23. Juni 2025Zu viel Behaarung bei Mädchen und Adoleszentinnen

Hypertrichose und Hirsutismus bei Mädchen – nicht nur ein kosmetisches Problem

Zu viele Haare machen Jugendliche unglücklich und beunruhigen Eltern von kleinen Kindern. Dr. Esther M. Nitsche aus Lübeck erklärte am Gynea-Symposium die Ursachen von Hypertrichose und Hirsutismus sowie die Abklärung und Behandlung übermäßiger Behaarung.

Eine übermässige Behaarung ist für Betroffene immer ein Problem.
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In der Praxis von Dr. Nitsche, einer niedergelassenen Pädiaterin und Kinderendokrinologin, haben sich die Konsultationen wegen übermäßiger Behaarung zwischen 2003 und 2023 verzehnfacht. Diese Zunahme ist teilweise auf soziale Medien zurückzuführen, die den Trend "alle Haare müssen weg" fördern. Betroffene leiden jedoch auch unabhängig davon unter ihrer übermäßigen Behaarung.

Unterschiedliche Arten von Behaarung

Es gibt verschiedene Arten von Haaren: Das fetale Lanugohaar ist meist unpigmentiert und bedeckt den gesamten Körper außer den Handflächen und Fußsohlen. Nach wenigen Wochen verschwindet es und wird durch das Vellushaar ersetzt. Dieses ist zart, weich und hell und fällt kaum auf. Terminalhaare hingegen sind gröber, dunkler und auffälliger. Dazu gehören Kopfhaare, Augenbrauen sowie Achsel-, Scham- und Barthaare. "Vellushaare sind, anders als Terminalhaare, nicht endokrinologisch bedingt. Trotzdem können sie pathologisch sein", erklärt Dr. Nitsche.

Hypertrichose: Stark vermehrte Vellus-Behaarung

Eine stark vermehrte Vellus-Körperbehaarung wird als Hypertrichose bezeichnet. Sie ist oft familiär vererbt und kann generalisiert oder lokalisiert auftreten. Eine generalisierte Hypertrichose in Kombination mit einer Gingivahyperplasie kann auf eine syndromale Erkrankung hinweisen, die mit Epilepsie und mentaler Retardierung einhergeht.

Eine auf die Ellbogen beschränkte Hypertrichose kann mit Kleinwuchs assoziiert sein, während eine auf den vorderen Halsbereich beschränkte Hypertrichose auf eine Skoliose oder periphere Neuropathie hinweisen kann. Eine sakral begrenzte Hypertrichose kann auf eine Spina bifida oder ein Tethered-Cord-Syndrom hinweisen und erfordert eine sonografische oder röntgenologische Abklärung.

Die meisten sekundären Hypertrichosen sind medikamentös bedingt, zum Beispiel durch Kortikosteroide oder Antibiotika. Eine Insulinrezeptormutation kann ebenfalls eine Ursache sein und tritt oft zusammen mit Hirsutismus auf. Weitere mögliche Ursachen sind Schilddrüsenfunktionsstörungen, eine Myelomeningocele oder Anorexie.

Pubarche und Hirsutismus immer abklären

Hirsutismus sind meist durch Androgene induziert. Bei präpubertären Kindern kann eine Hyperandrogenämie zu einer vorzeitigen Pubarche, einem vorzeitigen Epiphysenfugen-Verschluss und langfristig zu Kleinwuchs führen.

Ab der Pubertät sind Androgene die häufigste Ursache für Hirsutismus, Akne, Seborrhoe, Virilisierung und Oligo/Amenorrhö. Vorzeitige Pubarche und Hirsutismus müssen zwingend abgeklärt werden, da sie immer Zeichen einer Hormonstörung sind.

Hirsutismus betrifft typischerweise androgen-beeinflusste Stellen wie Oberlippen, Wangen, Kinn, Genitale und Oberschenkel. Unter Androgen-Einfluss kann sich feines Vellushaar in kräftiges, dunkles Terminalhaar umwandeln. Der Ferriman-Gallwey-Score, der zur Beurteilung von Hirsutismus verwendet wird, ist für Kinder nur bedingt hilfreich. In der Pädiatrie wird der Score deshalb mehrmals bestimmt. Eine Zunahme des Schweregrads weist auf Hirsutismus hin.

Die häufigsten Ursachen für eine Androgen-induzierte pathologische Behaarung sind:

  • late-onset Adrenogenitales Syndrom (AGS),
  • polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS),
  • Übergewicht oder Adipositas.

Auch ein Cushing-Syndrom, eine Schwangerschaft und Medikamente wie Antiepileptika oder Anabolika können Ursachen sein.

Ein androgenproduzierender Tumor ist eine seltene, aber ernstzunehmende Ursache, da er zu 50 Prozent maligne ist.

Therapie bei Hypertrichose und Hirsutismus

Die Behandlung einer Hypertrichose erfolgt ausschließlich kosmetisch. Mögliche Optionen sind das Bleichen von Gesichtshaaren, die Haarentfernung mit Wachs, Cremes, Elektrolyse oder Laser.

Die Behandlung des Hirsutismus hängt von der Ursache ab. Bei einem PCOS sind Lebensstilmassnahmen und eine antiandrogene Pille die erste Wahl, bei einem AGS Glukokortikoide. Zusätzlich können auch bei Hirsutismus kosmetische Optionen sinnvoll sein.