Mehr Mut zum Switch
OTC-Präparate leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Entlastung des österreichischen Gesundheitssystems. Doch das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. (Pharmaceutical Tribune 08/2018)
„Die Grenzen der OTC-Anwendung sind in Österreich bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, erklärte Cosima Bauer, MA, vor Kurzem anlässlich der IGEPHA Switch Konferenz. So spart jeder für ein OTC-Produkt ausgegebene Euro dem österreichischen Gesundheitssystem 5,20 Euro an direkten Kosten. Bauer erstellte gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Uwe May eine Studie, in der die Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich genau analysiert wurden. Ausgangspunkt der Studie war ein Vergleich der Situation des Rezeptstatus in 15 Ländern (elf westeuropäische Länder sowie Kanada, USA, Australien und Neuseeland). Das Ergebnis überraschte selbst die Forscher. So liegt Österreich bei der Anzahl der rezeptfrei erhältlichen Wirkstoffe an vorletzter Stelle. Bei den nicht vermarkteten bzw. nicht registrierten Wirkstoffen liegt Österreich hinter Schweden und Finnland an dritter Stelle.
Dilemma der kleinen Länder
„Es gibt eine Korrelation zwischen der Einwohnerzahl und der Anzahl der nicht verfügbaren Wirkstoffe“, erklärte Bauer. So sind, bedingt durch die Marktgröße, in Österreich wie auch in anderen Ländern mit vergleichbarer Größe viele interessante Substanzen nicht zugelassen oder zugelassen, aber nicht vermarktet. Switch-Anträge werden – nicht zuletzt vor dem Hintergrund ökonomischer Potenziale – in einem kleineren Land seltener betrieben. Tatsächlich zeigt ein Vergleich der Wirkstoffverfügbarkeit aller in mindestens einem Land rezeptfrei zur Verfügung stehenden Substanzen (n = 258), dass in Österreich rund ein Drittel davon OTC-vermarktet wird, ein weiteres Drittel ist rezeptpflichtig und ein Drittel steht nicht zur Verfügung. Bauer: „Das sollte einem zu denken geben.“
Switch-Kandidaten
May und Bauer entwickelten daraufhin ein Schema, auf dessen Basis sie potenzielle Switch-Kandidaten für Österreich identifizierten. So wurden zuerst Substanzlücken im internationalen Vergleich untersucht, anschließend deren Versorgungsrelevanz sowie die potenzielle Marktbedeutung für Österreich bewertet und so eine Rankingliste mit potenziellen Switch-Kandidaten erstellt (Tabelle 1). „Es gibt natürlich auch andere für einen Switch in Österreich interessante Substanzen, die nicht in dieser Liste enthalten sind, weil sie z.B. nur in Österreich vermarktet werden.“ Ein Beispiel ist die in Deutschland nicht zugelassene Mefenaminsäure.
Innovative Switches
Zusätzlich ermittelten die beiden Forscher auch Potenziale und Chancen für Österreich aus visionären Switch-Projekten (Tabelle 2). „Bisher gab es tatsächlich keine ‚Firstin-World-Switches‘ in Österreich“, berichtete May. Beispiele aus Finnland und Neuseeland zeigen, dass auch kleine Länder hier Vorreiter sein können. Eventuell vorhandene Anwendungs- oder Substanzrisiken sollten hier den positiven Effekten für die Versorgungspraxis sowie dem patientenrelevanten Nutzen gegenüber gestellt werden. Generell fordern die beiden Forscher die Entwicklung eines neuen erweiterten Ansatzes einer Nutzen-Risiko-Betrachtung. Neben der üblichen Erfassung der Substanz- und Anwendungsrisiken sollen auch Versorgungs- und Knappheitsrisiken erfasst sowie die Patientenperspektive integriert werden.
30,8 Prozent aller 2017 in österreichischen Apotheken verkauften Arzneimittel waren OTC-Produkte (Wertanteil 16 Prozent), das ergab eine Analyse des Informationsdienstleistungsunternehmens IQVIA.
90 Personen starben zwischen 2003 und 2016 in Österreich an den Folgen einer Meningokokken-Infektion. Besonders gefährlich ist, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung das Bakterium in sich tragen, ohne zu erkranken. Sie können allerdings andere anstecken. Experten raten daher zur Impfung.