
Neue Behandlungsoptionen bei Rifampicin-resistenter Tuberkulose
Rifampicin ist eines der wichtigsten Medikamente in der Tuberkulose-Therapie. Aber was, wenn Rifampicin nicht mehr wirkt? Die Rifampicin-resistente Tuberkulose stellt Ärzte vor erhebliche Herausforderungen. Der Bedarf an kurzen, einfachen und wirksamen Therapieregimen ist groß. Eine neue Studie prüfte die Wirksamkeit von fünf neuen, rein oralen Behandlungsregimen bei Rifampicin-resistenter Tuberkulose.

Die Rifampicin-resistente Tuberkulose stellt heutzutage eine globale Gesundheitsbedrohung dar. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken jährlich 410.000 Menschen daran. Nur 40% der Fälle werden überhaupt diagnostiziert und bei zwei Dritteln davon ist die Behandlung erfolgreich.
Jahrzehntelang war die Therapie langwierig, schlecht wirksam und mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden. Besonders schlecht waren die Ergebnisse bei den Patienten, die mit einem 18–24-monatigen Regime behandelt wurden. In den letzten Jahren untersuchten daher verschiedene multinationale Studien neue kürzere und orale Therapieransätze.
Seit 2022 empfiehlt die WHO die Behandlung mit Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid, Moxifloxacin (sogenanntes BPaLM-Regime) als Standardtherapie bei Rifampicin-resistenter Tuberkulose. Die Behandlung dauert sechs Monate und eignet sich für nichtschwangere Patienten, die älter als 13 Jahre sind.
Die endTB-Studie (evaluating newly approved drugs for multidrug-resistant tuberculosis) untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von fünf neuen Behandlungsregimes bei Rifampicin-resistenter Tuberkulose im Vergleich zum Therapiestandard. Die Therapie war rein oral und dauerte neun Monate.
Zum Einsatz kamen einerseits moderne Medikamente wie Bedaquilin und Delamanid, andererseits auch Medikamente, die ursprünglich für eine andere Indikation entwickelt worden waren, wie Clofazimin und Linezolid. Es handelte sich um eine randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie. 784 Patienten aus acht Ländern mit einer hohen Tuberkulose-Rate nahmen daran teil.
Die Probanden waren mindestens 15 Jahre alt und hatten eine bestätigte Fluorchinolon-sensitive, Rifampicin-resistente Lungentuberkulose. Der HIV-Status und die CD4-Lymphozytenzahl spielten für die Studienteilnahme keine Rolle. Ausgeschlossen wurden u.a. Personen, die in der Vergangenheit bereits mit einem der eingesetzten Medikamente behandelt worden waren.
Vorteile durch Art der Randomisierung
Die Studie verwendete ein adaptives Randomisierungsverfahren (bayesian response-adaptive randomization), das die Patienten abhängig von den laufenden Ergebnissen einem Behandlungsarm zuordnete. Es gelang den Forschern damit, mehrere Regime gleichzeitig zu untersuchen und potenziell vorteilhafte Therapien schneller zu identifizieren. Dadurch stieg die Wahrscheinlichkeit für die Patienten, dem effektiveren Behandlungsarm zugeordnet zu werden.
Die Therapieregimes umfassten Kombinationen aus vier oder fünf der folgenden Medikamente:
- Bedaquilin (B),
- Delamanid (D),
- Clofazimin (C),
- Linezolid (L),
- Levofloxacin (Lfx) oder
- Moxifloxacin (M) sowie
- Pyrazinamid (P).
Die untersuchten Kombinationen waren BLMZ, BCLLfxZ, BDLLfxZ, DCLLfxZ und DCMZ.
Die Patienten erhielten die Medikamente über neun Monate (39 Wochen). Die Standardtherapie entsprach der damals gültigen WHO-Empfehlung und dauerte 18 bis 24 Monate.
Auch unter der Standardtherapie erhielten die Studienteilnehmer u. a. die neuen Wirkstoffe Bedaquilin und Delamanid. Die Patienten nahmen die Medikamente täglich ein und wurden dabei an sechs von sieben Tagen direkt beobachtet. Die Dosis von Linezolid wurde spätestens ab der Woche 16 reduziert, bei toxischen Nebenwirkungen auch schon früher.
Der primäre Endpunkt war ein günstiges Behandlungsergebnis in Woche 73. Das bedeutete einerseits, dass bis dahin keine ungünstigen Effekte eingetreten waren. Hierzu zählten z. B. eine Therapieänderung, ein Therapieabbruch oder der Tod des Patienten.
