Zunahme von Sprachstörungen bei Kindern und 3 aktuelle Studien
+++ Komplexität der Sprachstörungen bei Kindern nimmt zu – Vorteile von Covid-Nasenspray gegenüber mRNA-Impfung– Mann mit 217 Covid-Impfungen: Immunsystem arbeitet „völlig normal“ – Gehirnnebel bei Long Covid durch gestörte Blutversorgung +++
Komplexität der Sprachstörungen bei Kindern nimmt zu
Die Logopädinnen der Caritas OÖ haben im Herbst 2023 3.427 Kinder in 188 Kinderbetreuungseinrichtungen mittels Screeningverfahren auf Sprachprobleme getestet. 33% der 4- bis 5-Jährigen zeigten Auffälligkeiten, die eine logopädische Therapie erfordern. Diese Zahl ist seit den letzten Jahren in etwa gleich geblieben, allerdings nimmt die Komplexität der Störungsbilder zu.
Bei den Ergebnissen der beiden standardisierten Sprachscreenings, die für Kinder mit Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache zur Anwendung kommen, bemerkten die Caritas-Logopädinnen, dass es immer mehr Kinder mit pragmatisch-kommunikativen Störungen gibt. „Das bedeutet, dass es diesen Kindern mitunter nur mangelhaft gelingt, ihre Sprache der jeweiligen Situation angemessen einzusetzen, z.B. Blickkontakt mit dem Gegenüber zu halten oder Gesprächspartnerinnen und -partner ausreden zu lassen“, erklärt Barbara Kraxberger, Leiterin der Logopädie der Caritas OÖ. Diese Auffälligkeiten seien u.a. auf die langen Lockdowns und die Kontaktbeschränkungen während der Coronapandemie zurückzuführen. In dieser Zeit habe der so notwendige soziale Input in den ersten Lebensjahren der heutigen Kindergartenkinder großteils gefehlt bzw. sei dieser oft auch durch eine ausgedehnte Mediennutzung ersetzt worden. „Fernsehen, YouTube & Co sind jedoch keine interaktiven Tätigkeiten, sondern Einbahnstraßen in Bezug auf Kommunikation“, so Kraxberger. Durch die Masken hatten die Kinder auch weniger Möglichkeit, Mimik zu erkennen und die Mundbilder abzulesen. Vor allem bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern hat durch den unregelmäßigen Kindergartenbesuch der notwenige deutschsprachige Input gefehlt. Hier hat sich im Vergleich zum Arbeitsjahr zuvor der Anteil der auffälligen Kinder um mehr als 5% erhöht.
Kinder, die bis zum 2. Geburtstag bestimmte Meilensteine in der Sprachentwicklung nicht erreicht haben, nennt man „Late Talker“. Sie haben die Wortschatzgrenze von 50 Wörtern noch nicht erreicht und sprechen auch noch keine Zwei-Wort-Sätze. Rund ein Drittel dieser Kinder holen die Defizite in der Sprachentwicklung bis zum 3. Lebensjahr auf („Late Bloomer“) und entwickeln sich danach sprachlich unauffällig.
Auf Fernsehen, Videos oder Apps sollten die Eltern in den ersten 2 Lebensjahren ihrer Kinder verzichten, weil die für das Lernen wichtige Interaktion mit anderen fehlt. Selbst ein kurzer, aber regelmäßiger Medienkonsum kann die Sprachentwicklung verzögern, auch das Denken und der Umgang mit Langeweile werden nicht gefördert. Ab dem 3. Lebensjahr können die so genannten „neuen Medien“ 15–30 Minuten pro Tag angeboten werden. Allerdings brauchen die Kinder in diesem Alter einen Erwachsenen, der ihnen die Inhalte erklärt und bei sprachlichen Verständnisproblemen weiterhilft.
Die Wartelisten bei der Caritas OÖ und auch bei den Logopädinnen mit Kassenvertrag sind lang. Positiv ist, dass durch die genauere Abklärung die Kinder schon früher in Therapie kommen. Bei verschiedenen Auffälligkeiten wie Autismusspektrumstörungen, Sprachentwicklungsstörungen oder „Late Talkern“ benötigen die Kinder jedoch häufig eine logopädische Langzeittherapie, wodurch die Therapieplätze viel länger besetzt bleiben und die Warteliste nur langsam aufgearbeitet werden kann. In OÖ wie auch in vielen anderen Regionen Österreichs ist die Logopädie ein Mangelberuf. Der heutige 6. März ist übrigens der Europäische Tag der Logopädie. (PA der Caritas OÖ/red)
Mann mit 217 Covid-Impfungen: Immunsystem arbeitet „völlig normal“
Forschende haben einen Mann mit mehr als 217 Corona-Impfungen untersucht und keine negativen Auswirkungen auf sein Immunsystem festgestellt. Dieses arbeitet nach Angaben der Wissenschafter und Wissenschafterinnen „völlig normal“, wie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am Dienstag, 5.3., mitteilte. Bestimmte Abwehrzellen und Antikörper gegen Sars-CoV-2 seien sogar deutlich häufiger als bei Menschen, die nur drei Impfungen erhalten hätten.
Die Forscherinnen und Forscher waren durch Medienberichte auf den 62-jährigen Mann aufmerksam geworden, der sich nach eigenen Angaben in einem Zeitraum von 29 Monaten insgesamt 217 Mal gegen Covid-19 impfen ließ. 134 dieser Impfungen sind offiziell bestätigt. Bisher war unklar, welche Auswirkungen eine sogenannte Hypervakzinierung auf das Immunsystem hat. Manche Forscherende gehen davon aus, dass die Abwehrzellen durch Gewöhnungseffekte weniger schlagkräftig werden. Bei dem Betroffenen ist das jedoch nicht der Fall.
