27. Juni 2024Kurz gemeldet

ÖGIM: Drohender Internistinnen- und Internistenmangel

Eine Allianz aus ÖGIM, BÖI und Sonderfachgesellschaften fordert sofortige Maßnahmen, um die internistische Patientenversorgung – besonders im niedergelassenen Bereich – zu sichern und wendet sich in einem offenen Brief an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Johannes Rauch. Im Folgenden finden Sie den Volltext des Schreibens:

Sehr geehrter Herr Bundesminister Rauch, sehr geehrte Frau Sektionschefin Reich, sehr geehrte Landesrät:innen, 

als Vertreter:innen der Inneren Medizin müssen wir die aktuelle kritische Lage der internistischen Patient:innenversorgung ansprechen. Wir stehen bei der Versorgung mit Allgemeininternist:innen vor einem Kipppunkt, insbesondere in ländlichen Gebieten, aber auch im niedergelassenen Bereich. Der Mangel an Fachärzt:innen führt zu längeren Wartezeiten für Patient:innen, suboptimalen Behandlungsmöglichkeiten und einem erhöhten Druck auf bereits überlastete Krankenhäuser. 

Im Rahmen einer breit angelegten Studie, die die Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM) mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) durchführte, wollten wir den künftigen Bedarf an Internist:innen in Österreich erheben. Dabei hat sich ein äußerst beunruhigendes Bild gezeichnet: Bis 2035 könnten wir eine Differenz von bis zu 40% zwischen Angebot und Nachfrage an Internist:innen im kassenärztlichen Bereich vorfinden.

Noch dramatischer ist jedoch die Datenlage: Aufgrund der vorhandenen Daten können wir nur sehr spekulative Szenarien annehmen, und eine valide Prognose zum Bedarf der internistischen Versorgung sowie der dafür nötigen Ausbildungsplanung ist nicht möglich. Die Datenbasis in Österreich hat uns und das IHS – gelinde gesagt – schockiert. 

Wir sehen uns in unserer Sorge bestätigt, dass in wenigen Jahren das im niedergelassenen Bereich so wichtige Berufsbild der/des Allgemeininternist:in ausgestorben ist. Patient:innenströme, die derzeit eine wohnortnahe Versorgung in Anspruch nehmen können, werden zunehmend auf bereits überlastete Notaufnahmen ausweichen müssen. Geht es so weiter, werden die Krankenhäuser die Versorgung nicht in der benötigten Qualität aufrechterhalten können.  

Als Präsident der ÖGIM muss ich in aller Deutlichkeit sagen: »Die internistische Versorgung ist in Gefahr!« 

Wir haben drei wesentliche Punkte identifiziert, bei denen wir gemeinsam mit Entscheider:innen des österreichischen Gesundheitssystems, allen voran dem Bundesminister sowie den direkt und indirekt involvierten Vertreter:innen der Bundesregierung, Verbesserungen herbeiführen können.  

1. Schaffung einer validen und breiten Datenbasis: Aktuell fehlt es an einer umfassenden Datenverfügbarkeit aus dem Gesundheitsbereich, die es ermöglicht, kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu planen. Eine solide Datenbasis ist jedoch ausschlaggebend, um adäquate und nachhaltige Entscheidungen im Gesundheitssystem treffen zu können. 

2. Langfristige Bedarfsplanung für die internistische Versorgung: Es ist notwendig, eine langfristige Planung zu implementieren, die alle relevanten Einflussfaktoren berücksichtigt und die Versorgungssicherheit garantieren kann. Es braucht eine zentrale Stelle, die die Verantwortung dafür übernimmt und mit der die ÖGIM eng zusammenarbeitet, damit in Österreich auch in den nächsten Jahren ausreichend Internist:innen verfügbar sind. 

3. Entlastung der Notaufnahmen: Die Überlastung der Notaufnahmen hat sich seit der COVID-19-Pandemie weiter verschärft. Viele Mediziner:innen ziehen sich aus diesem Bereich zurück. Eine Stärkung des niedergelassenen Sektors sowie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen intra- und extramuralem Bereich ist unerlässlich, um die Krankenhäuser zu entlasten und eine Unterversorgung zu verhindern. 


Um die Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen zu gewährleisten, ist es essenziell, dass die ÖGIM von Beginn an in alle relevanten Planungs-, Entscheidungs- und Steuerungsprozesse eingebunden wird. 

Als Präsident der ÖGIM und im Namen des Berufsverbands Österreichischer Internisten (BÖI) sowie aller internistischen Sonderfachgesellschaften appelliere ich an Sie, mit uns gemeinsam noch heute an konkreten Lösungen für die drohenden Probleme von morgen zu arbeiten.

Wir laden Sie ein, einen Dialog zwischen den Entscheider:innen des österreichischen Gesundheitssystems und Vertreter:innen der medizinischen Fachgesellschaft zu etablieren und gemeinsam Strategien zu entwickeln, um die internistische Versorgung der Bevölkerung kurz-, mittel und langfristig sicherzustellen. 

Wir freuen uns auf eine zeitnahe Rückmeldung und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit, um die nachhaltige Patient:innenversorgung gemeinsam zu sichern. 

Mit freundlichen Grüßen, 

Vorstand der ÖGIM

Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz,
Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer,
PD Dr. Patrizia Constantini-Kump,
Ao.Univ.-Prof. Dr. Gerit-Holger Schernthaner,
Univ.-Prof. Mag. Dr. Bonni Syeda,
Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer

Präsidentin des BÖI

Dr. Martina Wölfl-Misak

Präsident:innen der Sonderfachgesellschaften

PD Dr. Georg Delle-Karth, ÖKG / Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, OeGHO / Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, ÖGGH / Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, ÖGP / PD Dr. Valerie Nell-Duxneuner, ÖGR / Assoc. Prof. PD Dr. Stefan Pilz, PhD, ÖGES / PD Dr. Reinhard Bernd Raggam, ÖGIA / PD Dr. Michael Rudnicki, ÖGN / Univ.-Prof. Dr. Thomas Staudinger, ÖGIAIN / Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, OEGIT

APA-OTS