28. Apr. 2025Medizin und ich

Wir sind dabei, uns abzuschaffen

Kennen Sie das Gefühl, wenn man am Sessellift sitzt und zwischen den Schiern durch auf die Piste blickt, auf der sich Menschen mit brandneuen Brettln, coolen Helmen und massiven Protektoren tummeln?

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BB
Abbildung: MedTriX

Wahlweise alkoholisiert oder nüchtern, in blinder Schussfahrt oder im Stemmbogen, ohne Regeln und ohne Rücksicht und vor allem ohne Schikurs. Dass sich dann in der eigenen Magengrube ein ängstlich flaues Gefühl breitmacht: Mammiiiiiii, ich will nicht runter vom Sessellift! Bloß nicht zu den unkoordinierten Wilden, die es offensichtlich darauf abgesehen haben, sich und andere zu töten. Schikurs, Lernen, Technik, Pistenregeln? Wer braucht denn sowas heute noch? Hauptsache, das Material stimmt, und der Rest geht dann schon von selbst (stimmt auch irgendwie, denn bergab geht’s auf jeden Fall immer auf die eine oder andere Art).

Der Grundstein fürs Bewegungsgefühl wird schon früh gelegt. Wenn man bedenkt, dass im Spitzensport die Leistungen immer spektakulärer werden und der Cirque du Soleil wahrscheinlich Außerirdische beschäftigt – anders sind manche Darbietungen nicht zu erklären –, muss es irgendwo noch Kinder geben, die sich bewegen.

Aber was ich so Tag für Tag in Praxis oder Nachbarschaft erlebe, lässt mich erschauern. Wer muss heutzutage schon seine zwei linken Füße auseinanderkennen, wenn doch auf jedem Schuh batteriebetriebene Lichterchen blitzen? Wer muss noch gehen oder treten, wenn auch die Kleinsten schon mit dem E-Roller durch die Gegend flitzen. Und auch E-Räder gibt’s glücklicherweise in allen Größen. Ich trau’ mich wetten, dass keines der Kinder im Haus die Treppe in den ersten Stock finden würde. Schließlich gibt’s ja einen Lift.

Aber vielleicht sehe ich das alles viel zu schwarz. Wozu Kondition und Koordination trainieren, wenn doch die Zukunft im Smart Home verbracht wird und Alexa und ihre Geschwister uns das Leben noch viel leichter machen werden? Der Tesla fährt ohnehin von selbst, wozu also sehen oder reagieren lernen, von Verkehrsregeln ganz zu schweigen. Und eine Schweizer Firma wird E-unterstützte Tourenschi auf den Markt bringen. Wozu also noch ein eigener Gastrocnemius?

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