4. Juli 2019

Levothyroxin: Formulierung neu, Wirkstoff stabil

Verschreibungspflichtige Medizin für unteraktive Schilddrüse
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2017 kam es in Frankreich nach der Umstellung der Hilfsstoffe von Euthyrox zu einem Aufruhr unter den Patienten. Nun erfolgt die Umstellung auch in Österreich. Die AGES beruhigt, das Arzneimittel ist sicher.

Im Sommer 2017 schlugen französische Patienten Alarm: Sie erhielten seit Kurzem ihr gewohntes Schilddrüsenmedikament (F: Levothyrox®) in einer neuen Formulierung. Der Hilfsstoff Laktose war im März durch Mannitol und Zitronensäure ersetzt worden. Nun klagten sie über vermehrt auftretende Nebenwirkungen. Schließlich griffen die Medien das Thema auf und hunderttausende Patienten unterschrieben eine Petition für die Wiedereinführung der alten Formulierung.1 Schließlich gab das französische Gesundheitsministerium bekannt, dass das Medikament mit der alten Formulierung in Frankreich vorübergehend auch weiter erhältlich sein wird.2

Höhere Stabilität gefordert

Dr. Christoph Baumgärtel, AGES

Hintergrund der Änderung der Formulierung war eine Aufforderung der französischen Arzneimittelbehörde (ANSM) aus dem Jahr 2012. Konkret wurde eine engere Wirkstoffspezifikation von Levothyroxin-Tabletten gefordert, um eine bessere Stabilität des Wirkstoffes zu erreichen. Denn Levothyroxin weist nicht nur eine relativ geringe therapeutische Breite bei der Behandlung von Schilddrüsenunterfunktionsstörungen auf, sondern ist gleichzeitig, chemisch gesehen, äußerst empfindlich.3 Die neu festgelegten Grenzen des deklarierten Arzneistoffgehaltes sind 95 bis 105 Prozent, statt der 90 bis 110 Prozent bei den alten Tabletten.4 Die neue Formulierung verbessert somit die Stabilität des Arzneistoffs Levothyroxin und erlaubt die Einhaltung der engeren Grenzen für den Arzneistoffgehalt über den gesamten Haltbarkeitszeitraum des Arzneimittels.5 Dazu Dr. Christoph Baumgärtel, Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen: „Das bedeutet, dass die Patienten nach der Umstellung auf die neue Formulierung eine noch konstantere Wirkstoffdosis für die Therapie ihrer Schilddrüsenerkrankung erhalten und damit die Risiken einer Unter- oder Überdosierung von Levothyroxin in Bezug auf Wirkstoffgehaltsschwankungen vermindert werden können.“ In der neuen Formulierung bleibt der Wirkstoff in der Tablette somit über den gesamten Haltbarkeitszeitraum von drei Jahren stabil.
Die verwendeten neuen Hilfsstoffe Mannitol und Zitronensäure sind sowohl in der Arzneimittelherstellung als auch in der Herstellung von Lebensmitteln seit langer Zeit im Einsatz und entsprechen den Vorgaben des Europäischen Arzneibuches (Ph. Eur.).

Ausführliche Prüfung

Nach dem Aufruhr in Frankreich leiteten die Europäische Arzneimittelagentur EMA, das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), das der hauptbewertende Referenzstaat in der Zulassung war, sowie 20 weitere EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, ein Bewertungsverfahren ein, um die Änderung der Zusammensetzung des Arzneimittels und die Situation in Frankreich zu beurteilen.6
„Es stellte sich heraus, dass 1,43 Prozent der mit der neuen Formulierung behandelten Patienten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet haben“, berichtet Baumgärtel, „Eine Analyse der Meldungen durch das ANSM zeigte jedoch, dass das klinische Profil der neuen Nebenwirkungsmeldungen jenem der alten Formulierung beziehungsweise dem anderer levothyroxinhaltiger Arzneispezialitäten entspricht.“ Auch die Beurteilung durch die EMA, das BfArM und die 20 weiteren Mitgliedsstaaten fiel eindeutig aus. „Sie alle teilten die Ansicht, dass sich die Nebenwirkungsprofile der beiden Formulierungen nicht unterscheiden“, so der Experte.

Auch in Frankreich legte sich der Sturm – heute wird nur noch die neue Formulierung ausgeliefert.

Auslieferung in Österreich

Nun hat die Herstellerfirma begonnen, auch in Österreich die Tabletten mit der neuen Formulierung auszuliefern. „Wie vom PRAC vorgeschlagen wurde nun auch für Österreich eine Kommunikationsstrategie über die Umstellung festgelegt“, erklärt Baumgärtel, „im Zuge derer die Ärzte und Apotheker vorab über die Formulierungsänderung ausreichend informiert werden sollen, um das mögliche Risiko einer Unter- oder Überdosierung zu minimieren und den Patienten mittels adäquater Informationen eine mögliche Verunsicherung durch die Umstellung nehmen zu können.“

Weitere Informationen sowie ein spezielles Informationsblatt für Patienten können auf der Homepage www.euthyrox.at abgerufen oder telefonisch unter 0800 220362 bei Merck bestellt werden.

1 ANSM: L’ANSM publie les resultats des enquetes nationales de pharmacovigilance sur les specialites a base de levothyroxine – Communique, 06.07.2018
2 aerzteblatt.de: Frankreich: Patienten siegen im Streit um Schilddrüsenhormone. 02.10.2018
3 Schmiedel K: Störanfällige Levothyroxin-Therapie, DAZ 2017, Nr. 7, S. 50, 16.02.2017
4 Agence Française de Sécrurité Sanitaire des Produits de Santé 2012. Commission Nationale de Pharmacovigilance. Compte rendu de la réunion du mardi 27 Mars 2012, France
5 Gottwald-Hostalek U. et al.: Curr Med Res Opin., 2017; 33(2): 169–174
6 Paesler J., Firzler M., Grüger T.: Einführung einer geänderten Formulierung von Levothyroxin-Tabletten der Firma Merck (Euthyrox®), Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Information aus BfArM und PEI, 09.2018, Ausgabe 3: 410