And it burns, burns, burns …
Advent, Advent, mein Team brennt, liebe Leser:innen.
Wir hatten ein paar harte Monate, die an ein paar harte Jahre angeschlossen haben, und jetzt ist es so weit. Wir werden sukzessive weniger. Nicht alle, die weggefallen sind, sind ausgebrannt, aber alle waren angestrengt, ge- und teilweise überfordert. Und die Kerzen, die am hellsten brennen, brennen auch am schnellsten aus. So hat es auch bei uns die Person getroffen, auf die sich immer alle verlassen haben. Die Person, wo jeder wusste: „Wenn ich etwas brauche, wird das erledigt. Schnell und perfekt.“ Und wie es so ist, sind solche Leute nicht nur immer super kompetent, schlau und schnell, sondern auch nett und fühlen sich für alles verantwortlich. Wunderbare Eigenschaften für die Mitarbeiter:innen und Chefitäten, schreckliche Eigenschaften für die Person selbst, wenn man so drüber nachdenkt. Hören Sie mal bitte kurz einen Moment gut in sich hinein. Können Sie delegieren? Und ich meine nicht: etwas abgeben und sich dann trotzdem verantwortlich fühlen und im Hintergrund für den anderen mitdenken. Ich meine: abgeben und wusch: aus den Augen aus dem Sinn! Not my problem anymore! Können Sie das? Haben Sie überhaupt jemanden, an den Sie delegieren können? Wie verarbeiten Sie schwere Fälle? Haben Sie Supervisionen, Balintgruppe oder Ähnliches? Haben Sie Teamkollegen, mit denen Sie sich zusammensetzen und Fälle in Ruhe durchbesprechen können? Ja, ich habe wirklich in Ruhe gesagt und ich meine es so. Mit sich gegenseitig anschauen. Nicht mit: dem anderen zuhören, während man einen Brief tippt und daneben noch das Suchtgiftbuch abzeichnet. Machen Sie das? Haben Sie im Arbeitsalltag Ruhephasen? Essenspausen? Gehen Sie aufs Klo, wenn Sie müssen? Ich denke, Sie alle wissen, warum ich so blöd frage.
Wir Menschen im Gesundheitssystem neigen ja dazu, eine gewisse ungesunde Prioritätensetzung zu haben. Und ich wette, jeder von Ihnen hatte schon mal keine Zeit, in Ruhe zu essen, oder hat sich zwischenzeitlich einen BVWK gewünscht, um sich die lästigen Pinkelpausen zu sparen. Na, fühlen Sie sich ertappt? No judgement meinerseits. Ich bin echt die Vorletzte, die mit dem Finger zeigen sollte. Ich habe fast nie Zeit zum Essen, ich gehe immer zu spät aufs Klo und ich ertappe mich regelmäßig dabei, einen Arztbrief zu tippen, während mir ein:e Kolleg:in sein/ihr Herz ausschüttet und umgekehrt. Aber Einsicht ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Gewisse Dinge kann man nicht ändern. Ein:e Chef:in, der/die die Bedürfnisse seiner Leute nicht versteht, weil sein/ihr Kopf in höheren Sphären von Forschung und Krankenhauspolitik hängt, versteht auch ein Burn-out nicht. So eine Person überlegt sich nicht, ob sie nicht vielleicht ein Schäufelchen beigetragen hat mit ungefragten Anmeldungen zu Forschungsgruppen und Projekten oder Forderungen, die weit über das in der regulären Arbeitszeit Leistbare hinausgehen. Was soll man erwarten von jemandem, der salbungsvolle Dankesreden schwingt, wenn es in den Rahmen passt und im Hintergrund die Daumenschrauben anlegt? Das sind Einflüsse, die sich nicht ändern lassen. Auch das Leid der Patient:innen und ihre Bedürfnisse werden bleiben. Aber was man machen kann, ist, in den gegebenen Rahmenbedingungen besser auf sich und seine Mitstreiter:innen schauen. Kein:e Patient:in hat etwas davon, wenn wir bis zu Selbstaufgabe arbeiten und dann Monate ausfallen oder schlimmstenfalls vielleicht nie wieder einsteigen können oder wollen.
Mein Team ist ein tolles. Wir haben alle sehr investiert in das Wohl unserer Patient:innen, aber wir haben in letzter Zeit auch viel reflektiert, dass wir in unser eigenes Wohl investiert sein sollten. Wir haben beschlossen, uns gegenseitig zu spiegeln, wenn wir sehen, dass wieder jemand über seine/ihre Grenzen geht. Wir versuchen uns Zeiten zu nehmen, um uns zu erholen nach fordernden Patient:innenkontakten oder anstrengenden Angehörigengesprächen. Wir versuchen, unsere schwierigen Fälle jeden Tag kurz zu besprechen und uns dabei anzuschauen und nur gegenseitig zuzuhören. Das klingt vielleicht banal, ist es aber nicht. Und, wir versuchen abzudelegieren. Wir haben begonnen zu hinterfragen, ob gewisse Leistungen unsererseits unbedingt nötig und unsere Aufgabe sind. Ich kann dieses Vorgehen und die Reflexion des eigenen Handelns nur empfehlen, denn wenn man nie sagt, dass einem das Wasser bis zum Hals steht, dann kann man auch nicht erwarten, dass jemand auf die Idee kommt, einem einen Rettungsring zuzuwerfen. Unsere Arbeit ist fordernd, aber auch unglaublich lohnend und wichtig. Wenn man es richtig angeht, dann kann man für seine Arbeit brennen, ohne zu verbrennen. Also versuchen wir doch alle, die Adventzeit zu nützen, um uns selbst jeden Tag ein kleines Geschenk zu machen: fünf Minuten tratschen und lachen mit netten Kolleg:innen, schweigend einen Kaffee oder Tee trinken, einmal aus dem Fenster in den Herbstnebel schauen und tief durchatmen… was auch immer Ihnen guttut. Vielleicht haben wir dann einen schönen mentalen Adventkranz mit flackernden Kerzen statt einem „Ring of Fire“.
In diesem Sinne: Bleiben Sie glücklich!