Neue Empfehlungen zum Gebrauch von Einmalhandschuhen
Impfen, Blutdruck messen oder Patientinnen und Patienten beim Ausziehen helfen – bei diesen Tätigkeiten sind keine Einmalhandschuhe erforderlich. Wer sie trotzdem ständig trägt und dafür auf die Händedesinfektion verzichtet, erhöht das Infektionsrisiko. Außerdem belasten eingefleischte Handschuhfans die Umwelt. Neue Empfehlungen der deutschen Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) sollen Klarheit zu Indikationen und unnötigem Gebrauch bringen.
Sieht oft hygienischer aus, als es tatsächlich ist
Medizinische Handschuhe wecken den Eindruck einer guten Hygiene, doch sie bewirken häufig das Gegenteil. Forschende haben herausgefunden, dass ein übermäßiger Gebrauch von Einmalhandschuhen zu Fehlern bei der Händehygiene führt. Im schlechtesten Fall bleibt die Händedesinfektion auf der Strecke und medizinisches Personal wiegt sich durch die Handschuhe in falscher Sicherheit.
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In Deutschland wirbt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) für einen indikationsgerechten Einsatz der Handschuhe. Dieser soll die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen steigern, Kosten sparen und kommt gleichzeitig der Sicherheit von Patientinnen und Patienten und Personal zugute.
Der indikationsgerechte Handschuhgebrauch hat konkrete Vorteile: häufigere Händedesinfektion, geringere Hautbelastung des Personals, empathischere pflegerische und medizinische Versorgung mit mehr Hautkontakt und weniger Abfall.
Schätzungen gehen von einer künftigen jährlichen Wachstumsrate für den Markt von medizinischen Einmalhandschuhen von 5,1% aus, was einem Zuwachs von über 800 Millionen Dollar entspricht. Das Potenzial von Einsparungsmaßnahmen ist also sehr groß.
Die Expertinnen- und Expertenrunde unter der Leitung von Prof. Dr. Simone Scheithauer benennt konkrete Situationen, in denen Einmalhandschuhe aus infektionspräventiver Sicht verzichtbar bzw. indiziert sind (s. Tabelle). Die Autorinnen und Autoren stellen eine regelmäßige Neubewertung in Aussicht, sodass noch mehr medizinische Tätigkeiten zukünftig ohne Handschuhe verrichtet werden könnten. Dazu gehören aus ihrer Sicht Blutentnahmen mit Sicherheits-Device, i.v. Injektionen oder die Anlage eines Zugangs.
Bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit multiresistenten Erregern halten die Autorinnen und Autoren ein grundsätzliches Tragen von Handschuhen für nicht erforderlich. Auf die erwartete Kontamination komme es an. Bei direktem Patientenkontakt sind Handschuhe indiziert, beim bloßen Betreten des Zimmers nicht.
Komplex sind Situationen, in denen medizinische Einmalhandschuhe und zusätzlich viele Händedesinfektionen nötig sind, z.B. in der Intensivmedizin. Um die Compliance zu erhöhen, schlagen die Autorinnen und Autoren für diesen Fall die Desinfektion der behandschuhten Hand vor. Auf dem medizinischen Einmalhandschuh wirkt zudem die Desinfektion besser als auf der bloßen Hand.
Epid Bull 2024; 10: 3–15; doi: 10.25646/11984