Auch die Funktion des Immunsystems gegen andere Erreger war unverändert, wie demnach weitere Tests zeigten. Das Abwehrsystem habe offenbar durch die vielen Impfungen keinen Schaden genommen. Die Forscher wiesen zugleich darauf hin, dass es sich um einen Einzelfall handle. Weitreichende Schlüsse oder gar Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung ließen sich aus den Ergebnissen daher nicht ableiten.
Die Resultate der Studie wurden am 4.3. in der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ publiziert. (APA/AFP/red)
Vorteile von Covid-Nasenspray gegenüber mRNA-Impfung
Ein Nasenspray zur Impfung gegen Covid-19 hat sich im Tierversuch als eindeutig wirksamer erwiesen als die in Muskeln zu verabreichenden mRNA-Impfstoffe. Die Studie liefere „überzeugende Beweise für die Überlegenheit“ eines über die Nase verabreichten abgeschwächten Lebendimpfstoffs bei der Prävention der Sars-CoV-2-Übertragung, teilte die Freie Universität Berlin mit.
Die Berliner Forschenden, die schon länger an einem alternativen Impfstoff arbeiten, verglichen in der Studie mit Hamstern die Wirksamkeit des Nasenspray-Impfstoffs mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty. In Muskeln zu verabreichende Impfstoffe haben demnach nur eine begrenzte Fähigkeit, über die Schleimhäute robuste Immunreaktionen in den oberen Atemwegen auszulösen. Die aber sind die Eintrittspforte für das Virus. Der Lebendimpfstoff enthält außerdem alle Virusbestandteile und nicht nur das Spike-Protein, wie es beim mRNA-Impfstoff der Fall ist.
In der präklinischen Studie mit infizierten und geimpften Hamstern bestätigte sich demnach die Überlegenheit des Nasenspray-Impfstoffs bei der Verhinderung der Virusübertragung. Die Expertinnen und Experten sprachen von einem „weiteren Meilenstein“ bei der Erforschung von Impfalternativen gegen Covid-19 und die verschiedenen Virusvarianten.
„Unsere Ergebnisse liefern überzeugende Beweise für die Vorteile von lokal verabreichten abgeschwächten Lebendimpfstoffen gegenüber intramuskulär verabreichten mRNA-Impfstoffen“, erklärte der Virologe Jakob Trimpert, einer der Hauptautoren der Studie.
Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das auch von der Rocketvax AG finanziell unterstützt wird. (APA/ag.)
Gehirnnebel bei Long Covid durch gestörte Blutversorgung
Medizinerinnen und Mediziner haben eine körperliche Ursache für den sogenannten Gehirnnebel bei Long-Covid-Patienten gefunden. Demnach verursacht die Virusinfektion eine Störung des Blutversorgungssystems im Gehirn. Die Blutgefäße werden durchlässiger und können das Gehirn schlechter von Krankheitserregern, Giften und anderen Substanzen im Blut abschirmen, berichtet die Forschergruppe um Matthew Campbell vom Trinity College Dublin und Colin Doherty vom St James‘s Hospital in Dublin (Irland).
„Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass undichte Blutgefäße im menschlichen Gehirn zusammen mit einem hyperaktiven Immunsystem die Hauptursache für Gehirnnebel im Zusammenhang mit Long Covid sein können“, erklärte Campbell im Fachmagazin „Nature Neuroscience“. Er und sein Team hatten bereits in der Anfangsphase der Corona-Pandemie im März und April 2020 begonnen, diese auch als „Brain Fog“ bekannte Form der Bewusstseinstrübung zu untersuchen, durch die Analyse von Blutproben von 76 Covid-Patientinnen und -Patienten des St James‘s Hospital. Sie fanden erhöhte Werte des Proteins S100-Beta, das unter anderem ein Marker für eine gestörte Blut-Hirn-Schranke ist.
Den genauen Mechanismus dahinter konnten die Forschenden noch nicht aufklären. Es gelang ihnen jedoch, die Störung der Blut-Hirn-Schranke auch mittels bildgebender Verfahren sichtbar zu machen. Dafür nutzten sie eine besondere Art der Magnetresonanztomografie (MRT), die dynamische kontrastmittelbasierte Perfusions-MRT. Gemessen wird dabei, in welcher Weise ein Kontrastmittel durch ein Gewebe fließt. Die speziellen MRT-Aufnahmen zeigen, dass bei den Gehirnnebel-Patienten mehr Kontrastmittel in das Hirngewebe außerhalb der Blutkapillaren gelangt.
Campbell, Doherty sowie ihre Kolleginnen und Kollegen sind überzeugt, dass Corona nicht die einzige Virusinfektion ist, die das Gehirn auf diese Weise schädigt. „Die Ergebnisse werden nun wahrscheinlich die Art und Weise verändern, wie wir postvirale neurologische Erkrankungen verstehen und behandeln“, sagte Doherty. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass bei vielen neurologischen Erkrankungen, etwa Multipler Sklerose (MS), wahrscheinlich eine Virusinfektion der auslösende Faktor für die Erkrankung sei, heißt es in der Mitteilung des Trinity College. Welche Rolle die Blut-Hirn-Schranke dabei spielt, wird von den Studienautorinnen und -autoren aktuell noch genauer untersucht. (APA/dpa)