Laborwerte aus dem Blut

Ergebnisse von Laborbestimmungen dienen zur Diagnostik und Verlaufskontrolle von Erkrankungen, indem krankheitsspezifische Eigenschaften des Blutes (und anderer Körperflüssigkeiten) oder die Menge darin enthaltener Substanzen bestimmt werden. Somit haben Laborbestimmungen einen wesentlichen Stellenwert in der Medizin und Labore, die diese Untersuchungen durchführen, eine erhebliche Verantwortung für die Richtigkeit der Ergebnisse.

Platte mit Proben für die Analyse biologischer Tests und die biomedizinische Forschung. Generative KI.
Scrudje/AdobeStock

Der labordiagnostische Prozess beginnt mit der Indikationsstellung und damit mit der Auswahl jener Parameter (Analyte), die bestimmt werden sollen. Diese Auswahl hängt vom Zweck der Untersuchung ab (Screening, Überwachung, Diagnostik oder Diagnosehilfe, klinische Fragestellung, Prognose, therapiebegleitende Diagnostik etc.). Bei der Probennahme muss berücksichtigt werden, dass für die sachgemäße Bestimmung der ausgewählten Analyte die korrekte Vorbereitung der zu untersuchenden Person (z.B. nüchtern bei der Blutabnahme) oder ein bestimmter Abnahmezeitpunkt (z.B. wegen zirkadianer Schwankungen von Analyten) erforderlich sein können.

Analyse des Blutes

Es wird entweder venöses oder arterielles Blut aus einem Blutgefäß oder Kapillarblut aus der Fingerbeere oder dem Ohrläppchen entnommen. Dieses wird entweder in einem geeigneten Probenbehältnis gesammelt oder direkt auf einen Teil des Analysesystems (z.B. Teststreifen, Schnelltest) aufgetragen. Nach eventuell erforderlicher Vorbereitung des Probenmaterials (z.B. Zentrifugieren zum Trennen von Serum und zellulären Blutbestandteilen) wird die Analyse durchgeführt. Dabei können manuelle (z.B. händische Färbung eines Blutausstrichs, Extraktionsverfahren mit manuellen Arbeitsschritten), automatisierte (Analyseautomaten), oder teilautomatisierte Methoden (manuelle und automatisierte Arbeitsschritte erforderlich) zur Anwendung kommen.

Analysen können ohne Zuhilfenahme eines technischen Analyseverfahrens (z.B. mikroskopische Untersuchung von Zellen, Geweben oder Körperflüssigkeiten) oder unter Einsatz einer chemischen oder biologischen Reaktion durchgeführt werden. Bei Letzterer entsteht durch die Reaktion von Chemikalien (Reagenzien) oder biologischer Substanzen (z.B. Antikörper) mit dem zu untersuchenden Blutbestandteil ein physikalisches Signal, das entweder direkt abgelesen wird (z.B. Schnelltests) oder das vom Testsystem detektiert und zu einem Messergebnis umgerechnet wird.

Erhaltene Analyseergebnisse werden in weiterer Folge von einer Ärztin bzw. von einem Arzt befundet und ggf. werden weitere Laboranalysen oder andere diagnostische und/oder therapeutische Schritte veranlasst. Das nach der Analyse verbleibende Untersuchungsmaterial wird entweder bereits unmittelbar nach der Freigabe der Analyseergebnisse sachgemäß entsorgt oder für eventuelle spätere weitere Analysen aufbewahrt. Innerhalb welches Zeitraums ein Analyt nach der Blutabnahme bestimmt werden kann, hängt von seiner Stabilität in der Probe während der Lagerung ab.

Arten der Untersuchungsverfahren

Nach der Art des Ergebnisses unterscheidet man quantitative, semiquantitative und qualitative Untersuchungsverfahren.

  • Quantitative Analysen liefern Messwerte, die mit der jeweiligen Einheit (z.B. mg/l, Units/l) angegeben und in Bezug zu biologischen Referenzbereichen (veraltet: „Normalwerte“) und klinischen Entscheidungsgrenzen bewertet werden. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Analysesysteme für gleiche Analyte unterschiedliche Ergebnisse liefern können und die Referenzbereiche dann unterschiedlich sind.
  • Semiquantitative Ergebnisse stellen skalierte quantitative Ergebnisse dar, die einen groben Hinweis auf die Menge einer Substanz in einer Probe vermitteln, wie z.B. „nicht nachgewiesen“, „positiv“, „+“, „++“, „+++“, oder die ungefähre Angabe der Konzentration eines Analyten (z.B. Harnteststreifen).
  • Qualitative Analyseergebnisse hingegen sind bestimmte Eigenschaften einer Probe, wie z.B. die Blutgruppe oder vorhandene/nicht vorhandene Veränderungen von Zellen in zytologischen oder histopathologischen Präparaten.

