1. Aug. 2024Andere Länder, andere Apotheken – Teil 4

Apotheke im Geysir-Städtchen Karlsbad

Kaum zu glauben: Der nächstgelegene Geysir befindet sich nur 5 Autostunden von Wien entfernt: im tschechischen Karlsbad, jener Kurstadt, die aufgrund ihrer 13 Heilquellen UNESCO-Welterbestatus hat. Vom Zentrum führt neuerdings ein 1km langer Flusspfad direkt zur Karlsbader Benu OCKaufland-Apotheke.

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Andrea Krieger

Auf Personen aus dem EU-Ausland wartet in der Apotheke mit der Glasfront gleich ein weiteres Aha-Erlebnis: Selbst 20 Jahre nach dem EU-Beitritt wird in Tschechien noch mit tschechischen Kronen bezahlt. Dabei könnte das Land längst den Euro haben.

Schon leichter zu verstehen ist, was hinter dem Apothekennamen Benu OCKaufland steckt. Benu ist eine Apothekenkette, die sich wenige Jahre nach der Ostöffnung im Land etabliert hat. Mittlerweile ist Benu mit 395 Filialen die zweitgrößte Apothekenkette.

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Andrea Krieger

Apothekenleiter Pharm. Dr. Petr Greguš

Außerdem ist die zur deutschen Phoenix Gruppe gehörige Kette auch noch in den baltischen Staaten, Norwegen, Italien, Rumänien und Ungarn präsent. Hinter Kaufland wiederum, dem zweiten Namensteil, verbirgt sich eine Supermarktkette. Benu-Apotheken befinden sich oft an derselben Adresse wie Ärztezentren, Supermärkte oder Shoppingcenter. Das garantiert Synergieeffekte.

„Die Menschen finden hier Gratis-Parkplätze und können ihre Lebensmittel-Einkäufe und Besorgungen aus der Apotheke gleich in einem Aufwaschen erledigen“, sagt Apothekenleiter Pharm. Dr. Petr Greguš". In der 68m2 großen Offizin stehen dafür sogar eigene kleine Einkaufskörbe bereit.

Heimspiel für den Leiter

Seit 4 Jahren befindet sich die Apotheke jetzt an diesem Verkehrsknotenpunkt fern der Innenstadt. Der Betrieb hat mitten in der COVID-Zeit aufgesperrt. Das Eröffnungsfest dürfte dementsprechend dürftig ausgefallen sein. Ein Jahr danach kam Petr Greguš als Leiter an Board. Greguš kommt aus Karlsbad, im Zuge seiner 15-jährigen Laufbahn hat er aber auch eine Prager Apotheke mit Schwerpunkt auf Haut- und Haarproblemen geführt. Seine Heimatstadt weiß er nicht zuletzt aufgrund des jährlichen Filmfestivals zu schätzen. Diesen Juli hat er sich ein paar Tage dafür freigenommen.

Apothekenmanager wie Greguš müssen in Tschechien ein Studium der Pharmazie und einen darauf aufbauenden dreijährigen Lehrgang für Apothekenleiter absolvieren. Greguš kann darüber hinaus Praktika in Estland und Norwegen vorweisen. Dort hat er Erfahrungen in klinischer und Krankenhaus-Pharmazie gesammelt.

RX und OTC an der Tara strikt getrennt

Beim Lokalaugenschein fallen die für Tschechien typischen getrennten Kassenplätze auf. Hier geben Pharmazeutinnen und Pharmazeuten Rezeptpflichtiges aus, da verkaufen Pharmazieassistenten und -assistentinnen Rezeptfreies. Dafür stehen in dieser Apotheke 4 Pharmazeuten und 4 Apothekenassistenten zur Verfügung. Die Trennung sorgt für Diskretion. „In manchen Apotheken gibt es sogar eigene Kabinen für Rezeptflichtiges!“, erzählt Greguš. Verschreibungen können übrigens auch telefonisch erfolgen. Zur Einlösung erhalten die Betroffenen dann via SMS oder E-Mail einen speziellen Code, meistens wird aber einfach der Personalausweis vorgelegt.

