Schelling: „Ich hätte den Hauptverband eher gestärkt“
MT sprach mit dem ehemaligen Finanzminister und Hauptverbandschef Dr. Hans Jörg Schelling über die Gesundheitsreform und fragte ihn, warum es ein Weißbuch für die Gesundheitsversorgung braucht. (Medical Tribune 21/19)
Herr Dr. Schelling, wie beurteilen Sie die aktuelle Gesundheitsreform der Bundesregierung?
Schelling: Es wäre überzeichnet, hier von einer Reform im Gesundheitsbereich zu sprechen. Es ist eine Reform der Institutionen, nämlich der Versicherungen. Es ist keine Reform im Sinne des Gesundheitswesens, denn dort geht es ja um Fragen, wie löst man das Problem der intra- und extramuralen Schnittstellen, wie löst man die Finanzströme, wie soll die Patientenversorgung der Zukunft aussehen, mit welchen Einrichtungen wird das bereitgestellt. Das ist ein anderes Thema als die Zusammenlegung der Krankenkassen.
Mit der Strukturreform sollen Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro erzielt werden. Ist das mit dieser Reform möglich?
Schelling: Es ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Ich weiß, dass das extrem schwierig werden wird, weil ich mir als Präsident des Hauptverbandes diese Dinge schon oft angesehen habe und damals durchgerechnet habe. Daher ist es sehr ambitioniert.
Einer der meistkritisierten Punkte bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger ist das Rotationsprinzip im Vorstand. Sie waren auch Chef des Hauptverbandes. Wie stehen Sie dazu?
Schelling: Ich bin kein Freund dieser Rotationsprinzipien. Man sieht ja auf europäischer Ebene, wie schwierig das ist, wenn ein Land nur ein halbes Jahr den Vorsitz hat. Ich glaube, dass man mit großer Kontinuität arbeiten muss, weil das Thema extrem komplex ist. Wenn sich jemand neu einarbeiten muss, ist das halbe Jahr schneller vorbei, als man glaubt. Daher glaube ich, dass man das Rotationsprinzip am Ende des Tages als kein geeignetes Instrument betrachten wird.