Hochpathogene aviäre Influenza: Aktuelles zur Vogelgrippe
Während die Covid-Pandemie die Welt erfasste, erlebte Europa zeitgleich die schwerwiegendste Epidemie der HPAI(hochpathogene aviäre Influenza)-A(H5)-Viren der Klade 2.3.4.4b bei Vögeln.
Die Ausbreitung erstreckte sich über 37 europäische Länder und führte neben einem Massensterben von koloniebrütenden Seevögeln zur Keulung von mehr als 50 Millionen Vögeln in betroffenen Betrieben. Dabei konnten in den vergangenen Jahren einige epidemiologische Veränderungen der zirkulierenden HPAI-Viren des Subtyps H5 beobachtet werden.
Zwischen Oktober 2021 und September 2022 erlebte Europa die schwerwiegendste Epidemie der hochpathogenen aviären Influenza (HPAI) bei Vögeln. Die Epidemie umfasste 2.520 Ausbrüche bei Nutzgeflügel, 227 Ausbrüche bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln und 3.867 Nachweise des HPAI-Virus bei Wildvögeln
Die HPAI, auch klassische Geflügelpest oder Vogelgrippe, ist eine akute, hochansteckende, hauptsächlich durch Influenza-A-Viren ausgelöste Erkrankung der Vögel. Neben der hochpathogenen aviären Influenza tritt auch die niedrigpathogene (NPAI) auf, welche zumeist nur milde Symptome bei Geflügel verursacht. Besonders betroffen ist vor allem Hausgeflügel wie Hühner, Puten, Enten und Gänse, aber auch wildlebende Wasservögel, die als Virusreservoir gelten. In seltenen Einzelfällen können Menschen und andere Säugetiere erkranken. Es handelt sich bei der aviären Influenza um eine gemäß EU-Recht, Tierseuchengesetz und Geflügelpestverordnung anzeigepflichtige Infektionskrankheit, welche durch aktive (Blutprobenziehung im Rahmen der Geflügelschlachtung) und passive Überwachungsprogramme (Einsendung von verendet aufgefundenen wildlebenden Vögeln) in der EU auf Grundlage des Animal Health Law (Verordnung (EU) 2016/429) gemonitort wird.
Überspringen auf Menschen möglich
Erreger der klassischen Geflügelpest sind verschiedene Influenza-A-Viren aus der Familie der Orthomyxoviren. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Oberflächenantigene (Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N)) werden Influenzaviren in Subtypen eingeteilt, welche unterschiedliche Pathogenität aufweisen. Hierbei sind insbesondere die Subtypen A(H5N1) und A(H7N9) sowie A(H3N8) zu erwähnen, die das Potenzial eines „Spillovers“, also eines „Überspringens“ auf den Menschen aufweisen. Als Virusreservoir dienen wildlebende Wasservögel. Eine Übertragung auf den Menschen kann durch direkten Kontakt mit infizierten Vögeln oder über Zwischenwirte, z.B. Schweine, sowie in stark kontaminierter Umgebung, erfolgen. Eine Infektion über Lebensmittel oder durch Verzehr von erkrankten Tieren konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch scheint bislang noch nicht möglich.
Ausbreitung weltweit und Fälle bei Säugetieren
Während sich die Ausbreitung des hochpathogenen Vogelgrippevirus bei Hausgeflügel zunehmend verlangsamt, zirkuliert das Virus aktuell bei wildlebenden Vögeln an den Meeresküsten Europas wie auch bei im Binnenland lebenden Wasservögeln weiter. HPAI war ursprünglich ein saisonales, in Zusammenhang mit dem Vogelzug stehendes Phänomen, das üblicherweise bei Wildvögeln im Herbst/Winter nachgewiesen werden konnte. Seit 2021 wurde das Virus auch über die Sommermonate hinweg bei heimischen Vögeln gefunden. Im Frühjahr 2022 wurde das Vogelgrippevirus A(H5N1) von Zugvögeln aus Europa auch nach Nordamerika eingeschleppt und breitete sich zügig in Kanada und den USA, später, Ende 2022, auch in Mittel- und Südamerika aus. In der Antarktis wurden Ende Oktober 2023 erste Fälle von A(H5N1) bei Raubmöwen registriert. Lediglich Australien ist bislang noch nicht betroffen.
Fleischfressende Säugetiere positiv auf A(H5N1) getestet
Auch einige wildlebende und domestizierte fleischfressende Säugetiere, die infizierte Wildvögel erbeuten, wurden positiv auf A(H5N1) getestet. Laut einem Bericht der European Food Safety Authority (EFSA) von 29. April bis 23 Juni 2023 wurde in Polen HPAI A(H5N1) bei 24 Hauskatzen und einem in Gefangenschaft gehaltenen Karakal (Wüstenluchs) festgestellt. In einem italienischen Geflügelbetrieb, der von einem HPAI-Ausbruch betroffen war, wurden bei 5 Hunden und einer Katze ohne klinische Anzeichen Antikörper nachgewiesen. Zudem wurde ein Massensterben im Zusammenhang mit HPAI A(H5N1) bei Robben, Zuchtnerzen und Seehunden sowie Seelöwen in Südamerika beschrieben.
Aktuelle Situation bei Menschen
Die derzeit nachgewiesenen HPAI-Viren gehören zu 11 verschiedenen Genotypen, darunter 8 neue, die seit September 2022 in Europa zirkulieren. Zusätzlich wurden HPAI-Viren in wildlebenden und gezüchteten Säugetierarten in Europa und Nordamerika nachgewiesen, welche genetische Marker für die Anpassung an die Replikation in Säugetieren aufweisen.
