Keine guten Karten für „dm“

Illustration: Ein Einkaufswagen voller Pillen der umgefallen ist.
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Die Drogeriekette „dm“ möchte den Apothekenvorbehalt für OTC-Präparate vor dem Verfassungsgerichtshof bringen. Was sagen Verfassungsjuristen? (Pharmaceutical Tribune 11/2018)

Die Drogeriekette „dm“ lässt nichts unversucht, um ihr Ziel zu erreichen: die Erlaubnis zum Verkauf rezeptfreier Arzneimittel. Zweimal hat das Unternehmen bereits die entsprechenden gesetzlichen Regelungen vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gebracht – zweimal ist „dm“ damit gescheitert, allerdings aus formalen Gründen. In der Folge hat die Drogeriekette einen dritten Anlauf angekündigt, um die von ihr beanstandeten Regelungen vom VfGH auf Verfassungskonformität prüfen zu lassen. Rückenwind verspricht sich „dm“ von einem jüngst veröffentlichten Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) über den österreichischen Apothekenmarkt, der diesen als „wettbewerbsfeindlich“ charakterisiert. Vor diesem Hintergrund hat der Wiener Apothekerclub zwei hochkarätige Juristen zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung geladen: die Präsidentin des VfGH, Dr. Brigitte Bierlein, sowie den emeritierten VfGH-Richter Dr. Rudolf Müller.

Zwischen Politik und Recht

„Der VfGH ist ein Grenzorgan zwischen Politik und Recht“, erklärte Bierlein in ihren einleitenden Worten und erläuterte auch, dass die Möglichkeit sogenannter Partei- oder Individualanträge, wie sie „dm“ getätigt hat, noch nicht lange besteht. Diese seien für Fälle geschaffen worden, wo jemand unmittelbar von einem Gesetz betroffen ist, es aber keine Verwaltungsbehörde oder kein Gericht gibt, die dafür zuständig sind. „Individualanträge scheitern häufig an der Zulässigkeit“, weiß Müller, was jedoch nichts über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Normaussage. Der erste Antrag von „dm“ sei daran gescheitert, dass nicht alle für den Apothekenvorbehalt relevanten Paragraphen angefochten wurden. Insbesondere sei § 57 des Apothekengesetzes, in dem geregelt ist, wer vom Großhandel mit OTCArzneimitteln beliefert werden darf, nicht beeinsprucht worden. Daher wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Auf Nummer sicher

„Der zweite Antrag hatte diesen Fehler nicht“, erzählt Müller, der als aktiver Verfassungsrichter direkt damit beschäftigt war: „Unter dem Motto ,Sicher ist sicher‘ wurden viele Bestimmungen angefochten.“ Diesmal aber hatten es die von „dm“ beauftragten Juristen verabsäumt, zu argumentieren, mit welcher konkreten Verfassungsnorm die beanstandeten Paragraphen angeblich kollidieren und welche Gründe für die Aufhebung maßgeblich sein sollen. Dass der VfGH nicht von sich aus die vorgebrachten Bedenken den passenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen zuordnet, hat einen guten Grund: „Der VfGH hat nicht das Recht, einen Antrag nach eigenen Vorstellungen zu erweitern und zu ergänzen. Bei politisch brisanten Verfahren könnte dies äußerst heikel werden“, erklärt Müller. Daher wurde auch der zweite Antrag wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Existenzschutz

Sollte „dm“ beim nächsten Anlauf die Hürde der Zulässigkeit überwinden, dann beginnt erst die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag. „Die Hürden, die ein Gesetzesprüfungsantrag auf Aufhebung des Apothekenvorbehalts in der Sache zu nehmen hätte, sollte er erfolgreich sein, sind allerdings sehr hoch“, gibt Müller zu bedenken. Die im Arzneimittelgesetz genannten Gründe für den Apothekenvorbehalt, nämlich der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsschäden und -gefährdungen sowie der Konsumentenschutz, seien Rechtsgüter höchsten Ranges. „Das hat den VfGH in seiner bisherigen Rechtssprechung veranlasst, wirtschaftliche Schutzbestimmungen als sachlich gerechtfertigt und hinsichtlich des Rechts auf Erwerbsfreiheit als verfassungsrechtlich zulässig zu betrachten.“ Prägnanter formuliert: „Existenzschutz für Apotheken ist zulässig.“ Dasselbe gelte auch für den genannten Bericht der BWB: „Vor dem Hintergrund der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes müssen sich die Apotheken vor diesem Papier nicht fürchten“, bekräftigt Müller. Überdies fordert die Wettbewerbsbehörde zwar die Abschaffung der Bedarfsprüfung, die Öffnung des Online-Handels und eine Erweiterung der Liste jener OTC-Medikamente, die auch von Drogisten verkauft werden dürfen, nicht aber die generelle Abschaffung des Apothekenvorbehalts. Keine guten Karten für „dm“ also.