ME/CFS-Studie zeigt mangelnde Anerkennung der Krankheit
Eine online Befragung von 370 Betroffenen und Angehörigen in Österreich beleuchtet die Bedürfnisse von Menschen, die an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom leiden.
Die Umfrage zeigt hohe Alltags- und finanzielle Belastungen auf, sowie mangelnde Anerkennung und fehlende spezialisierte Behandlung für ME/CFS, einer schwerwiegenden Multisystemerkrankung, die meist nach Virus-Infektionen auftritt. Schätzungen gehen von einer Verdoppelung der Fallzahlen infolge der COVID-Pandemie aus.
25% von schwerer bis sehr schwerer Erkrankung betroffen
Die Umfrage erhebt anhand von vier Zustandsbeschreibungen gemäß der NICE-Guideline2 den Schweregrad der Erkrankung. 21% der Befragten sind von der Erkrankung leicht betroffen. 54% leiden an einem mittleren Schweregrad, bei dem sämtliche Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich beeinträchtigt sind und eine reguläre Berufsausübung oft nicht mehr möglich ist. 21% sind so schwer betroffen, dass sie für beinahe alle Aktivitäten des Alltags Unterstützung benötigen und das Haus kaum mehr verlassen können. Sie leiden unter eingeschränkter Konzentrations- und Merkfähigkeit, viele sind auf einen Rollstuhl angewiesen. 4% der Befragten sind schwerst betroffen und dadurch ans Bett gefesselt, benötigen Pflege und Abschirmung von sämtlichen äußeren Reizen.
Lange Zeit bis zur Diagnose, eingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung
Bis zur Diagnosestellung vergingen im Schnitt 18 Monate, wobei die Hälfte der Befragten angab, zumindest einmal Zugang zu Ärzt:innen bzw. Zentren gehabt zu haben, die auf ME/CFS spezialisiert sind (Abb.13). Diese finden Betroffene jedoch nicht durch das Gesundheitssystem, sondern durch Internetrecherche, soziale Medien oder Empfehlung durch andere Betroffene oder Selbsthilfeorganisationen. Im Schnitt warten Patient:innen 14 Wochen auf einen Termin. Die laufende Weiterbetreuung erfolgt meist in einer neurologischen oder hausärztlichen Praxis, kaum in spezialisierten Zentren. Fast die Hälfte der sehr schwer Betroffenen wird jedoch gar nicht medizinisch betreut.
Behandlungen und Therapien
Betroffene greifen auf eine Vielzahl komplementärer oder alternativer Therapien zurück, wobei Nahrungsergänzungsmittel (87%) mit deutlichem Abstand an erster Stelle genannt wurden. Bei einem Drittel führte jedoch keiner der Therapieversuche zu einer Verbesserung (Abb.23).
34% der Befragten waren wegen der Erkrankung bereits in einer Rehaklinik, wobei nur bei rund einem Drittel die Behandlung auf ME/CFS angepasst wurde. Besonders hervorzuheben ist, dass insbesondere die post-exertionelle Malaise (PEM, Leitsymptom von ME/CFS2) durch den Reha-Aufenthalt in der Mehrzahl der Fälle deutlich verschlechtert wurde, und zwar umso häufiger, je höher der Schweregrad der Erkrankung war (Abb.33).
Anerkennung der Erkrankung
Ein zentrales Ergebnis der Umfrage ist die mangelnde Anerkennung von ME/CFS. 59% bzw. 76% der Befragten geben an, dass die Erkrankung von Ärzt:innen bzw. anderem medizinischem Personal nicht ernst genommen wird. 80% der Betroffenen berichten, dass die Erkrankung von ihrer Krankenkasse nicht anerkannt wird (Abb.43).
Finanzielle Belastung
Die Kosten für Untersuchungen und Behandlungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, stellen eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Im Durchschnitt gaben Betroffene in den letzten 12 Monaten 1.000 Euro für Untersuchungen und 1.600 Euro für nicht erstattete Behandlungen und Medikamente aus.
Conclusio
Die Umfrage zeigt klar die dringende Notwendigkeit, die Verfügbarkeit spezialisierter Versorgung zu verbessern sowie die Anerkennung von ME/CFS in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen zu fördern. Die Betroffenen fordern mehr Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse und eine verstärkte Forschung, um die Erkrankung besser zu verstehen und die Behandlungsmöglichkeiten zu optimieren.
Patientenstimme GmbH