PMKD: Neue Autoinflammationsstörung entdeckt
Forschenden aus Innsbruck und Wien ist es in Kooperation gelungen, mit der Phosphomevalonatkinase-Defizienz (PMKD) eine neue, seltene Autoinflammationsstörung zu bestimmen. Die Forschungsergebnisse von Univ.-Prof. Mag. Dipl. oec. med. Dr. Jürgen Brunner (Medizinische Universität Innsbruck) und Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Kaan Boztug (St. Anna Kinderkrebsforschung) wurden im hochrangigen Journal of Allergy and Clinical Immunology publiziert.
medonline: Welche sind die häufigsten und relevantesten Autoinflammationsstörungen?
Jürgen Brunner: Eine der häufigsten dieser generell seltenen Erkrankungen ist das familiäre Mittelmeerfieber, welches insbesondere in der Türkei und Armenien, aber auch in Südeuropa vorkommt. Im Zusammenhang mit den Autoinflammationsstörungen ist auch noch der Morbus Still, die systemische Verlaufsform der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA), zu erwähnen.
Die übrigen Autoinflammationsstörungen gehören zu den sehr seltenen Erkrankungen, sodass keine genaue Inzidenz oder Prävalenz benannt werden kann.
Mit der Phosphomevalonatkinase-Defizienz (PMKD) wurde an der Medizinischen Universität Innsbruck und an der St. Anna Kinderkrebsforschung Wien nun eine neue Autoinflammationsstörung identifiziert. Wie kam es dazu?
Initiator der Forschungen ist eine damals einjährige Patientin türkischer Herkunft gewesen, die mit den Leitsymptomen einer Panzytopenie vorstellig und zur ersten Abklärung in der pädiatrischen Onkologie untersucht wurde. Es kam zu immer wiederkehrenden Fieberepisoden mit Bläschen im Mund und einer Vergrößerung der Leber. Im Labor zeigten sich deutlich erhöhte Entzündungszeichen, die an eine Autoinflammationsstörung denken ließen. Eine entsprechende Diagnostik wurde in die Wege geleitet. Differenzialdiagnostisch wurde unter anderem an das Vorliegen einer Mevalonatkinase-Defizienz (Hyper-IgD-Syndrom, Dutch fever) gedacht. Die diesbezügliche molekulargenetische Diagnostik war jedoch unauffällig. Es konnte keine Veränderung auf dem MVK-Gen gefunden werden.
Wie konnte die neue Erkrankung schlussendlich bestätigt werden?
An diesem Punkt wurde unser langjähriger Kooperationspartner Kaan Boztug involviert, der eine Exom-Sequenzierung durchführte. Mit seinem Team an der St. Anna Kinderkrebsforschung wurden schließlich Veränderungen im Gen der Phosphomevalonatkinase (PMVK) detektiert, also dem Folgeenzym nach der Mevalonatkinase im Cholesterolstoffwechselweg. An dieser Stelle wurde klar, dass wir auf etwas Neues gestoßen waren. Es wurden Genuntersuchungen bei den Familienmitgliedern durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Patientin eine homozygote Trägerin war, während die Eltern und Geschwister eine heterozygote Trägerschaft aufwiesen. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Wien und Amsterdam wurden dann funktionelle Untersuchungen gemacht. Während bei der Patientin die Konzentration der Mevalonatkinase im Normalbereich lag, war die Phosphomevalonatkinase nicht nachweisbar. Damit war der Beweis erbracht, dass die genetische Veränderung die Ursache für das Krankheitsbild war. Es ist davon auszugehen, dass noch weitere Menschen weltweit von dieser Erkrankung betroffen sind. Es gibt aktuell 2 mögliche weitere Fälle in der Türkei und in Deutschland, die noch in der diagnostischen Phase sind.
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Kaan Boztug, St. Anna Kinderkrebsforschung; Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien; Hämatologie und Onkologie/Immunologie, St. Anna Kinderspital; CeMM-Forschungszentrum
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es und wie schätzen Sie die Prognose ein?
Der therapeutische Ansatz ist die Hemmung des proinflammatorischen Zytokins Interleukin-1. Hierfür sind in Europa 2 Medikamente zugelassen – zum einen Anakinra, welches täglich subkutan gespritzt werden muss, und der monoklonale Antikörper Canakinumab, der einmal monatlich verabreicht wird und den die Patientin erhält. Ihr geht es damit klinisch sehr gut. Die Prognose wird als gut eingeschätzt, nachdem die Behandlung bislang erfolgreich ist.
Was ist die Conclusio des von Ihnen publizierten Papers?
Die Conclusio ist, dass bei der Abklärung von periodischen Fiebersyndromen künftig auch ein PMVK-Defekt als Ursache bedacht und in die molekulargenetische Diagnostik miteinbezogen werden sollte.
Was sind Ihre Wünsche in Bezug auf Autoinflammationsstörungen für die Zukunft?
Ich wünsche mir eine überregionale und internationale Zusammenarbeit der Institutionen, wie wir es beispielhaft gezeigt haben, um neue Erkrankungen zu beschreiben und Betroffenen mit den entsprechenden Medikamenten hilfreich zur Seite zu stehen. Alle Kolleginnen und Kollegen, die Patientinnen und Patienten mit autoinflammatorischen Erkrankungen betreuen, sollten sich an den entsprechenden Registern (EUROFEVER und ESID) beteiligen, weil daraus sehr wichtige Erkenntnisse über diese sehr seltenen Erkrankungen gewonnen werden können.
Vielen Dank für das Gespräch!