
Frühgeborene: Hautkontakt senkt psychische Belastung der Eltern
Für Eltern von Frühgeborenen spielt Hautkontakt eine entscheidende Rolle, da er ihnen helfen kann, die enorme psychische Belastung besser zu bewältigen. Vor allem die ersten Stunden nach der Geburt gelten als besonders sensible Phase für die Entstehung von Bindung und für die emotionale Stabilität. Eine aktuelle Studie (1) weist darauf hin, dass früher Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Eltern und Kind nachweislich die Belastung von Müttern und Vätern reduzieren kann.

Eltern von Frühgeborenen leiden häufig an Stress, Depressionen und Angststörungen. Ihre psychische Gesundheit ist jedoch für die kindliche Entwicklung und die Eltern-Kind-Beziehung enorm wichtig. Haut-zu-Haut-Kontakt (Skin-to-Skin Contact, SSC) zwischen Eltern und ihrem Kind fördert die Bindung und hilft, die psychische Situation der Eltern zu stabilisieren.
Frühere Studien zeigten, dass SSC depressive Symptome und Angstzustände – insbesondere bei Müttern – reduzieren kann. Forscher führen diese Wirkung sowohl auf hormonelle (z.B. Anstieg von Oxytozin) und psychologische Mechanismen (z.B. Stärkung der elterlichen Rolle) zurück. Sie vermuten, dass SCS direkt nach der Geburt besonders effektiv sein könnte.
Die Immediate Parent-Infant Skin-to-Skin Study war eine randomisierte klinische Studie. Sie fand zwischen 2018 und 2021 an drei Neugeborenen-Intensivstationen in Schweden und Norwegen statt. An der Studie nahmen insgesamt 91 sehr frühgeborene Kinder (davon 36 Zwillinge) und 146 Elternteile teil. Das durchschnittliche Gestationsalter betrug 31 + 1 Schwangerschaftswochen, das mittlere Geburtsgewicht lag bei 1534 g.
In der SSC-Interventionsgruppe begann der Hautkontakt unmittelbar nach der Geburt und dauerte bis zu sechs Stunden. Die der Kontrollgruppe zugeteilten Frühgeborenen erhielten die standardmäßige Inkubatorpflege. Bei ihnen kam es erst zu einem späteren Zeitpunkt zum Hautkontakt.
Mithilfe von verschiedenen Scores bewerteten die Wissenschaftler die psychische Gesundheit der Eltern. Sie erhoben die Daten an vier verschiedenen Zeitpunkten:
- sieben Tage post partum,
- am errechneten Geburtstermin,
- nach drei bis vier Monaten sowie
- nach zwölf Monaten korrigierten Alters.
Weniger Ängste und Depressionen bei Eltern
Unabhängig von der Gruppenzuteilung waren die Werte für Depression und Angst bei beiden Elternteilen kurz nach der Geburt am höchsten und nahmen im Zeitverlauf ab.
Die Daten belegten den positiven Effekt von SSC unmittelbar nach der Geburt. Die Mütter der SSC-Gruppe wiesen eine Woche nach der Geburt signifikant weniger depressive Symptome auf, während die Väter zu diesem Zeitpunkt signifikant seltener Angstsymptome hatten. Am errechneten Geburtstermin litten die Väter deutlich seltener an Angstzuständen und depressiven Symptomen.
Ab dem dritten bis vierten Monat zeigten sich keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Gruppen.
In den ersten 72 Stunden nach der Geburt sowie innerhalb der ersten acht Lebenstage hatten Eltern und Kinder der SSC-Gruppe deutlich mehr Hautkontakt als in der Kontrollgruppe.
Den größten Unterschied zeigten dabei die Väter: Sie verbrachten im Median doppelt so viel Zeit in Hautkontakt mit ihrem frühgeborenen Kind. Von den Müttern, die innerhalb der ersten sechs Stunden keinen SSC mit ihren Kindern hatten, hatte die Mehrheit einen Kaiserschnitt hinter sich.
Hautkontakt direkt nach Geburt ausschlaggebend
Interessanterweise wirkte sich die Dauer des Körperkontakts nicht signifikant auf das psychische Wohlbefunden der Eltern aus. Entscheidend war vielmehr der frühe Beginn des Hautkontakts direkt nach der Geburt.
Dies spricht dafür, dass die Phase unmittelbar nach der Geburt besonders sensibel ist. Dass der Effekt besonders bei Vätern ausgeprägt war, führen die Wissenschaftler unter anderem auf die intensive Beteiligung der Väter zurück. Vätern ermöglicht der SSC eine aktivere Rolle in einer Phase, in der sie sonst wenig Handlungsspielraum haben.
Mütter profitierten ebenfalls, jedoch war der Effekt auf eine frühe Phase begrenzt. Viele Mütter konnten infolge des Kaiserschnitts keinen frühen Hautkontakt leisten.
Die Autoren betonten deshalb die Notwendigkeit, Mütter und Frühgeborene von Geburt an gemeinsam zu betreuen – auch nach einem Kaiserschnitt. (1)
Sie empfehlen außerdem, den frühen Hautkontakt zwischen Eltern und Frühgeborenen im klinischen Alltag zu fördern und neben der notwendigen pflegerischen und medizinischen Versorgung aktiv zu unterstützen. (1)
- Lilliesköld S et al. Skin-to-skin contact at birth for very preterm infants and symptoms of depression and anxiety in parents during the first year - A secondary outcome of a randomized clinical trial. J Affect Disord. 2025; 383: 323–332. doi: 10.1016/j.jad.2025.04.160.