28. Juni 2023Gesundheitsversorgung verbessern

Ärztekammer: Dringende Reformen vonnöten

Harald Schlögel, geschäftsführender Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), wies auf die Dringlichkeit von Reformen im Gesundheitssystem hin: „Veränderungen sind ein Muss, ein ,Weiter so‘ darf es nicht geben!“ Im Zuge der laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich müsse das Gesundheitssystem generalüberholt werden, um den Schaden überhaupt noch reparieren zu können. Dazu hat die ÖÄK eine Resolution mit fünf Punkten ausgearbeitet.

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Mehr Personal und Budget für die Spitäler

Dr. Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann Bundeskurie der angestellten Ärzte, schloss sich dieser Forderung an und unterstrich: „Die 15a-Vereinbarung ist die letzte Chance für das österreichische Gesundheitswesen, seinen guten Ruf nicht zu verlieren. Wenn wir jetzt nichts ändern, kollabiert das System.“

Die Spitäler seien personell am Limit, „die Ärzte und Ärztinnen werden ausgepresst wie Zitronen“. Die jungen Ärzte und Ärztinnen lassen sich das nicht mehr gefallen und wandern ab. Viele von ihnen sind auch mit der Ausbildung in den Krankenhäusern sehr unzufrieden. In Österreich werden 1.850 Medizinerinnen und Mediziner pro Jahr ausgebildet, es kommen aber nur 800 im System an. Das bedeutet auch, dass mehr Studienplätze nicht wirklich etwas bringen, wenn man nicht auch die Ausbildung im Spital verbessert, wofür jedoch deutlich mehr zeitliche und personelle Ressourcen nötig wären. Aber, so Mayer: „Ohne Geld ka Musi!“ Das Spitalswesen bräuchte nach Berechnung der ÖÄK eine Aufstockung des Budgets von jährlich 5,3 Milliarden Euro.

Was IT-Systeme betrifft, sind diese zwar vorhanden, gleichzeitig aber auch zeitraubend, weil kein zusätzliches (Administrations-)Personal dafür da ist. Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal müssten hier entlastet werden, um sich vorrangig um die Patientinnen und Patienten kümmern zu können. Mayer wies auch auf die Notwendigkeit der Patientenlenkung hin, die Spitalsambulanzen sollten am Schluss der Versorgungskette stehen und nicht die erste Anlaufstelle sein, wie auch in der Resolution gefordert.

Änderungen im niedergelassenen Bereich

OMR Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, beleuchtete die Möglichkeiten im niedergelassenen Bereich. Man müsse aus der Reparaturmedizin herauskommen und stattdessen die Vorsorgemedizin forcieren. Das würde den Patientinnen und Patienten einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität bringen und längerfristig auch eine Einsparung bei Medikamenten und Therapien bewirken. So hat beispielsweise die SVS ein Anreizsystem etabliert, in dem die Patientinnen und Patienten einen Bonus für die Vorsorgeuntersuchung bekommen. Die Vorsorge sollte im Finanzausgleich auf jeden Fall stärker berücksichtigt werden.

Auch was den Versorgungsmangel betrifft, hat Wutscher einige Verbesserungsvorschläge. So sollte die Gesprächsmedizin ausgebaut und das Honorar dafür erhöht werden (derzeit laut Honorarkatalog der ÖGK nur 13 Euro für ein ausführliches Gespräch!). Auch Ernährungsberatung sollte angeboten und die Honorierung dafür gelockert werden. „Eine Reform der Leistungen ist zwingend notwendig“, erklärte Wutscher.

Generell wünschen sich die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen eine Flexibilisierung der Kassenverträge, so etwa bei den Ordinationszeiten, denn reine Vormittagsordinationen sind derzeit im Kassensystem nicht möglich. Auch bei den Primärversorgungseinheiten sollten die Rahmenbedingungen gelockert werden, um Ärztinnen und Ärzte zum Einstieg zu motivieren. „All diese Maßnahmen wären leicht umzusetzen und würden viel bewirken, ohne hohe Kosten zu verursachen“, so Wutscher.

Für eine strukturierte Lenkung der Patientinnen und Patienten könnte auch die Gesundheitshotline 1450 verwendet werden. Der Hausarzt bzw. die Hausärztin sollte verstärkt als Gatekeeper fungieren, um die Patientinnen und Patienten dann zur Fachärztin/zum Facharzt oder ins Spital weiterzuleiten. Hierin sind sich Ärztekammer und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einig.

Erwartungen an ÖGK und Politik

Die ÖGK übt derzeit Druck auf die Wahlärztinnen und Wahlärzte auf, diese sollen etwa auch verpflichtet werden, die E-Card zu stecken (s. hier alles zu den Forderungen der ÖGK). Die Ärztekammer sieht dies als völlig kontraproduktiv, es sollten im Gegenteil Anreize geschaffen werden, um sie ins System zu bringen. Bei einer Flexibilisierung seitens der Krankenkassen wären etwa 350 Wahlärztinnen und Wahlärzte in Österreich bereit, ins Kassensystem einzusteigen.

Von der Politik wünscht sich die Ärztekammer, Konsequenzen aus den Problemen in der Gesundheitsversorgung, so etwa aus dem angekündigten Warnstreik in der Notaufnahme der Klinik Ottakring infolge von Überlastung und Personalmangel, zu ziehen und in einen konstruktiven Dialog mit der Ärzteschaft zu treten.

Pressekonferenz der ÖÄK "Resolution der Österreichischen Ärztekammer: So wird die Gesundheitsversorgung fit für die Zukunft", Wien, 28.06.2023