Schlafstörungen, Restless Legs und Lungenleiden: Ein Fall für Gendermedizin
Inzidenz, Symptomatik und Verlauf zahlreicher Erkrankungen sind bei Frauen anders als bei Männern. Das gilt auch für die Pneumologie und die Schlafmedizin. Um die Patientinnen und Patienten adäquat versorgen zu können, sollte man die Unterschiede kennen.
Pulmonale Hypertonie
Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich beim Lungenhochdruck schon in der Prävalenz, berichten Prof. Dr. Amik Sodhi von der University of Wisconsin in Madison und Kolleginnen. So sind je nach Register etwa 65–80% der Menschen mit pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) weiblich. Krankheitsbedingte Todesfälle gibt es allerdings häufiger bei Männern. Frauen erkranken öfter an einer idiopathischen oder erblichen Form der PAH, an Letzterer meist aufgrund einer Mutation im BMPR2-Gen. Zudem tritt die PAH bei Patientinnen vermehrt in Zusammenhang mit Kollagenosen und in Form einer portopulmonalen Hypertension auf.
Auch der Therapieerfolg ist geschlechtsabhängig: Frauen sprechen besser auf Endothelin-Rezeptorantagonisten und Prostazyklinanaloga an, Männer auf Phosphodiesterase-5-Inhibitoren. Trotz aller Fortschritte in der Behandlung bleibt eine Schwangerschaft bei PAH für Mutter und Kind lebensbedrohlich. Deshalb wird eine zuverlässige Kontrazeption empfohlen und – falls diese fehlschlägt – eine möglichst frühzeitige Interruptio.
Nikotinentwöhnung
Im Vergleich zu Männern fällt es Frauen schwerer, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie erleiden vermehrt Rückfälle und haben Schwierigkeiten, langfristig abstinent zu bleiben. Hinderlich sind nicht selten begleitende Depressionen und die Furcht vor einer Gewichtszunahme. Außerdem konnte gezeigt werden, dass eine Nikotinersatztherapie bei Frauen schlechter wirkt. Deshalb empfiehlt die US-Fachgesellschaft, Vareniclin zu bevorzugen.
Zystische Fibrose
Die Mukoviszidose gilt mittlerweile als chronische Erkrankung des Erwachsenenalters. Morbidität und Mortalität werden vor allem durch die Lungenerkrankung selbst beeinflusst. Die Lebenserwartung hängt jedoch von einer Reihe weiterer Faktoren ab, zu denen neben dem CFTR-Genotyp und den extrapulmonalen Manifestationen auch das Geschlecht zählt. Trotz aller therapeutischen Verbesserungen haben Frauen eine geringere Lebenserwartung als Männer. Dabei könnte nicht zuletzt die im Vergleich zu Männern geringere Therapieadhärenz eine Rolle spielen, geben die Autorinnen zu Bedenken. Frauen mit zystischer Fibrose entwickeln frühzeitiger eine bakterielle Kolonisierung, mehr pulmonale Exazerbationen und eine beschleunigte Verschlechterung der Lungenfunktion (ppFEV1*).
Allerdings ist noch unklar, ob die ermittelten Nachteile auch in der Ära der CFTR-Modulatoren fortbestehen. Ein positiver Effekt dieser Therapieoption lässt sich zumindest bereits jetzt feststellen: Die aufgrund der zystischen Fibrose (CF) subfertilen Frauen werden unter der Medikation leichter schwanger. Allerdings stellen Gravidität und Elternschaft für Patientinnen mit Mukoviszidose nach wie vor eine große Herausforderung dar.
Bronchiektasen ohne CF
Ursache von Bronchiektasen, die nicht durch eine CF bedingt sind, ist meist eine Infektion mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien. Zu den pulmonalen Veränderungen kommt es größtenteils in der Postmenopause und bei Patientinnen mit niedrigem Body-Mass-Index. Die Therapie reduziert die Exazerbationen bei beiden Geschlechtern gleichermaßen. Die jeweiligen Überlebenszeiten nach Transplantation ähneln denen von anderen Indikationen.
Sarkoidose
Morbus Boeck tritt vor allem im höheren Lebensalter bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Unterschiede zeigen sich zudem in der Symptomatik: Patientinnen leiden öfter an chronischer Erschöpfung, Angstzuständen und Depressionen. Ihre Lungenfunktion ist schlechter, sie werden häufiger ins Krankenhaus eingeliefert, die Mortalitätsraten sind höher. Außerdem beklagen Frauen stärker eine verminderte Lebensqualität, vor allem hinsichtlich körperlicher Belange (Schmerz, Schlaf, Aktivitäten des täglichen Lebens etc.). Im Vergleich zu den Männern haben die Frauen seltener pulmonale Beschwerden (36 vs. 51%). Haut- und Augenbeteiligung sowie Multiorganmanifestation treten hingegen vermehrt beim weiblichen Geschlecht auf.
Restless Legs
Das typische Restless-Legs-Syndrom, die unruhigen Beine, tritt vor allem in Ruhe auf und macht erholsamen Nachtschlaf unmöglich. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Ein besonders hohes Risiko besteht aufgrund des mit diesen Lebensphasen häufig verbundenen Eisenmangels in der Prämenopause und während einer Schwangerschaft. Postpartal bilden sich die Beschwerden mehrheitlich zurück, ein Drittel der Patientinnen hat jedoch weiterhin Beschwerden. Eine postmenopausale Hormonersatztherapie beeinflusst die Symptomatik nicht.
Schlafstörungen
An einer Insomnie leiden Frauen 1,5- bis 2-mal häufiger als Männer. Gründe könnten Ängste und Depressionen sein, die ebenfalls beim weiblichen Geschlecht häufiger sind. Möglicherweise spiegeln die höheren Zahlen aber auch wider, dass Frauen eher geneigt sind, wegen der Schlafstörungen medizinische Hilfe zu suchen. Auch hormonelle Veränderungen während des Zyklus und in der Menopause scheinen eine Rolle zu spielen. In der Schwangerschaft kommt es aus verschiedenen Gründen (Schnarchneigung, Harndrang, generelles Unwohlsein) zu kürzeren Schlafzeiten. Diese scheinen die Entwicklung einer Hypertonie, längere Wehentätigkeit und häufigere Kaiserschnittgeburten zu begünstigen.
Sodhi A et al. Chest 2023; 163: 366–382; doi: 10.1016/j.chest.2022.08.2240
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* percent predictive FEV1