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Andrea Krieger

Rezeptgebühr verlangen und Restgeld herausgeben, das fällt in tschechischen Apotheken seit 2015 weg. Dafür öffnet sich bei jenen rezeptflichtigen Medikamenten, die nur zum Teil von der Versicherung erstattet werden, die Kassenlade. Wobei Greguš betont: „Es gibt in jeder Kategorie ein Mittel, das zur Gänze die Kasse zahlt. Oft sind es Generika.“

Gedächtnis-Check in der Apotheke

Wer bestimmte Apotheken betritt und wenig später in einem eigenen Raum zum Beispiel eine Uhrzeit aufzeichnet, absolviert gerade einen einstündigen Alzheimer-Test. „Viele Benu-Apotheken bieten das in eigenen Räumlichkeiten an und der Service wird gut angenommen. Teils wollen besorgte Pensionistinnen und Pensionisten von sich aus wissen, wie es um ihr Gedächtnis steht, teils raten Verwandte ihren Angehörigen zu einem Test.“ Man stelle keine Diagnosen, unterstreicht der Apothekenleiter, das sei Sache der Ärzteschaft. „Aber je nach Ergebnis empfehlen wir, eine Ordination aufzusuchen oder nicht.“ Man arbeite bei den Tests mit geriatischen und neurologischen Fachärzten und -ärztinnen zusammen. Aufgrund des Ärztemangels weiß die Medizin diese Dienstleistung zu schätzen.

14 Euro verlangt die Apotheke dafür, mit Treuekarte kostet das niederschwellige Angebot jedoch nur 4 Euro. Ein weiterer neuer Service ist die Messung der Harnsäure-Werte. Der Entzündungswert CRP wird schon länger erhoben, ebenso die Zuckerwerte. „Wir wollen das Bewusstsein für Prädiabetes stärken. Immerhin hatten wir in ganz Tschechien in 3 Monaten über 29.000 Messungen“. Als Nächstes wünscht sich Greguš Impfungen. „In so vielen EU-Ländern dürfen Apotheken schon impfen, wir wollen das nächste sein.“ Grippeimpfungen könnten ein Anfang sein. „Bei der interdisziplinären Zusammenarbeit ist jedoch noch Luft nach oben.“

Deutsche Schnäppchenjäger willkommen

Bereits zum Alltag gehören deutsche „Schnäppchenjäger“, die der preiswerteren Medikamente wegen Karlsbader Apotheken aufsuchen. Und manche Arzneimittel sind tatsächlich um bis zu 50% billiger.

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Andrea Krieger

Routiniers wissen, dass sie die Packung des gewünschten Arzneimittels dabeihaben sollten, falls das Produkt in Tschechien unter einem anderen Namen läuft. Die willkommene zusätzliche Nachfrage wird mit Deutschkenntnissen in der Apotheke unterstützt. Es geht dabei in erster Linie um Schmerzmedikamente. Rezeptfreie Schmerzmittel bekommt man in Tschechien zwar auch an Tankstellen, dort allerdings nur in Kleinstpackungen. Damit ist deren Konkurrenz für die Apotheken endenwollend.

Ansonsten merkt Greguš von den vielen Gästen in der Innenstadt von Karlsbad längst nicht so viel wie zentral gelegene Apotheken. Auch mit den legendären Trinkkuren hat die Apotheke naturgemäß wenig zu tun. Wiewohl Greguš als Karlsbader natürlich stolz auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse darüber ist. „Aktuelle Studien belegen, dass die Trinkkuren nicht nur bei Problemen mit der Verdauung, der Leber und der Niere wirksam sind, sondern auch das seelische Wohlbefinden fördern.“ Eine sanfte Medizin aus der Apotheke sind Heiltees aus heimischer Produktion, die in Tschechien bereits eine lange Tradition haben. Und für die gerne mit Kronen bezahlt wird, EU hin oder her.

Die tschechische Apotheke in Zahlen

Aktuell zählt Tschechien 2.369 Apotheken. Auf eine Apotheke kommen somit ca. 4.500 Personen. Damit liegt Tschechien weit unter dem EU-Schnitt, aber über Österreich. Kleine Gemeinden mit fehlenden Fachordinationen kämpfen mit einem Apothekensterben. Im urbanen Raum findet man Apotheken am Standort von Ärztezentren, die unterschiedliche Fachrichtungen beherbergen, in Supermärkten und Shoppingcentern bzw. in Spitälern. Es gibt eigene 24-Stunden-Apotheken, ansonsten richten sich die Öffnungs- und Bereitschaftzeiten nach der Adresse. Und gerade Supermärkte sind öfter auch sonntags geöffnet. Dr. Max, die größte multinationale Kette, ist mit 490 Apotheken vertreten. Dahinter liegt Benu mit 394 Filialen. Für 2024 wird insgesamt ein Pro-Kopf-Umsatz von insgesamt 433 Euro erwartet, wobei freiverkäufliche Produkte mehr als ein Viertel ausmachen. In Österreich sind es 639 Euro – bei einem doppelt so hohen Durchschnittseinkommen.