„Alle anderen Länder in Europa fragen uns, wie es läuft“

Takeda hat Shire um 54 Milliarden Euro übernommen, was auch hierzulande einen Impact hat. Österreich-Chefin Kirsten Detrick verrät ihre Strategie, ihre Sichtweise zum Rahmen-Pharmavertrag und was sie als Kind werden wollte. (Medical Tribune 16/19)

Was bedeutet die Übernahme von Shire für Takeda Österreich (Shire ist hierzulande ja sehr groß)?

Detrick: Bei Takeda in Österreich haben wir nun rund 4.500 Mitarbeiter. Wir sind also ein wirklich großer Arbeitgeber. Wir haben große Produktionsstandorte in Wien, Linz und in Orth an der Donau. Nach der Anzahl der Mitarbeiter sind wir jetzt einer der größten Betriebe im biopharmazeutischen Bereich in Österreich. Und die zusammengeführten Unternehmen sind in Österreich tief verwurzelt, wenn man an die Vorgängerfirmen Heilmittelwerke und Immuno denkt.

Bei Übernahmen stellt sich immer die Frage nach Synergien. Planen Sie, Mitarbeiter abzubauen?

Detrick: Es ist zu früh, um ins Detail zu gehen und konkrete Aussagen zu machen. Aber eines kann ich schon sagen: Das Produktportfolio ist komplementär, genauso wie die hochqualifizierten Mitarbeiter, die hier arbeiten. Shire bringt eine breite Expertise bei Arzneien gegen Seltene Erkrankungen mit, hier reden wir von mitunter nur 15 oder 20 Patienten in ganz Österreich. Takeda wiederum hat sich stark in den Bereichen Onkologie und Gastroenterologie positioniert.

Wie läuft die Integration – haben Sie externe Berater engagiert?

Detrick: Nein, hier in Österreich haben wir zur Integration der Teams mit Kundenkontakt ein Integrationsteam mit sechs Mitarbeitern installiert, je drei aus verschiedenen Bereichen beider Unternehmen. Wir müssen eine neue Unternehmenskultur aufbauen.

Bleiben wir bei Takeda: Wie läuft das Geschäft in Österreich?

Detrick: Großartig! Wir haben 2018 signifikantes Wachstum erzielt – und das nicht über Preiserhöhungen, so funktioniert dieser Markt nicht. Wir konnten Vertrauen in unsere Therapien gewinnen.

Und auch neue Produkte lancieren, beispielsweise Alofisel® zur Behandlung komplexer Fisteln bei Morbus Crohn. Was sind die ersten Erfahrungen damit?

Detrick: Es läuft hervorragend. Wir waren das erste Land, in dem dieses Produkt kommerziell gelauncht wurde. Es handelt sich um eine Stammzellentherapie, ist also sehr innovativ. Und alle anderen Länder in Europa fragen uns, wie es läuft, wie es den Patienten geht. Man muss sie sechs Monate lang beobachten, aber die ersten Erfahrungswerte sind sehr ermutigend. Wir haben außerdem gerade TakhzyroTM auf den Markt gebracht, ein Arzneimittel zur Prophylaxe beim Hereditären Angioödem. Da wurde gerade eben der erste Patient behandelt. Solch innovative neue Produkte auf den Markt zu bringen, ist unsere Kernkompetenz.

Vedolizumab (Entyvio®) hat in einer kürzlich veröffentlichten Head-to-Head-Studie gegen Adalimumab (Humira®) gut abgeschnitten. Können Sie dazu mehr sagen?

Detrick: Ja, diese Entwicklung freut mich ganz besonders, weil ich in führender Position jenes globalen Teams tätig war, das diese Studie vor fünf Jahren initiiert und umgesetzt hat. Eine Head-to-Head- Studie durchzuführen, also nicht gegen Placebo zu testen, sondern gegen den Marktführer, ist gewagt. Das war natürlich mutig, die weltweit erste Head-to-Head-Studie bei Colitis ulcerosa. Aber jetzt gibt es die Ergebnisse und sie zeigen bei Entyvio® eine überlegene Rate der klinischen Remission.

