2. Mai 2024Gesundheitsreform

Kostenlose Impfungen auch für Erwachsene in Sicht

Im Rahmen des Finanzausgleichs und der Gesundheitsreform haben sich die Partner des österreichischen Gesundheitssystems auf den Ausbau des öffentlich finanzierten Impfprogramms für Erwachsene geeinigt, für das jährlich 90 Mio. Euro vorgesehen sind. Im Rahmen einer vom Pharmaunternehmen GSK veranstalteten Podiumsdiskussion am 25. April sprachen Stakeholder, Expertinnen und Experten über den Status quo, die Ziele und wie diese trotz großer Impfskepsis erreicht werden können.

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Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK)/APA-Fotoservice/Reither

Die alternde Bevölkerung – bis 2040 wird die Zahl der Personen im pensionsfähigen Alter um 43% zunehmen, jener im erwerbsfähigen Alter um 4% sinken – stellt eine Doppelbelastung für das österreichische Gesundheitssystem dar: Steigenden Kosten für ambulante und stationäre Behandlungen, Arzneimittel und Rehabilitation stehen in Zukunft sinkende Einnahmen durch weniger Beitragszahlende gegenüber.

Dass viele Menschen heute ein hohes Lebensalter erreichen, sei grundsätzlich erfreulich. Doch viele verbringen ihre letzten Lebensjahre nicht bei guter Gesundheit, was wiederum eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem darstelle. LAbg. Ingrid Korosec, Präsidentin Österreichischer Seniorenrat, bringt es auf den Punkt: „Wir werden immer älter, und wir wollen gesund älter werden. Wenn wir nicht gesund älter werden, kosten wir mehr.“

Daher soll der Prävention in Zukunft eine größere Bedeutung zukommen. Bisher wurde diese eher vernachlässigt. Mag. Jakob Hochgerner, Leiter der Direktion für Soziales und Gesundheit sowie der Abteilung Gesundheit, Amt der Oö. Landesregierung, merkt dazu an: „In Österreich haben wir einen kompromisslosen Zugang zur kurativen Medizin. Bei der Prävention brauchen wir hingegen lange, um die Ressourcen zur Verfügung zu stellen.“ Mit der Zusage von 90 Mio. Euro pro Jahr für die Einführung eines kostenlosen Erwachsenen-Impfprogramm sei nun ein großer Sprung gelungen.

Gratis-Impfprogramm auch für Erwachsene etablieren

Impfungen zählen zu den wichtigsten Maßnahmen der Primärprävention. Trotzdem stehen der Bevölkerung bei weitem nicht alle Impfungen, die vom Nationalen Impfgremium im Österreichischen Impfplan empfohlen sind, kostenfrei zur Verfügung. Impfungen für Erwachsene sind noch großteils privat zu finanzieren, während seit 1998 in Österreich ein umfangreiches kostenloses Kinderimpfprogramm verfügbar ist. Andreas Huss, MBA, Arbeitnehmer-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), erinnert: „Lore Hostasch hat 1998 mit dem Kinderimpfprogramm einen Meilenstein gesetzt. Das funktioniert bis heute sehr gut. Was wir in Österreich aber nicht haben, ist ein Erwachsenen-Impfprogramm. Das ist Privatangelegenheit, und das darf nicht so bleiben.“

Ein erster Schritt beim Ausbau der Erwachsenen-Impfungen wurde bereits gesetzt: In der Wintersaison 2023/24 wurde die Influenza-Impfung im Rahmen eines öffentlichen Impfprogrammes allen in Österreich lebenden Personen stark vergünstigt zugänglich gemacht. Der österreichische Impfplan empfiehlt darüber hinaus noch viele weitere Impfungen für Erwachsene, etwa gegen Herpes zoster, Pneumokokken oder HPV (Letztere ist derzeit bis zum 30. Lebensjahr gratis). Hochgerner: „Eine empfohlene Impfung sollte auch von der Sozialversicherung übernommen werden. Und das ‚frische Geld‘ sollte auch für neue Impfungen verwendet werden.“

Impfungen priorisieren

Da mit dem Budget von 90 Mio. Euro nicht alle im österreichischen Impfplan empfohlenen Impfungen abgedeckt werden können (auch wenn dies letzten Endes das Ziel wäre), muss eine Prioritätenreihung vorgenommen werden. Das Nationale Impfgremium (NIG) soll hier Vorschläge ausarbeiten. Die ÖGK wird das öffentliche Impfprogramm administrieren; Expertise, Strukturen und Prozesse werden derzeit noch aufgebaut.

Für die Priorisierung der Impfungen braucht es Priv.-Doz. Mag. Dr. Maria Paulke-Korinek, PhD, Leitung Abteilung Impfwesen im Gesundheitsministerium und NIG-Mitglied, zufolge „vor allem auch einen transparenten, evidenzbasierten Entscheidungsprozess, der klarlegt, wo der höchste medizinische Benefit erzielt wird“. Und Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Infektiologe und NIG-Mitglied, erklärt: „Wir müssten einfach durchrechnen: Was kosten uns die impfpräventablen Erkrankungen im Jahr? Dann wissen wir, wie viel wir ausgeben sollten.“

Impfskepsis überwinden

Damit die Impfungen von den Menschen auch gut angenommen werden, ist ein niederschwelliger Zugang nötig. Derzeit herrscht vielfach Impfskepsis und nur rund 40% der Bevölkerung sind durchgeimpft. Kollaritsch: „Es muss auch für Seniorinnen und Senioren einfach sein, die Impfung in Anspruch zu nehmen“. Korosek ergänzt: „Wir müssen die Seniorinnen und Senioren dann aber auch motivieren, die Impfungen anzunehmen.“ Es müsse zudem vermehrt in die Gesundheitskompetenz der Menschen investiert werden. Eine Ausgabe des Magazins für Versicherte der ÖGK wird sich aus diesem Grund dem Thema Impfen widmen.

Huss befindet, dass Arztordinationen nicht die einzigen Impfstellen sein müssten, er könne sich auch andere Impf-Settings (Betriebe, Apotheken, Busse, die verschiedene Orte anfahren) vorstellen. Für Paulke-Korinek „ist Kommunikation alles“, man müsse jedoch darauf achten, für verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Kanäle zu nutzen, wie z.B. Social Media für Junge. Außerdem ist sie von den Vorteilen des E-Impfpasses überzeugt, der u.a. automatisch an die nächste (Auffrischungs-)Impfung erinnert, und hofft auf dessen baldige vollständige Ausrollung. Impfexperte Kollaritsch versucht Impfskeptikerinnen und -skeptiker herauszufordern: „Wenn Sie die Impfung nicht leiden können, dann probieren Sie doch die Erkrankung!“

Quelle: Podiumsdiskussion der GSK „Öffentliches Impfprogramm – Next Steps“, Wien, 25.4.2024