Andererseits mussten entweder zwei aufeinanderfolgende Sputum-Kulturen negativ sein (davon mindestens eine zwischen Woche 65 und 73) oder die Patienten insgesamt eine Besserung aufweisen.
Eine Besserung entsprach einer günstigen bakteriellen, radiologischen und klinischen Entwicklung. Weitere Endpunkte betrafen die Wirksamkeit zu einem anderen Zeitpunkt (in Woche 39 und 104) sowie das Auftreten von schweren Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse Grad 3 oder höher).
Drei rein orale Regimes überzeugten bei Rifampicin-resistenter Tuberkulose
Die Forscher untersuchten 699 der 754 randomisierten Teilnehmer in einer modifizierten Intention-to-Treat-Analyse und 562 Teilnehmer in einer Per-Protokoll-Analyse. Dabei erzielte die Standardtherapie günstige Behandlungsergebnisse bei 80,7% der Patienten in der modifizierten Intention-to-Treat-Population und bei 95,9% in der Per-Protokoll-Population.
Vier der getesteten experimentellen Regimes (BCLLfxZ, BLMZ, BDLLfxZ und DCMZ) erwiesen sich in der Intention-to-Treat-Gruppe im Vergleich zur Standardtherapie als nicht unterlegen. Nicht unterlegen war ein Regime dann, wenn sich das Risiko um weniger als zwölf Prozentpunkte von der Standardtherapie unterschied.
Die Risikodifferenzen zwischen den getesteten Therapieregimen in der Intention-to-Treat-Analyse und der Standardtherapie lagen zwischen 2,5 (DCMZ) und 9,8 (BCLLfxZ) Prozentpunkten. Das DCLLfx-Regime war in der modifizierten Intention-to-Treat-Gruppe unterlegen.
In der Per-Protokoll-Gruppe waren die Ergebnisse ähnlich. Mit einer Ausnahme: Hier war das DCMZ-Regime unterlegen.
Damit waren die beiden Bedaquilin-freien Regimes (DCMZ und DCLLfxZ) insgesamt weniger wirksam als die Standardtherapie, die ebenfalls häufig Bedaquilin enthält.
Ähnliches Sicherheitsprofil zwischen den Gruppen
In puncto Sicherheit gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den experimentellen Regimes und der Standardtherapie. Unerwünschte Ereignisse waren insgesamt häufig.
Die Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse lag zwischen 54,8% und 61,4% bei den experimentellen Regimes und bei 62,7% unter Standardtherapie.
Auffällig war, dass schwere hepatotoxische Ereignisse in den experimentellen Gruppen (mit Ausnahme des BDLLfxZ-Regimes) häufiger waren. Die Forscher nehmen an, dass ein Alkoholabusus oder eine aktive Hepatitis B/C, die bei manchen Patienten bestanden haben, die hepatotoxische Wirkung von Pyrazinamid, Bedaquilin, Fluorchinolonen und Linezolid verstärken können.
Weiters waren hämatotoxische Nebenwirkungen (Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie) und eine periphere Neuropathie in allen Gruppen zu beobachten.
Unter Linezolid waren toxische Effekte seltener. Dies kann daran liegen, dass die Dosis von Linezolid ab Woche 16 ohnehin routinemäßig reduziert wurde.
Relevante QT-Zeit-Verlängerungen waren selten und traten nur in Kombinationen mit Clofazimin und entweder Bedaquilin oder Moxifloxacin auf.
Die Sterblichkeitsrate war in allen Behandlungsarmen ähnlich (ca. 2,0–2,4%). Es gab keine Todesfälle als direkte Folge der verabreichten Medikamente.
In dieser Studie konnten also drei kürzere und rein orale Therapieregimes (BLMZ, BCLLfxZ und BDLLfxZ) überzeugen. In Woche 73 waren die Behandlungsergebnisse in allen drei Regimen bei über 85% der Patienten günstig.
Das ist deutlich besser als der globale Durchschnitt und entspricht in etwa den Ergebnissen aus der Studie mit dem BPaLM-Regime. Allerdings haben die drei neuen Therapieregime einen wesentlichen Pluspunkt, denn sie sind bei nahezu allen Erwachsenen, Kindern und Schwangeren mit Fluorchinolon-sensitiver, Rifampicin-resistenter Tuberkulose anwendbar. Für Kinder gibt es entsprechende Formulierungen.