Die Haltung der JungmedizinerInnen zum Berufsbild Hausarzt
16.08.2017 – Das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) der MedUni Graz hat in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) eine umfassende Studie durchgeführt, deren Ergebnis zeigt, dass JungmedizinerInnen sich sehr wohl für den Hausarztberuf interessieren. Es handelt sich um die bislang größte österreichische Befragung von JungmedizinerInnen zum Berufsbild Allgemeinmedizin.
Vor allem aufgrund der persönlichen und langfristigen Arzt-Patienten-Beziehung und der vielfältigen Herausforderungen des Faches ist das Berufsbild Allgemeinmedizin für Medizinstudierende und TurnusärztInnen durchaus interessant. Dennoch entscheiden sich immer weniger für die Ausbildung in der Allgemeinmedizin. Dies läge hauptsächlich an den als insbesondere im Kassensystem sehr ungünstig wahrgenommenen Bedingungen für niedergelassene praktische ÄrztInnen im heimischen Gesundheitswesen.
Der Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart plädiert für ein Ernstnehmen der „in dieser Studie empirisch belegten Erwartungen des medizinischen Nachwuchses.“ Die Österreichische Ärztekammer wolle auch zukünftig, dass genügend praktische ÄrztInnen für die Betreuung der Bevölkerung zur Verfügung stehen, auch im Rahmen des Kassensystems. Denn das starke Bedürfnis nach einem niederschwellig erreichbaren Haus- und Vertrauensarzt sei einkommensunabhängig.
Steinhart fordert eine Angleichung der Allgemeinmediziner-Tarife an die der Fachärzte und rund 500 zusätzliche Kassenstellen für PraktikerInnen, denn weniger PatientInnen pro Ordination bedeutet wiederrum mehr Zeit für jeden einzelnen PatientInnen.
Studienautorin Stephanie Poggenburg (IAMEV) berichtet von einer Rücklaufrate von 13,7 Prozent. Nur zwei Prozent der Studierenden, aber immerhin 16 Prozent der TurnusärztInnen, wollen sicher in der Allgemeinmedizin tätig sein. Dies wären aber voraussichtlich zu wenige, um den Bedarf an Kassen-AllgemeinmedizinerInnen in einer wachsenden und alternden Gesellschaft zu decken, so Poggenburg.
Die Bedingungen des Kassensystem wie zu wenig Zeit für PatientInnen, zu viel Bürokratie und zu geringes Einkommen im Vergleich zu FachärztInnen würde einen Großteil der Befragten von diesem Berufsbild abhalten. Daneben spielt noch die Wertschätzung der Allgemeinmedizin für die Befragten eine „immens wichtige Rolle“. TurnusärztInnen und Studierende glauben zwar an ein hohes Ansehen bei den PatientInnen, jedoch nur an eine sehr geringe Wertschätzung durch politische Entscheidungsträger.
Im Gegensatz zu Studierenden ziehen TurnusärztInnen die Niederlassung im Spital deutlich vor. Für Studierende wären beide Bereiche etwa gleich interessant. Beide Gruppen zeigen bei der Frage ob selbstständig oder angestellt eine deutliche Präferenz als selbstständiger Arzt in einer Gemeinschaftspraxis zu arbeiten. Doch auch die „klassische“ Einzelpraxis wäre ein Thema. Auch interessant ist, dass sich laut Befragung jede/r zweite Turnusarzt/Turnusärztin eine Tätigkeit auf dem Land vorstellen kann, aus der Gruppe der Allgemeinmedizin sogar 74 Prozent.
Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin, bekräftigt die Ergebnisse damit, dass die NachwuchsmedizinerInnen mit ihren Vorbehalten gegenüber den Arbeitsbedingungen von KassenärztInnen sowie der aktuellen Ausbildungssituation zielsicher den Finger in die Wunde legen würden. Weniger Bürokratie, eine Entstaubung des Tarifsystems und ein moderner Leistungskatalog seien unumgänglich, so Wutscher.
Quelle: APAMED