In China wurden in den vergangenen Monaten vereinzelte humane Erkrankungsfälle von aviärer Influenza der Subtypen A(H5N1), A(H9N2), A(H3N8) sowie A(H5N6) dokumentiert, teils mit Todesfall. Ebenso wurden A(H5)-Infektionen in Vietnam und Spanien bestätigt. Alle Erkrankten waren in Exposition zu lebendem Nutzgeflügel.
Das Infektionsrisiko in der EU/EWR wird als gering für die Allgemeinbevölkerung und als gering bis mittel für beruflich exponierte Personen eingeschätzt.
Die laufenden Evolutionsprozesse mit fortlaufender Viruszirkulation, Diversifizierung und Übertragung auf Säugetiere werden sich fortsetzen und könnten zu einer Zunahme von anpassungsfähigen Mutationen bei Säugetieren führen. Das geht mit einem erhöhten Risiko der Übertragung auf und zwischen Säugetieren, einschließlich des Menschen, einher. Diese Entwicklung muss auch im Hinblick auf das Risiko einer neuen Pandemie im gesamten Tierreich überwacht werden.
Überwachung mit weltweiten Monitoring-Plattformen
Zur Bekämpfung der Vogelgrippe ist ein One-Health-Ansatz erforderlich, der auf einer interdisziplinären und globalen Zusammenarbeit basiert. Dieser Ansatz beinhaltet den schnellen Austausch von Informationen über Ausbrüche, die Bereitstellung von Sequenzdaten und Referenzviren sowie eine enge Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren.
Für die Überwachung von veterinär- und humanpathogenen Infektionskrankheiten wie der aviären Influenza wurden hierfür welt- und EU-weit verschiedene Monitoring-Plattformen eingerichtet.
Erkrankungsfälle bei Tieren werden EU-weit über das Animal Disease Information System (ADIS) erfasst und dokumentiert, welches basierend auf der Verordnung (EU) 2020/2002 geschaffen wurde. Weltweit steht das World Animal Health Information System (WAHIS) zur Verfügung. Beide Informationssysteme sind für optimalen Datenaustausch untereinander vernetzt.
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) der Europäischen Union ist für das Monitoring von übertragbaren Krankheiten und die Information von Mitgliedstaaten in der EU zuständig.
Die EFSA, das ECDC, das EU-Referenzlabor (EURL) für aviäre Influenza und Behörden in den betroffenen Mitgliedstaaten veröffentlichen regelmäßig Quartalsberichte zur Lage der Vogelgrippe in Europa und weltweit.
Zudem hat die EFSA im März 2023 mit dem Vogelgrippe-Radar (Migration Mapping Tool) ein Frühwarnsystem für HPAI in Europa gestartet, mit welchem die Wahrscheinlichkeit einer Einschleppung von HPAI bei Wildvögeln angezeigt werden soll.
Tote Vögel nicht mit bloßen Händen angreifen
Österreichweit besteht eine Meldepflicht von tot aufgefundenen Wildvögeln bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. dem zuständigen Amtstierarzt. Diese Tiere werden in das Nationale Referenzlabor eingeschickt und im Rahmen des passiven Überwachungsprogrammes auf Geflügelpest untersucht. Tote Vögel sollten nicht mit bloßen Händen angefasst werden.
Impfstoffe für eine H5N1-Pandemie bei Bedarf verfügbar
In der EU haben die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Verfahren eingeführt, um die Bewertung und Zulassung von Impfstoffen für den Einsatz während einer Grippepandemie zu beschleunigen. Solche Impfstoffe enthalten in der Regel einen Stamm des Vogelgrippevirus (z.B. A/H5N1), dem nur wenige Menschen auf der Welt bereits ausgesetzt waren und der eine Pandemie auslösen könnte.
Impfstoffe zur Vorbereitung auf eine Pandemie können zugelassen, aber nicht vor einer Grippepandemie in Verkehr gebracht werden.
Im Falle einer Pandemie kann der Hersteller, sobald der Virusstamm, der die Pandemie auslöst, identifiziert ist, diesen Stamm in den zugelassenen Pandemiebereitschaftsimpfstoff aufnehmen und die Zulassung des Impfstoffs als „endgültigen" Pandemie-Impfstoff beantragen.
Die Zulassung des endgültigen Pandemie-Impfstoffs kann sehr schnell erfolgen, da die wissenschaftlichen Ausschüsse der EMA die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs bereits mit anderen potenziellen Pandemiestämmen bewertet haben.
Derzeit sind laut EMA in der EU 4 Impfstoffkandidaten (Pandemic preparedness vaccine) für die Pandemievorsorge zugelassen, die im Falle einer künftigen Vogelgrippe-Pandemie zu Influenzapandemie-Impfstoffen modifiziert werden können:
- Foclivia
- Adjupanrix (zuvor Pandemischer Grippeimpfstoff (H5N1) (Split-Virion, inaktiviert, adjuvantiert), GlaxoSmithKline Biologicals)
- Impfstoff gegen pandemische Influenza H5N1, Baxter AG
- Pandemischer Grippeimpfstoff H5N1, AstraZeneca (zuvor Pandemischer Grippeimpfstoff H5N1, MedImmune)
Auch für den Veterinärbereich werden Anträge auf Marktzulassung von Impfstoffen für Geflügel erwartet.
https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/7786
https://www.eurosurveillance.org/content/10.2807/1560-7917.ES.2023.28.19.2300227
https://www.efsa.europa.eu/de/news/avian-influenza-efsa-recommends-increased-surveillance
https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/pandemic-influenza/vaccines-pandemic-influenza#pandemic-preparedness-vaccine-section