5. Sep. 2016

“Es geht um unsere Zukunft”

APOTHEKERVERBAND - Im Herbst wird gewählt, doch die selbstständigen Apotheker sind gespalten wie nie zuvor. Der derzeitige Präsident Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri über seine Ziele und die Hintergründe des Konflikts.

 

Herr Dr. Müller-Uri, im September wird der Vorstand des Apothekerverbands gewählt, anschließend das neue Präsidium. Trotz viel Gegenwind stellen Sie sich der Wahl.

 

Ich trete in Niederösterreich an mit dem Ziel, in den Vorstand gewählt zu werden. Ich glaube nicht, dass ich einen Gegenwind bei allen Apothekern habe, im Gegenteil, die Politik, die wir im Verband machen, findet Anerkennung. Zu Beginn meiner Amtsperiode waren 92 Prozent der selbstständigen Apotheker Mitglieder des Verbands, jetzt sind es fast 96. Die letzten Meter sind immer die schwierigsten, also sehe ich hier schon eine große Zustimmung zur vergangenen Arbeit.

 

Im Rückblick auf Ihre Amtsperiode – was ist in den letzten vier Jahren gut gelaufen?

 

Die Apotheke als Gesundheitszentrum einzurichten und zu erhalten. Dazu ist es notwendig, ihre Relevanz im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Die Apothekenrufnummer 1455 war daher ein wichtiges Signal an die Bevölkerung – wir haben 70.000 Anrufe pro Jahr –, genauso wie die Apo-App, die Max Wellan gemeinsam mit mir entwickelt hat. Sie ist die am meisten downgeloadete Gesundheits-App am österreichischen Markt. Damit will ich meine Richtung zeigen: Wir wollen Health Literacy leben und den Menschen Gesundheitsinformationen zukommen lassen, die sie lesen, mit denen sie etwas anfangen und über die sie mit uns diskutieren können.

 

Womit haben Sie intern bei den Apothekern punkten können?

 

Durch Neugestaltung der Nachtdienstturnusse haben wir die Betriebe zeitlich und finanziell entlasten können. Das ist für die Apotheker konkret spürbar und wichtig in einer Zeit, wo die wirtschaftliche Situation schlechter wird. Die Nachtdienste kosten österreichweit 33 Millionen Euro jährlich, ein Bruchteil davon wird durch den Nachtdienstzuschlag abgedeckt. Ein Zuschuss von 15 Millionen Euro könnte die schwierige betriebswirtschaftliche Situation entschärfen wie in Deutschland, wo die öffentliche Hand 50 Prozent zahlt. Das ist meine Forderung, für die ich mich in einer nächsten Amtsperiode einsetzen werde. Die Wirtschaftsverhandlungen sind ein nächster Punkt. Vor meiner Periode eingeführt, haben wir jährlich sechs Millionen Euro als Finanzierungsbeitrag an die Sozialversicherungsträger gezahlt. Dass wir Apotheker heuer keinen Finanzierungsbeitrag zahlen müssen, ist mein Verhandlungserfolg.

 

Sie sagen, ein Drittel der Apotheken schreibt rote Zahlen. Ist das ein Jammern auf hohem Niveau?

 

Nein, die Lage ist prekär. Ich sehe, dass wir aufgrund der alten Strukturen in Bedrängnis sind. Das versuche ich zu ändern. Bei der Kassenspanne gibt es keine Aufwärts- und- Abwärts-Bewegung wie bei den Handelsspannen in anderen Branchen, sondern leider nur eine Abwärtsbewegung. Ein Drittel der Apotheken ist in der Verlustzone insofern, als sie nicht mehr genug Geld erwirtschaften, um leitende Angestellte zahlen zu können. Wir machen 70 Prozent des Umsatzes durch rezeptpflichtige Medikamente. Durch hochpreisige Arzneimittel weisen zwar viele Betriebe Umsatzzuwächse auf, durch die geringen Margen sinken aber die tatsächlichen Erträge. Apotheken, die Zuwächse bei den normalpreisigen Arzneimittel haben, sind sehr dünn gestreut. Eher gibt es Umsatzrückgänge. Das macht uns Sorgen und wir beobachten, dass der Verschuldungsgrad steigt.

 

Wie wollen Sie gegensteuern?

 

Ich möchte die Apotheke als einen dienstleistungsorientierten modernen Betrieb etablieren, ich sehe darin unsere Zukunft, und zwar eine sehr chancenreiche. Konkret konzentrieren wir uns derzeit auf drei Punkte: Präventivmaßnahmen, Medikationsmanagement und die Betreuung chronisch Kranker. Dazu möchte ich die Apotheke institutionalisiert als erste Anlaufstelle für alle Gesundheitsfragen etablieren – auch wenn es nicht unmittelbar um Arzneimittel geht. Mir waren daher Aktionen wie z.B. “Zähne gut, alles gut” und “Wer sich bewegt, gewinnt” ganz wichtig. Wir haben damit die Menschen aufgerufen, zu uns in die Apotheke zu kommen. Das Echo der Leute war toll. Es machen allerdings nicht alle Apotheker gerne bei den Aktionen mit. Sie denken sich, wir werden hier missbraucht. Aber wir werden nicht missbraucht, wir werden gebraucht!

