Sexuelle Gesundheit: Reden hilft!
Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Daher fordert die WHO seit mehr als 20 Jahren, sexuelle Gesundheit als Teil der allgemeinen Gesundheit zu begreifen. Doch sexuelle Gesundheit ist immer noch ein Tabuthema, auch im Gespräch mit Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich. Deshalb hat die Aids Hilfe Wien mit Unterstützung des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger bereits im Vorjahr die Kampagne „Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit!“ gestartet.
In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt der Kampagne auf Information und Weiterbildung von Gynäkologinnen und Gynäkologen bezüglich der Wechselwirkungen zwischen sexueller Gesundheit und chronischen, gynäkologischen und psychischen Erkrankungen. (Im Vorjahr richtete sich die Kampagne ganz allgemein an medizinisches und Gesundheitspersonal.) Dazu hat die Aids Hilfe Wien die Informationsbroschüre für Gynäkolog*innen „Lust auf Reden – Gemeinsam für sexuelle Gesundheit!“ herausgebracht, Expertenvideos produziert, die Website www.lustaufreden.at um chronische Erkrankungen erweitert und für den 1. Dezember, den Welt-Aids-Tag, gemeinsam mit dem Wiener Programm für Frauengesundheit eine Fachkonferenz (siehe Kasten) organisiert, die Vorträge und Workshops für Medizinerinnen und Mediziner und andere Angehörige der Gesundheitsberufe anbietet.
Fachkonferenz „Lust auf Reden. Sexualität und Intimität im Kontext von physischer und psychischer Gesundheit“ am 1.12.2023
Schwerpunkte: Leben und Lieben mit HIV und STI
Erhaltung von guter Sexualität bei chronischen Erkrankungen
Möglichkeiten, das Gespräch über Sexualität mit Patientinnen und Patienten zu gestalten
Veranstalter: Wiener Programm für Frauengesundheit und Aids Hilfe Wien, in Kooperation mit dem Wiener Gesundheitsverbund und der Ärztekammer für Wien
Datum: 1.12.2023, 9:00–15:30 Uhr
Ort: Veranstaltungszentrum Klinik Floridsdorf
Online-Anmeldung bis 21.11. hier, oder per E-Mail an: frauengesundheit@ma24.wien.gv.at
Programm hier abrufbar.
Sichere Räume für Betroffene schaffen
Es ist kein Zufall, dass die Konferenz gerade am Welt-Aids-Tag stattfindet, denn „wenn man über HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen spricht, ist es notwendig, auch über sexuelle Gesundheit zu reden“, erklärt Mag.a Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien, bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Konferenz. Obwohl HIV heute eine chronische und keine lebensbedrohliche Erkrankung mehr ist, werden die Betroffenen immer noch ausgegrenzt und stigmatisiert und stigmatisieren sich zum Teil auch selbst. Für die Aids Hilfe Wien ist es wichtig, sichere Räume zu schaffen, damit (nicht nur HIV-)Patientinnen und Patienten über sexuelle Bedürfnisse und Probleme sprechen können und Aufklärung erhalten.
Das ist auch Mag.a Kristina Hametner, Leiterin des Wiener Büros für Frauengesundheit und Gesundheitsziele, ein großes Anliegen: „Gerade die weibliche Sexualität ist noch stark mit Tabus besetzt, besonders im Zusammenhang mit Krankheit. Studien belegen, dass Frauen im Gesundheitssystem nach Problemen in Bereich der Sexualität und Intimität gefragt werden wollen, was aber nur selten geschieht. Wer Schmerzen hat oder unter Unsicherheit leidet, sollte ohne Beschämung in einem sicheren Rahmen kompetent beraten werden. Wir wollen Frauen unterstützen, frei und selbstbewusst über ihre Bedürfnisse zu sprechen.“
Reden als „therapeutische Intervention“
Es sind in der Praxis vor allem Gynäkologinnen und Gynäkologen, die mit Frauen über intime Themen reden. Für ein ausführliches Gespräch über sexuelle Gesundheit fehlt in der Sprechstunde aber meist die Zeit, weil der Fokus der Honorierungen durch die Krankenkassen immer noch auf medizinisch-technischen Leistungen liegt statt auf der Gesprächsmedizin, die in einem viel zu geringem Maß abgegolten wird, wie MR Dr. Georg Braune, Facharzt für Gynäkologie und Fachgruppenobmann für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Ärztekammer für Wien, bedauert. „Das Reden darf nicht in die Privatarztpraxen abgedrängt werden!“, warnt er.
„Schon das Reden über sexuelle Gesundheit ist eine therapeutische Intervention“, betont auch Dr.in Michaela Bayerle-Eder, Fachärztin für Innere Medizin und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Sexualmedizin und der sexuellen Gesundheit (ÖGFSSG), die Bedeutung des Gesprächs. Sie erläutert, dass Sexualität auch als Gesundheitsressource genutzt werden könne, da sich Intimität und Berührung positiv auf die Genesung auswirken, sieht aber auch die Einschränkungen der Sexualität infolge von Erkrankungen. „Wir tun unseren Patientinnen und Patienten mit Operationen, Bestrahlungen und sonstigen Interventionen etwas an, die negativen Auswirkungen davon auf die Sexualität der Betroffenen müssen daher von uns Ärztinnen und Ärzten mitbedacht und auch mitbehandelt werden“, fordert Bayerle-Eder, die auf der Fachkonferenz als Referentin auftreten und einen Workshop abhalten wird.
Pressegespräch der Aids Hilfe Wien „Sexuelle Gesundheit: Reden als Chance“, Wien, 16.11.2023