Zulassung eines In-vitro-Diagnostikums

Aus regulatorischen Gründen dürfen nur validierte Analysesysteme zur Untersuchung von Proben menschlichen Ursprungs verwendet werden. Ein Labor muss, wenn am Markt erhältlich, vom Hersteller validierte und als CE-IVD gekennzeichnete In-vitro-Diagnostika (IVD) verwenden und muss diese vor Inbetriebnahme nur selbst verifizieren und damit überprüfen, dass das Testsystem auch im eigenen Labor die vom Hersteller angegebenen Leistungsspezifikationen erfüllt. Selbst entwickelte Testsysteme und veränderte CE-IVD gekennzeichnete In-vitro Diagnostika müssen vor der Inbetriebnahme einer Leistungsbewertungsprüfung und Validierung unterzogen werden.

Für das Zulassungsverfahren eines In-vitro-Diagnostikums erstellt der Hersteller die technische Dokumentation für das Testsystem. Diese muss u.a. Angaben zur Zweckbestimmung, zum Testprinzip, zur Risikoklasse, zu den Komponenten (Reagenzien, Primer etc.), zum Referenzbereich, zu den Personengruppen, für die das IVD angewendet werden darf, und zu den vorgesehenen Anwendern enthalten. Je nach vorgesehener Anwendergruppe können Analysensysteme zur professionellen Anwendung (medizinisches Labor), zur patientennahen Anwendung („POCT“) durch medizinisches Fachpersonal (z.B. Blutgasmessung auf der Intensivstation) oder zur Eigen- oder Laienanwendung (z.B. Geräte zur Selbstmessung des Blutzuckers, Schwangerschaftsschnelltests) zugelassen werden.

Eine benannte Stelle überprüft die vom Hersteller erhobenen Daten zur Leistung eines In-vitro-Diagnostikums, die Vollständigkeit der technischen Dokumentation und die Angemessenheit der Angaben im Beipacktext sowie die Eignung des Testsystems zur Anwendung durch vorgesehen Anwender- oder Berufsgruppen und erteilt oder verweigert die Genehmigung, das CE-IVD Zeichen am Testsystem anzubringen. Bei Testsystemen zur patientennahen oder zur Eigen- oder Laienanwendung wird besonders darauf geachtet, dass für den Betrieb weder Laborausbildung noch -erfahrung erforderlich sind, dass die Analyseergebnisse eindeutig ablesbar und verständlich sind und dass auf jegliche fehlerhafte Analysen deutlich hingewiesen wird (z.B. „Error“). Im Fall einer missglückten Analyse dürfen solche Testsysteme neben dem Hinweis auf den Fehler keine Ergebnisse angeben. Für Analysesysteme zur patientennahen oder zur Eigen- oder Laienanwendung sind zusätzliche qualitätssichernde Maßnahmen umzusetzen, wie sie vom Gesetzgeber und vom Hersteller vorgegeben sind.

Regelmäßige Qualitätskontrollen

Betreiber von Analysesystemen sind gesetzlich verpflichtet, qualitätssichernde Maßnahmen zu unterhalten, um die Gültigkeit von Analysenergebnissen sicherzustellen. Dazu gehören Auswahl, Unterweisung und wiederkehrende Überprüfung der Kompetenzen jener Personen, die die Systeme bedienen, die Durchführung vorbeugender Wartungen und die regelmäßige Durchführung interner und externer Qualitätskontrollen zumindest wie vom Hersteller vorgeschrieben. Zeigen die Analyseergebnisse von Qualitätskontrollen Abweichungen von den festgelegten Zielwerten, so muss die Analytik unterbrochen und mögliche Ursachen für die Abweichungen müssen untersucht werden. Erst wenn deren Ursache gefunden und behoben ist und eine nochmalige Messung der Qualitätskontrollen erfolgreich war, darf die Analytik wieder aufgenommen werden. Die Durchführung und die Ergebnisse der qualitätssichernden Maßnahmen müssen ebenso dokumentiert und aufbewahrt werden wie die bei einer Analyse verwendeten Chargen von Reagenzien und die Person, die die Analyse durchgeführt hat.

Risiken und Fehler in der Labordiagnostik

Die wesentlichen Risiken in der Labordiagnostik sind die falsche Vorbereitung der Patientinnen und Patienten, Abnahmefehler, Verwechslungen, Mess- oder Analysefehler und Fehler in der Interpretation von Analyseergebnissen. Jedes dieser Risiken kann zu falschen Interpretationen führen, die wiederum eine falsche medizinische Diagnose zur Folge haben kann, oder – im problematischeren Fall – dazu, dass eine Erkrankung oder ein kritischer Zustand nicht erkannt und behandelt wird. In jedem Fall kann die betroffene Patientin bzw. der betroffene Patient Schaden erleiden.

