mildern.
Dentales Trauma
Dentale Traumata, beispielsweise nach einem Sportunfall, betreffen meist die oberen Frontzähne. Die häufigste Form ist die Schmelz-Dentin-Fraktur, bei der es zum Abbrechen eines Zahnstücks mit oder ohne Eröffnung des Zahnnervs kommt. Während Letzteres kaum Beschwerden verursacht, kommt es bei einem eröffneten Wurzelkanal zu starken Schmerzen und einer Blutung aus dem Zahninneren, was eine Eintrittspforte für Keime darstellt.
Ausgeschlagene Zähne
Eine Avulsion (Totalluxation) eines oder mehrerer Frontzähne kommt insbesondere bei Kindern vor. Idealerweise wird der Zahn sofort in die leere Alveole reponiert oder in einer sogenannten Zahnrettungsbox aufbewahrt, notfalls auch in H-Milch oder Speichel, und schnellstmöglich ein Zahnarzt aufgesucht. Der betroffene Zahn wird für zwei Wochen mit einer flexiblen Titanschiene versorgt und benötigt zumeist in den folgenden Tagen eine Wurzelkanalbehandlung.
Probleme mit Zahnersatz
Hat sich ein Inlay, eine Teilkrone oder eine Krone gelöst, kann man diese mit etwas Zahnpasta oder provisorischem Zement aus dem Dental-Set leicht wieder befestigen. Lässt sich eine Prothese über mehrere Tage nicht entfernen, sollte man einen Zahnarzt aufsuchen.
Strobel S. Flug u Reisemed 2019; 26: 12–7
Zahnmedizinische Reiseapotheke
- Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen)
- Antibiotikum (z.B. Penicillin, Amoxicillin)
- desinfizierende Mundspülung (Chlorhexidin)
- Adhäsivpaste
- entzündungshemmende und anästhesierende Salben
- Zahnrettungsbox
- Dental-Set