13. März 2025Gemeinsame embryonale Ursprünge von Haut und Gehirn

Rätselhafte Haut: viel mehr als nur ein Tastorgan

Die Haut ist nicht nur das größte Organ des Menschen, sie wird auch bei weitem nicht vollständig verstanden. So schützt sie nicht nur vor schädlichen Einflüssen aus der Umwelt, sondern spielt auch eine wichtige Rolle im Alterungsprozess und erweist sich zunehmend als komplexes Sinnesorgan, das viel mehr kann als nur tasten.

Makroaufnahme von zu Berge stehenden Haaren vor einem dunklen Hintergrund
Foto: kinomaster/AdobeStock
Akustische Signale beeinflussen Barrierefunktion und Metabolismus der Haut.

Die Haut birgt nach wie vor eine Reihe von Geheimnissen, die weit über die Barriere-Funktion hinausgehen, berichtet Prof. Dr. Peter Elias, University of California, San Francisco. Wir wissen, dass sie unseren Körper vor Austrocknung schützt und dass die Haut auf Störungen der Barrierefunktion mit schnellen und intensiven Reparaturmaßnahmen reagiert.

Auch die Grundstruktur nach dem Prinzip „Ziegel und Mörtel“ ist bekannt. Die Corneozyten des Stratum corneum bilden dabei die Ziegel, die extrazelluläre Matrix erfüllt die Funktion des Mörtels. Dabei spielen die Lipide Cholesterin, freie Fettsäuren und Ceramide wichtige Rollen. In diesen Strukturen sind die Vorstufen von Interleukin-1-alpha und -beta enthalten, die im Fall von Schädigungen als Alarmine fungieren und Entzündungsreaktionen auslösen. Die Hautoberfläche ist sauer.

Viele Fragezeichen

Prof. Elias weist jedoch auf die vielen Lücken und Fragezeichen im aktuellen Wissen zur Hautbarriere hin. Bekannt und naheliegend ist der protektive Effekt von Pigmentierung gegen Schäden durch UV-Strahlung.

„Weniger bekannt ist“, so Prof. Elias, „dass stärkere Pigmentierung die Dosis-Wirkungsbeziehung von UV-Strahlung von toxisch in Richtung günstig verschiebt. Bei stärker pigmentierter Haut erhöht Sonnenlicht die Permeabilität und verstärkt die Abwehr von Infekten.“ Darüber hinaus trägt die Pigmentierung zum sauren Milieu auf der Haut bei.

Zu den offenen Fragen zählen der parakrine Einfluss der Melanozyten auf die Keratinozyten. Weiters ist nicht bekannt, ob und in welcher Weise Anforderungen an die Hautbarriere ihrerseits Einfluss auf die Pigmentierung haben.

Helle Haut als Selektionsvorteil

Zusammenhänge zwischen Ethnizität und Pigmentierung sind evident, allerdings weist Prof. Elias darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Pigmentierung und geographischer Breite viel weniger klar ist als häufig angenommen.

So leben in Indien relativ hellhäutige Menschen in Regionen, die bis fast an den Äquator reichen, während in Afrika und Australien auch weit im Süden, also in gemäßigten Regionen, bei der indigenen Bevölkerung starke Pigmentierung vorherrscht.

Lediglich in Europa und insbesondere in Nordeuropa habe die Gefahr von Vitamin-D-Mangel Menschen mit sehr schwach pigmentierter Haut begünstigt, sofern sich diese Populationen nicht für eine Ernährung auf Basis von Fisch und Meeresfrüchten entschieden.

Für die (im Vergleich zum Rest der Menschheit) ungewöhnlich schwache Pigmentierung der Nordeuropäer sind zwei Mutationen verantwortlich. Eine davon betrifft Filaggrin, prädestiniert zur Entwicklung einer atopischen Dermatitis und führt zu reduzierter Expression von trans-Urocaninsäure, einer wichtigen photoprotektiven Substanz in der Haut. Die zweite betrifft das Enzym 7-Dehydrocholesterol Reduktase und erhöht die Produktion von Vitamin-D-Vorstufen, aus denen Vitamin D gebildet werden kann.

Prinzip der metabolischen Konservierung

Zur Reduktion der Pigmentierung im Norden trägt auch das Prinzip der „metabolischen Konservierung“ bei, so Prof. Elias. Dieses Prinzip sagt aus, dass der Organismus keine Energie auf verzichtbare Prozesse verwendet. Pigmentierung erfordere relativ hohen Energieaufwand und werde daher überall dort eingespart, wo mangels UV-Strahlung kein Bedarf besteht.