  • Eine falsche Vorbereitung der Patientin bzw. des Patienten kann zu irreführenden Analyseergebnissen führen. Nicht ausreichend lange Nahrungskarenz vor der Blutabnahme ergibt z.B. zu hohe Glukose- und Fettwerte.
  • Abnahmefehler können sowohl falsches Probenmaterial (z.B. EDTA anstatt Li-Heparin als Antikoagulans) sein, die die entnommene Probe für die Analytik unbrauchbar machen, als auch eine Blutabnahme zur falschen Tageszeit. Eine zur falschen Tageszeit abgenommene Probe kann nicht in Bezug zu den für eine bestimmte Tageszeit erhobenen Referenzwerten (z.B. für bestimmte Hormone) gesetzt werden.
  • Probenverwechslungen kommen vorwiegend dort vor, wo Proben nicht im Labor abgenommen oder die Analytik nicht in patientennaher (POCT) Weise durchgeführt wird. Ein verhältnismäßig häufiges Ereignis ist die Abnahme von Blut in ein Probennahmegefäß, das mit dem Namen einer Person beschriftet ist. Erkennt das Labor die Verwechslung nicht (z.B. durch Auffälligkeiten im zeitlichen Verlauf einzelner Messwerte), so wird ein falscher Befund für diese Patientin bzw. diesen Patienten ausgestellt.
  • Mess- und Analysefehler kommen durch Verwendung von Analysesystemen mit minderer analytischer Leistung und durch mangelnde Qualifikation und Kompetenz der Bedienerinnen bzw. Bediener von Analysesysteme zustande (Fehlbedienung). Neben einer geringen Reproduzierbarkeit von Messergebnissen, unzureichender Sensitivität (Wahrscheinlichkeit des Erkennens erkrankter Personen) und Spezifität (Zuverlässigkeit des Erkennens nicht erkrankter Personen) und Empfindlichkeit gegenüber Störfaktoren sind medizinisch unpassende Nachweisgrenzen eine typische Eigenschaft von Testsystemen mit minderer Leistung.
    Es sei besonders darauf hingewiesen, dass jedes Analyseverfahren eine bestimmte Nachweisgrenze hat und Analyte in einer Probe unter dieser Grenze nicht detektiert werden, auch wenn diese in Spuren (aber eben unter der Nachweisgrenze) vorhanden sind. Die Zweckbestimmung von Analyseverfahren ist der Nachweis und ggf. die Quantifizierung, aber nicht der Ausschluss einer Substanz in einer Probe. Gleiches gilt für Tests zum Nachweis von Infektionserregern. Auch wenn verschiedene Testsysteme sehr unterschiedliche Nachweisgrenzen haben, so ist sie dennoch bei keinem Testsystem gleich null und deshalb kann das Vorhandensein einer Substanz oder von Infektionserregern in einer Konzentration unter der Nachweisgrenze mit Laboranalyseverfahren nicht ausgeschlossen werden. Negative Ergebnisse solcher Analysen dürfen daher nur als „[Substanz oder Erreger] nicht nachgewiesen“ oder „unter Nachweisgrenze“ und nicht mit „negativ“ angegeben werden. Um der Leserin bzw. dem Leser des Ergebnisses eine Einschätzung der Sensitivität des verwendeten Testsystems zu ermöglichen, muss die Nachweisgrenze ebenfalls angegeben werden (z.B. „[Substanz oder Erreger] nicht nachgewiesen, d.h. <25ng/ml“). Beispiele für Mess- und Analysefehler sind falsch negative Analyseergebnisse (fälschlicherweise „[Erreger] nicht nachgewiesen“) oder falsche Messwerte (die nicht die tatsächlichen Konzentrationen von Analyten in der Probe [zu hoch, zu niedrig] angeben und womöglich sogar im biologischen Referenzbereich liegen).
  • Interpretationsfehler können eine notwendige weiterführende Laboranalytik oder weitere diagnostische und/oder therapeutische Schritte verhindern, dies allerdings auch bei korrekten Analyseergebnissen. Der weitverbreitete Irrtum, dass negative Ergebnisse von Antigen- oder PCR-Tests eine vorhandene Infektion ausschließen oder als Nachweis für eine nicht vorhandene Infektion geeignet wären, hat in der Covid-19-Pandemie zu gravierenden Missverständnissen geführt. So könnte auch der jüngst etablierte, aber nicht definierte Begriff „Gesundheitstests“ dahingehend fehlinterpretiert werden, dass Mess- und Analyseergebnisse unter der Nachweisgrenze oder im Referenzbereich Gesundheit bestätigen und damit eine Erkrankung ausschließen könnten. Vor solchen Fehlinterpretationen der Wertigkeit von Mess- und Analyseergebnissen wird hier ausdrücklich gewarnt.

Quelle: „Laborwerte aus dem Blut“, Vortrag am APOkongress, Schladming, 3.3.2024