Kommen wir zu einem heiklen Thema: Je spezialisierter und aufwendiger die Therapie (gerade bei Seltenen Erkrankungen), desto teurer ist sie. Was ist Ihr Standpunkt in der Kostendebatte?

Detrick: Das ist ein schwieriges Thema für die Gesellschaft. Bei Alofisel® haben wir das mit den Spitalsbetreibern partnerschaftlich ausverhandelt. Wir haben unseren Kunden zugesichert, dass wir ihnen gegebenenfalls, wenn das gewünschte Resultat ausbleibt, eine zweite Dosierung ohne weitere Kosten zur Verfügung stellen. Für solche innovativen Lösungen bin ich offen. Man muss Lösungen finden – wichtig ist, dass der Patient im Mittelpunkt steht.

Sollten auch Ressourcen aus dem Rahmen-Pharmavertrag zweckgewidmet werden?

Detrick: In der Systematik des bisherigen Rahmen-Pharmavertrages war ein Teil für Projekte im Rahmen der Gesundheitsziele zweckgewidmet. Wir als Industrie würden gerne sehen, dass unsere Beiträge direkt Programmen zur Unterstützung von Patienten zugute kommen.

Sie sind Amerikanerin. Was wollten Sie eigentlich werden, als Sie ein Kind waren? Wohl kaum Chefin eines japanischen Pharmakonzerns in Österreich …

Detrick (lacht): Ich komme aus einer traditionellen Familie: Mein Vater war selbstständig in der Computerindustrie, meine Mutter Hausfrau. Mein Vater hat mir beigebracht, dass ich alles werden kann, was ich will. Ich hatte keinen Druck. Ich studierte Chemie und kreatives Schreiben, wollte einmal Lehrerin werden. Mit 16 startete ich mein erstes Geschäft namens „The Home Secretary“. Ich konnte sehr schnell tippen, 120 Wörter pro Minute, und übernahm Schreibarbeiten für Geschäftsleute.

Wie kamen Sie dann in die Pharmabranche?

Detrick: Ich wollte Verschiedenes werden, aber ich wollte immer Leuten helfen. Als ich mich dann später für Health Care interessiert habe, sagte mein Vater, ich sollte nach Washington D.C., um die Politik dahinter zu verstehen. Aber wir kannten niemanden und so schrieb ich 400 Bewerbungen an verschiedene Kongressabgeordnete und bekam dann tatsächlich einen Job.

Was bedeutet für Sie Erfolg?

Detrick: Ich bin seit 25 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder. Ich bin stolz auf meine Kinder, sie sind gute, wundervolle Menschen. Ich denke, das ist für mich der größte Erfolg. Wenn das nicht passt, zählt alles andere nichts.

Was ist Ihr wichtigster Rat an jemanden, der beruflich einen ähnlichen Weg wie Sie einschlägt?

Detrick: Es gibt im Leben viele Ups und Downs. Man muss immer offen sein für neue Chancen. Oft haben sich Menschen gewundert über meine Karriere-Entscheidungen, die manchmal auf den ersten Blick kein Aufstieg waren. Aber ich war offen für Ideen, die mich faszinierten, unabhängig davon, ob andere das auch so sahen. Viele Leute sind zu sehr damit beschäftigt, die Karriereleiter hochzuklettern, aber das ist falsch. Es ist wichtig, Erfahrungen zu machen. Das kann einem niemand wegnehmen. Sie können dir Geld wegnehmen, den Job wegnehmen, aber niemand kann dir nehmen, was du gelernt hast. Das Leben ist ein Abenteuer. Und man muss mutig sein und Risiken nehmen, nicht nur auf Sicherheit aus sein. Ja, wenn man Risiken eingeht, kann man auch scheitern. Na und? Ich habe einige Fehler gemacht in meiner Karriere, aber das ist nicht schlimm – mit jedem Fehler lernt man dazu!

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune

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