29. Mai 2024Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

Der ökologische Fußabdruck des Gesundheitssektors

Das Gesundheitswesen ist nicht nur besonders stark von der Klimakrise betroffen, sondern trägt auch beträchtlich zur Problematik bei. Der CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens in Österreich beträgt ca. 6,7%. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen nachhaltigere Konzepte implementiert werden.

Infektiöse Abfälle müssen im Müllsack bzw. im Roten Sack entsorgt werden.
MAGNIFIER/AdobeStock

Die Klimakrise ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert. „Interessanterweise sind die klimabedingten Schäden und deren Folgekosten nicht im Tourismus oder in der Landwirtschaft am höchsten, sondern im Gesundheitswesen“, berichtet Dr. Ruperta Lichtenecker, Leiterin des Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit*: „Eine aktuelle Studie des WIFO prognostiziert durch die Klimakrise Kosten für Österreich zwischen 5,4 und 7 Milliarden Euro pro Jahr.“

Diese resultieren aus direkten Gesundheitsschäden durch Extremwetterereignisse, erhöhte Prävalenz von Krankheiten etc. und indirekten Kosten durch z.B. Produktivitätsverluste. Lichtenecker erinnert exemplarisch an die Unwetterkatastrophen in Deutschland im Jahr 2021, die dazu beigetragen haben, dass durch die Umweltbelastungen Kosten von 241 Milliarden Euro entstanden sind. „Hier sehen wir, welche verheerenden finanziellen und gesundheitlichen Auswirkungen der Klimawandel und dadurch verursachte Ereignisse haben können.“

350 Millionen Euro für mehr Energieeffizienz in Österreichs Gesundheitseinrichtungen

Das Klimaschutzministerium (BMK) hat gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium (BMSGPK) und dem Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit zwei neue Förderschienen für stationäre Einrichtungen entwickelt, mit dem Ziel, das Energieeffizienzpotenzial zu heben: Energieeffiziente Krankenanstalten und Rehakliniken (200 Millionen Euro Fördermittel bis 2030): bis zu 40 Prozent der förderfähigen Investitionskosten. Energieeffiziente Senioren- und Pflegeheime (150 Millionen Euro Fördermittel): bis 50 Prozent der förderfähigen Investitionskosten.

Weiters wird seit 2023 der Lehrgang „Klima-Manager:innen in Gesundheitseinrichtungen“ angeboten. Der Lehrgang richtet sich exklusiv an Mitwirkende der am Projekt „Beratung klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen“ teilnehmenden stationären Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäuser, Rehakliniken sowie Senioren- und Pflegeeinrichtungen). Mit dem Lehrgang soll den Teilnehmenden grundlegendes Wissen vermittelt werden, um Gesundheitseinrichtungen auf dem Weg zur Klimaneutralität federführend zu unterstützen.

Der Lehrgang umfasst alle klimarelevanten Handlungsfelder, unter anderem Gebäude, Energie, Mobilität, Abfallmanagement, Beschaffung, Ernährung, Grünräume etc.

Information:
https://agenda-gesundheitsfoerderung.at/kokug/klimamanagerinnen

Strategien für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung

Der Gesundheitssektor selbst trägt allerdings ebenfalls signifikant zum Treibhauseffekt bei. Die Emissionen stammen aus verschiedenen Quellen wie dem Betrieb von Gesundheitseinrichtungen, dem Transport von Waren und Personen, der Produktion und Entsorgung von Medizinprodukten sowie der Energieversorgung der Einrichtungen (Abb. 1).

Abb1_moNL_2024_KW22

Eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung muss auf Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention ausgerichtet sein, wobei auch die Reduzierung von Fehlbehandlungen und Übertherapie sowie die Digitalisierung weitere Aspekte sind. „Die stationären Einrichtungen haben den höchsten CO2-Ausstoß. Die Reduktion des Energieverbrauchs und Umstellung auf erneuerbare Energien spielen hier eine entscheidende Rolle“, betont Lichtenecker. „Die Aufgabe unserer Abteilung ist es, Strategien und innovative Projekte zu entwickeln, die das Gesundheitssystem und die Gesundheitseinrichtungen dabei unterstützen, klimaneutral zu werden. Ein entsprechendes Beratungsprojekt wurde im August 2022 präsentiert (siehe auch Kasten 1 und 2). Mittlerweile sind rund 400 Gesundheitseinrichtungen an Board, davon 95 Krankenhäuser und Rehakliniken und 88 Senioren- und Pflegeeinrichtungen.

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Quelle: Lichtenecker R et al.: Strategie Klimaneutrales Gesundheitswesen. Analyse und Grundlagen: Rahmenbedingungen, Handlungsfelder und Handlungsoptionen. Gesundheit Österreich; Veröffentlichung geplant im Juni 2024)

Der Projektverlauf umfasst mehrere Phasen: Zunächst wird die Ausgangssituation vor Ort analysiert, anschließend wird ein Klima-Aktionsplan mit konkreten Zielen und Maßnahmen gemeinsam definiert. In der zweiten Phase wird die Umsetzung unterstützt, möglicherweise auch durch Förderungen. In der dritten Phase wird evaluiert, was erfolgreich umgesetzt wurde und was noch verbessert werden kann. Wichtig ist, dass die Beratung über alle klimarelevanten Handlungsfelder mit Expertise vor Ort erfolgt.

Leuchtturmprojekte: gemeinsam nachhaltige Lösungen entwickeln

Seit Anfang April gibt es die österreichweite Online-Plattform „Pionierinnen und Pioniere der guten Praxis in Gesundheitseinrichtungen“. Ziel ist es, beispielhafte Projekte im Gesundheitswesen zum Klimaschutz und damit für die Sicherung der Zukunft vor den Vorhang zu holen. „Es ist wichtig zu zeigen, wie und dass es funktionieren kann. Alle zukunftsweisenden Maßnahmen und Projekte wurden auf dieser Plattform zum Nachlesen zusammengefasst“, so Lichtenecker.

Ein herausragendes Beispiel für Nachhaltigkeit in der Gesundheitsbranche sind etwa die Barmherzigen Brüder, die seit 2017 ihre CO2-Emissionen halbieren konnten, unter anderem durch Einsparungen beim Erdgas. „Klimaschutz ist gleichbedeutend mit Gesundheitsschutz. Der Kampf gegen die Klimakrise und ihre Gesundheitsauswirkungen erfordert eine gemeinsame Anstrengung. Jeder ist eingeladen, sich an diesem Prozess zu beteiligen und mit uns an zukunftsfähigen Lösungen zu arbeiten“, regt Lichtenecker zur Teilnahme an.

Information:
klimapioniere@goeg.at
Agenda Gesundheitsförderung – Pionierinnen und Pioniere der guten Praxis in den Gesundheitseinrichtungen

Neben der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der damit verbundenen Kostenersparnis wirkt sich die Schaffung eines klimafreundlichen und gesundheitsfördernden Umfelds positiv auf das Personal sowie die Patientinnen und Patienten aus. Lichtenecker: „Erste Umfrageergebnisse zeigen bereits, dass die Attraktivität als Arbeitgeber steigt, was in Zeiten von Personalmangel besonders wichtig ist.“

Quelle: „Klimaschutz und Gesundheitswesen: Herausforderungen, Wege und Chancen“, Vortrag im Rahmen des Eröffnungssymposiums der 24. Jahrestagung der ÖGPP, Wien, 25.4.24