Ich glaube nicht, dass wir künftig allein von den Arzneimittel-Margen, also von der bloßen Arzneimittelabgabe, leben können und wir auch den Menschen gegenüber nicht allein dadurch eine Daseinsberechtigung haben. Unsere wichtigste Aufgabe ist, die Adhärenz zu fördern. Wir müssen das Wirkprofil, das Nebenwirkungsprofil im Zusammenspiel mit den anderen Arzneimitteln kennen, wissen, wie sich der Patient fühlt, und darauf eingehen. Da sehe ich künftig unsere Aufgaben – das ist ein Wandel des Apothekerbildes.

 

Auch für APOdirekt gab es Kritik.

 

APOdirekt ist eine Internetplattform, die über apothekenübliche Produkte informiert. Dabei wollten wir den Internetkunden mit einem “Click-and-Collect-System” den Weg in die Apotheke zeigen. Dieses notwendige technische Tool dem System der Produktplattform voranzustellen, war ein Fehler, weil es damals einfach zu wenig bekannt war. Heute bietet jeder namhaft am Internet vertretene Nahversorger ein solches System an, d.h. das Konzept ist gut und mittlerweile trägt sich APOdirekt selbst. Es sind mehr als die Hälfte der Apotheken mit dabei.

Medikationsmanagement wird von den angestellten Apothekern sehr gut angenommen, bei den Selbstständigen gibt es deutliche Widerstände. Die Leute springen darauf an, viele Apotheker finden es toll. Es kostet allerdings Zeit, im Minimum eine Stunde eines angestellten Pharmazeuten, der aber selbst Geld kostet und in dieser Zeit nicht an der Tara steht und auch nicht zum Umsatz beiträgt. Medikationsmanagement muss also eine Dienstleistung sein, die bezahlt wird, das ist für mich als Selbstständigenvertreter ganz klar.

Die jetzige Übereinkunft mit der Uniqa, wo erstmals im Rahmen eines Pilotprojekts MM honoriert wird (siehe Interview Wellan, Seite 10), ist ein Meilenstein und wird sicher etwas in Bewegung setzen. Es werden andere Versicherungen nachziehen. Die Beratung ist derzeit im Arzneimittelpreis inkludiert, nicht aber die für das Medikationsmanagement nötige Betreuung.

 

Vor dieser Wahl zeichnet sich eine Spaltung im Verband ab. Wodurch unterscheiden Sie sich von der Gruppierung “Die neuen Apotheker” (DNA)?

 

Derzeit ist der Konflikt darüber, in welche Richtung die Apothekerschaft künftig gehen soll, sehr groß. Meine Vorgänger haben den Apotheker im engen Bezug zum Arzneimittel gesehen und entsprechend am margenbasierenden System festhalten wollen. Das ist auch die Haltung der DNA-Vertreter. Wir hingegen wollen zeigen, dass sich ein Wandel in Richtung mehr Dienstleistung abzeichnet, wenn die Apotheken in Zukunft bestehen wollen. Ich möchte, dass wir künftig in den Apotheken Prävention, Disease Management für chronisch Kranke und Medikationsmanagement nicht nur in einzelnen Aktionen und Pilots, sondern ständig leben können.

Selbstverständlich müssen diese Dienstleistungen honoriert werden, wenn wir davon leben wollen. Zuerst müssen wir aber zeigen, dass wir das auch können und es den Leuten etwas bringt. Viele Apotheker haben das erkannt und sind mit großem Engagement mit dabei. Letztendlich müssen die Sozialversicherungsträger die richtige Rechnung machen. Arzneimittel brauchen zur sinnvollen Anwendung auch die richtigen Dienstleistungen rundherum.

Heftiger Schlagabtausch

Im Apothekerverband begann der “Kampf um die Macht” bereits Anfang 2013, als sich, angeführt von Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr (Apothekerkammer OÖ), der “Salon A” in Stellung brachte. Heute kämpfen sie und ihre Mitstreiter unter dem Namen “Die neuen Apotheker” um den Einzug in den Verbandsvorstand. Abspaltungen der “Neuen Apotheker” gibt es sowohl in Tirol, als auch in der Steiermark. In Wien hat man sich unter dem Namen “Wir Wiener Apotheker” zusammengefunden.
Apropos Wien, dort tobt der Wahlkampf derzeit wohl am heftigsten. Unter dem Namen “Unser Team für Wien” haben sich prominente Namen des aktuellen Verbandsvorstandes zusammengefunden und liefern sich mit der Gruppe “Wir Wiener Apotheker” einen heftigen Schlagabtausch.