Darüber hinaus könne man sich im Norden auch eine schwächere Hautbarriere erlauben*, da das Klima nicht nur kühler, sondern auch feuchter sei und sich unter Kleidung ein feuchtes Milieu bilde. Prof. Elias weist auch auf andere Szenarien hin, in denen der menschliche Organismus Pigmentierung einspart.

So haben beispielsweise stillende Mütter hellere Haut. Auch die Pigmentierung der Haare kann etwa bei Proteinmangel in der Folge eines akuten nephrotischen Syndroms reduziert werden.

Hautbarriere, Stress und Alterung

Zunehmend besser verstanden wird auch die Rolle der Hautbarriere in der Abwehr von Mikroben. Diese erfüllt sie nicht nur mechanisch, sondern etwa auch mithilfe von Ceramiden, zentralen Molekülen im Sphingolipid-Stoffwechsel. Ceramide stimulieren die physiologische Apoptose. Zudem regen Metaboliten von Ceramid und Sphingosin die Produktion von Alarminen an.

Mittlerweile nachgewiesen wurden die Auswirkungen von psychologischem Stress auf die Barrierefunktion der Haut. So kommt es, mediiert durch Glukokortikoide, zu einer Unterdrückung der Lipid- und Proteinproduktion in der Haut. Dies betrifft auch in hohem Maße antimikrobielle Peptide. „Diese Effekte sind reversibel, wenn wir die Glukokortikoidrezeptoren mit Mifepriston oder den Cortisol Releasing Faktor mit Antalarmin blockieren“, so Prof. Elias. Das Verständnis dieser Mechanismen könne die Zusammenhänge zwischen Stress und Krankheit plausibler machen.

Ab dem Alter von ca. 50 Jahren kommt es zu alterstypischen Veränderungen der Hautbarriere, die wiederum die Zytokinproduktion in der Haut anregen. Interleukin 6, TNF-alpha und Interleukin 1-beta werden verstärkt ausgeschüttet, gelangen auch in den Körperkreislauf und erhöhen damit das Risiko chronischer Krankheiten.

Die Reparatur der Hautbarriere, auch durch Hautpflege und Medikamente, wirkt sich auch auf das gesamte Inflammasom aus. Ungeklärt sei jedoch die Frage, ob sich die Reparatur der Hautbarriere einen günstigen Einfluss auf chronische Erkrankungen hat.

Neurokutane Barriere

Ebenfalls intensiv beforscht wird eine Funktion der Haut namens neurokutane Barriere. In diesem Zusammenhang weist Prof. Elias auf gemeinsame embryonale Ursprünge von Haut und Gehirn hin.

Die Haut sei zwar nicht zu Kognition und Emotion fähig, in vielerlei Hinsicht, wie z. B. der Rolle einer Reihe von Neuromodulatoren, aber dem Gehirn sehr ähnlich.
Nun habe das Gehirn einen entscheidenden Nachteil: Es ist im Schädel eingeschlossen und daher weit entfernt von der Kontaktzone mit der Umwelt, so Prof. Elias. Dies müsse die Haut kompensieren. Sie hat daher eine Tastfähigkeit, die über das hinausgeht, was aufgrund der Dichte der Nervenfasern zu erwarten wäre.

Ausschlaggebend für diese erstaunliche Funktion sind die TRPVs (Transient Receptor Potential Receptors), die nicht nur im zentralen Nervensystem, sondern auch in der Haut exprimiert werden, wo sie auf mechanische Reize, Temperatur, elektrische Potenziale und Osmolarität reagieren.

Die musikalische Haut hört besser als das Ohr

Die Haut kann auch auf akustische Reize reagieren – und das mit feinerer Auflösung als das Ohr. Die verantwortlichen Strukturen sind allerdings derzeit noch unbekannt, erläutert Prof. Elias. Nachgewiesen ist jedoch, dass akustische Signale die Barrierefunktion und den Metabolismus der Haut beeinflussen. Prof. Elias: „Deshalb kann man die Wundheilung unterstützen, indem man zum Beispiel das Fagott-Konzert von Mozart hört.“

Rezeptoren für verschiedenste Duftstoffe

Ebenso finden sich in der Haut Rezeptoren für verschiedenste Duftstoffe, die auch Einfluss auf die Differenzierung und das Wachstum von Keratinozyten nehmen. Möglicherweise reagiert die Haut auch auf sichtbares Licht. Zumindest exprimiert sie Opsine, Rhodopsin und Transducin. Prof. Elias: „Ob die Haut sehen kann, wissen wir allerdings nicht.“

Quelle: Jahrestagung 2024 der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV), Graz, 29.11.24

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma