26. März 2025ÖHIV will Impflücken schließen

Große Impfmüdigkeit in Österreich

Trotz eines guten öffentlichen Impfprogramms sind die Durchimpfungsraten in Österreich niedrig und einzelne impfpräventable Erkrankungen wie Masern oder Pertussis treten verstärkt auf. Über Hintergründe und Verbesserungsmöglichkeiten sprachen Vertreter der Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖHIV) auf einer Pressekonferenz.

Österreich hinkt beim Impfen in vielen Indikationen immer noch hinterher. Das hat negative Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem, nicht nur für den Einzelnen. Dabei reduzieren Impfungen nicht nur die Zahl von Erkrankungen und Todesfällen deutlich. So ist die Kindersterblichkeit in den letzten 50 Jahren um 40% gesunken. Sie sorgen auch für einen Rückgang von Antibiotikaresistenzen, machen Gesundheitssysteme widerstandsfähiger und ermöglichen Einsparungen im Gesundheitswesen.

Studien zufolge generiere jeder Euro, den man in die Gesundheitsvorsorge investiere, einen Gewinn von 14 Euro für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, erklärt DI Olivier Jankowitsch, Generalsekretär des ÖHIV. „Impfungen sollten daher weniger als Kostenfaktor denn als Investment gesehen werden.“

Hohe Erkrankungsraten bei Pertussis und Masern

Dennoch wird diese Möglichkeit der Prävention in Österreich viel zu wenig genutzt. Krankheiten, die sich durch Impfungen vermeiden ließen, kommen wieder oder verstärkt zum Ausbruch.

So kam es im letzten Jahr bei Pertussis zu einem extrem starken Anstieg der Krankheitsfälle (um 450% gegenüber 2023). Mehr als 15.000 Menschen waren betroffen – so viele wie seit den 1960er Jahren nicht mehr, als es die Impfung noch gar nicht gab. Im März 2024 starb sogar ein Neugeborenes an Pertussis.

In den letzten Jahren sind erstmals seit Langem auch vereinzelt wieder Fälle von Diphtherie aufgetreten. Derzeit haben nur 84% der Bevölkerung einen Impfschutz mit der Dreifachimpfung gegen Diphtherie/Tetanus/Pertussis (DTP). Das ist die niedrigste Rate in ganz Europa.

Auch die Polio-Impfung ist weiterhin empfohlen und sollte laut Impfplan, ebenso wie DTP, alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Die Krankheit selbst kommt zwar nur mehr selten vor, die Viren sind aber weltweit präsent, auch in Europa.

Bei Masernerkrankungen liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld, obwohl eine kostenlose Impfung für alle Altersgruppen verfügbar ist. 2024 gab es 527 registrierte Fälle, von denen 120 hospitalisiert werden mussten, vier davon sogar auf der Intensivstation. „Um eine Herdenimmunität zu erreichen, wäre eine Durchimpfungsrate von 95% nötig, doch wird diese in Österreich leider in keiner einzigen Altersgruppe erreicht“, bedauert Jankowitsch.

Niedrige Impfraten bei Influenza und Herpes Zoster

Die Influenza-Impfung war im letzten Winter erstmals kostenfrei verfügbar, die Impfrate betrug jedoch nur 15%. Österreich ist damit europäisches Schlusslicht. Die WHO empfiehlt eine Durchimpfungsrate von 75% in Risikogruppen.

Eine weitere wichtige Impfung ist die gegen Herpes Zoster, da das Virus bei jeder dritten Person, v.a. bei Älteren, einmal im Leben die sehr schmerzhafte Gürtelrose auslösen kann. 40.000 Personen erkranken in Österreich jährlich daran, 10% davon müssen sogar hospitalisiert werden. Die genauen Impfquoten sind hier nicht bekannt, aber da der Impfstoff sehr teuer und selbst zu bezahlen ist, ist von niedrigen Raten auszugehen, wie Jankowitsch erläutert.

Zwei relativ erfolgreiche Impfungen: FSME und HPV

Eine Erfolgsgeschichte war lange Zeit die FSME-Impfung in Österreich, doch auch hier ist mittlerweile eine Impfmüdigkeit zu verzeichnen. Es sind derzeit rund 60% der Bevölkerung geimpft, was einen deutlichen Rückgang der Durchimpfungsrate im Vergleich zu den letzten Jahren bedeutet. Impflücken bestehen vor allem bei Kindern im Alter von 1–15 Jahren.

Bei der HPV-Impfung, die ab dem 9. Lebensjahr empfohlen ist und bis Ende 2025 kostenlos auch für junge Erwachsenen von 21–30 Jahre verfügbar ist, beträgt die Impfrate im Durchschnitt immerhin 50%, aber Österreich liegt damit immer noch deutlich unter dem von der WHO angestrebten Ziel von 90%.

Plan für höhere Durchimpfungsrate

Um diese unbefriedigenden Durchimpfungsraten in Österreich zu verbessern, hat der ÖHIV hat im Februar einen „Aktionsplan Impfen 2025“ publiziert, mit dem er an die Stakeholder in der Gesundheitspolitik herantritt, um mehr Awareness für Impfungen zu schaffen.

Für Mag. Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH, ist 2025 „ein Schlüsseljahr in Sachen Impfen“: „Die Klimakrise verschärft sich weltweit und in Österreich. Dadurch kommt es immer wieder zum Auftreten von neuen Infektionskrankheiten, während sich die geopolitische Lage unübersichtlich präsentiert. Gleichzeitig nimmt die Wissenschaftsskepsis immer neue Ausmaße an. Wir brauchen daher dringend Lösungen.“

2025 sei auch insofern ein günstiger Zeitpunkt für Veränderungen, als im Zuge der Gesundheitsreform zusätzliche Budgetmittel im Ausmaß von 90 Mio. Euro für Impfungen zur Verfügung stehen und das öffentliche Impfprogramm ausgebaut werden soll.

Der Aktionsplan umfasst sechs Schwerpunkte, darunter die Definition gesundheitspolitischer Ziele und ein Impfkonzept für alle Altersgruppen, nicht nur für Kinder („Lebenslanges Impfen“). Weiters sollen Impfungen auch niederschwellig möglich sein und verstärkt in Betrieben, Schulen, Primärversorgungszentren und auch in Apotheken durchgeführt werden. Außerdem solle der e-Impfpass besser genutzt werden. Dazu würden zum Beispiel anonymisierte Auswertungen und die verpflichtende Eintragung von allen im Österreichischen Impfplan empfohlenen Impfungen gehören. Außerdem sollen verstärkt zielgruppenspezifische Aufklärungskampagnen zur Information der Bevölkerung stattfinden, an denen sich die öffentliche Hand stärker als bisher beteiligen soll.

Langfristige Planung der Versorgung

Und nicht zuletzt sei es wichtig, so Gallo-Daniel, die Impfstoff-herstellende Industrie frühzeitig in die Planung einzubinden. Denn jede Impfstrategie funktioniere nur, wenn auch genügend Impfstoff vorhanden sei. Dabei sei zu bedenken, dass die Impfstoffproduktion sensibel, komplex, langwierig und abhängig von externen Faktoren ist. Daher ist eine langfristige und gute Planung unumgänglich für eine ausreichende Versorgung mit Impfstoffen.