20. Juni 2024Aus der Fachliteratur

Prozessionsspinner: Auch in Nadelwäldern lauert die Gefahr

Der Eichenprozessionsspinner ist mittlerweile den meisten ein Begriff; anders sieht es bei seinem Verwandten aus, der in Kiefern heimisch ist. Die Reaktionen können allerdings ähnlich schwer ausfallen.

Baum mit kokoon
UMIT/AdobeStock

Hierzulande ist der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) der am weitesten verbreitete Verursacher einer Raupendermatitis. Regional begrenzt kommt auch der Kiefernprozessionsspinner (Thaumetopoea pinivora) als „Täter“ infrage.

Kiefernprozessionsspinner verpuppt sich im Boden

Während der Eichenprozessionsspinner seine Nester nahe am Stamm und an starken Ästen von Eichen positioniert, findet man die Nester des Kiefernprozessionsspinners an peripheren, sonnenexponierten, kronennahen Ästen von Kiefern. Ein weiterer Unterschied ist der Ort der Verpuppung. Der Eichenprozessionsspinner verlässt sein Nest nicht, der Kiefernprozessionsspinner geht in den Boden und verpuppt sich in einer Tiefe von 8–20cm.

Die Raupen und Larven der beiden Nachtfalterarten sind von April bis Juli aktiv. Sie besitzen Brennhaare (Toxophore), die ein Protein enthalten, das bei Kontakt mit der Haut eine Raupendermatitis (Erucismus) auslösen kann. Diese äußert sich als mechanisch irritative und pseudoallergische Hautreizung mit Papeln und Erythemen. Hinzu kommt ein Juckreiz, der bei mechanischer oder thermischer Hautreizung (z.B. beim Duschen) zunimmt. Selten kommt es allerdings zu anaphylaktischen Reaktionen bis hin zum Schock. Zu den wichtigen Differenzialdiagnosen gehören Exantheme aufgrund anderer allergischer, toxischer, viraler oder insektenübertragener Ursachen sowie ein Pemphigoid im Frühstadium.

Anhand eines Beispiels veranschaulichte Oberfeldarzt Dr. Ingo Teufelhart vom Sanitätsunterstützungszentrum Berlin die Raupendermatitis: Während einer Truppenübung in einem bewaldeten Areal in Brandenburg, bei der die Teilnehmenden zu Fuß unterwegs waren, trat bei etwa 90 der rund 250 eingesetzten Soldaten und Soldatinnen innerhalb von vier Tagen eine Raupendermatitis durch Haare des Kiefernprozessionsspinners auf.

„Das Krankheitsbild einer Raupendermatitis ist rein medizinisch betrachtet keine große Herausforderung“, fasst der Mediziner grob zusammen. Es komme i.d.R. nicht zu schweren, lebensbedrohlichen Zuständen. Die Schwere der Reaktion wird durch eine orientierende Untersuchung und Expositions- bzw. Patientenanamnese (gezielt nach allergischer Disposition) bestimmt.

Medikamentöse Behandlungsoptionen

Die medikamentösen Behandlungsoptionen umfassen orale Antihistaminika und topische Kortikoide. Um den Juckreiz zu lindern, setzte Teufelhart im beschriebenen Fall zunächst auf das nebenwirkungsarme Antihistaminikum Desloratadin.

Bei Betroffenen mit schwerem und ausgeprägtem Juckreiz schwenkte er auf Fexofenadin um. Die medikamentöse Therapie kann nach Bedarf um Dosieraerosole und systemische Glukokortikoide erweitert werden, fügt er noch hinzu.

Zusätzlich gilt es die erneute Exposition bei den Patientinnen und Patienten möglichst zu minimieren. Darüber hinaus sind weitere hygienische Maßnahmen sinnvoll. Hierzu zählt, nach einer Exposition die Kleidung zu wechseln, zu duschen und die Haare zu waschen. Die kontaminierten Kleidungsstücke sollten beispielsweise in einer Plastiktüte separiert und später bei 60 Grad getrennt gewaschen werden.

„Hautreaktionen führen bei den Betroffenen und ihrer Umgebung schnell zur Stigmatisierung“, warnt Teufelhart. Bei Hautjuckreiz gehen Personen im Umfeld oft unterschwellig von einer Ansteckungsgefahr aus. Zudem sei eine an die Patientinnen und Patienten angepasste Kommunikation bei der Behandlung unbedingt erforderlich, da Symptome über etwa drei bis zehn Tage bestehen bleiben können.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum derma