Mehr kindliche Atemwegsinfektionen in der Stadt als am Land
Zwei im Rahmen des ERS-Kongresses in Mailand vorgestellte Studien zeigen den massiven Einfluss ungünstiger Umweltbedingungen auf die Atemwege junger Kinder. Städtische Wohnumgebung erhöht das Risiko von Atemwegsinfektionen, Stillen erweist sich in mehrerer Hinsicht als protektiv.
Eine dänische Studie ergab, dass Kinder, die in Städten aufwachsen, häufiger respiratorische Erkrankungen entwickeln als Kinder, die auf dem Land leben. Es handelt sich dabei um Daten aus den Copenhagen Prospective Studies on Asthma in Childhood (COPSAC), die vom Gentofte Hospital und der Universität Kopenhagen durchgeführt werden. Die Auswertung basiert auf Daten von 663 Kindern und deren Müttern, die von der Schwangerschaft an, bis die Kinder das Alter von 3 Jahren erreichten, an der Studie teilnahmen. Respiratorische Infektionen wurden registriert und mit der Wohnumgebung korreliert. Die Auswertung ergab, dass Kinder in urbanem Umfeld bis zum 3. Geburtstag im Durchschnitt 17 respiratorische Infektionen durchmachten, Kinder in ländlichen Wohngegenden hingegen nur 15 Infektionen. Dies entspricht einer signifikanten Risikoerhöhung für respiratorische Infektionen um 15% in urbaner Wohnumgebung.
Die Schattenseite des urbanen Lebens
Zudem wurden bei den schwangeren Frauen und den Neugeborenen auf Basis von Blutproben Biomarker bestimmt. Die Auswertungen ergaben für Kinder aus dem städtischen Umfeld ein spezifisches Immunprofil. Mithilfe eines bioinformatischen Verfahrens, der Hauptkomponenten-Analyse, wurde eine Assoziation von urbaner Wohnumgebung und einem mit erhöhtem Infektionsrisiko assoziierten Immunprofil identifiziert. Auch hinsichtlich des Metaboloms von Müttern und Kindern wurden zwischen städtischem und ländlichem Umfeld Unterschiede gefunden, wobei auch hier das urbane Profil für ein erhöhtes Infektionsrisiko sprach. Die vermehrten Infektionen in den ersten beiden Lebensjahren sind assoziiert mit einem vermehrten Auftreten von Asthma im Alter von 6 Jahren.
Dazu Studienautor Dr. Nick Brustad: „Unsere Daten zeigen, dass urbane Lebensverhältnisse ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Infektionen in den ersten Lebensjahren sind. Dabei spielen Faktoren wie Luftverschmutzung und frühe Fremdbetreuung vermutlich eine Rolle. Dieser epidemiologische Befund korreliert mit den Veränderungen von Immunprofilen und Metabolom, die wir in unserer Studie feststellen konnten. Wir wollen nun untersuchen, warum manche sonst gesunde Kinder anfälliger für Infektionen sind und welche Implikationen das für ihre Gesundheit im späteren Leben haben wird.“ In den verschiedenen COPSAC-Kohorten konnten mittlerweile große Mengen von Daten gesammelt werden, deren Auswertung in weiteren Studien zur Aufklärung der zugrunde liegenden Mechanismen beitragen sollte.
Stillen über mehr als 6 Monate reduziert Infektionsrisiko
Eine in derselben Session vorgestellte Studie aus Großbritannien liefert ebenfalls Informationen zu Risikofaktoren für frühkindliche Atemwegsinfektionen, Symptome wie Husten und Wheezing, Medikation für Atemwegserkrankungen und Exposition gegenüber potenziellen Risikofaktoren. In die Studie gingen Daten von 1.344 Müttern und deren Kindern aus der in Schottland und England durchgeführten Kohortenstudien GO-CHILD ein. Die Mütter beantworteten jeweils detaillierte Fragebögen, als ihre Kinder 1 bzw. 2 Jahre alt waren. Die Auswertung zeigte, dass Stillen über mehr als 6 Monate einen protektiven Effekt gegenüber Infektionen, insbesondere Bronchiolitis (RR 0,62; 95%CI 0,44–0,87; p=0,006) und Otitis media (RR 0,58; 95%CI 0,43–0,78; p<0,001), hatte, während frühe Fremdbetreuung das Risiko von Pneumonie (RR 2,16; 95%CI 1,02–4,52; p=0,042) und Notfallbehandlung wegen Wheezing (RR 1,73; 95%CI 1,16–2,60; p=0,008) erhöhte. Starker Straßenverkehr war ebenfalls assoziiert mit einem erhöhten Risiko von Bronchiolitis (RR 1,41; 95%CI 1,00–1,99; p=0,048). Tabakrauch erhöhte das Risiko von Wheezing (RR 1,36; 95%CI 1,11–1,67; p=0,009) und trockenem Husten (RR 1,61; 95%CI 1,05–2,45; p=0,003). Die Studie zeigte auch deutliche ungünstige Auswirkungen von Feuchtigkeit und Schimmel in Wohnungen. Diese erhöhten sowohl den Bedarf an Asthma-Notfallmedikation (RR 2,01; 95%CI 1,21–2,79; p=0,018) als auch die Verschreibungen inhalativer Kortikosteroide (RR 2,22; 95%CI 1,04–4,74; p=0,038) auf mehr als das Doppelte.
„Unsere Forschung liefert wichtige Evidenz, wie wir Atemwegsinfektionen bei Babys und Kleinkindern reduzieren können. Die Vorteile des Stillens sind mittlerweile gut etabliert und wir sollten Mütter, die stillen wollen, dabei unterstützen. Darüber hinaus sollten wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, um Infektionen in Tagesstätten zu vermeiden, Wohnungen frei von Feuchtigkeit und Schimmel zu halten, den Tabakkonsum zu minimieren und für saubere Luft zu sorgen“, kommentiert Studienautor Dr. Tom Ruffles von der Brighton and Sussex Medical School die Konsequenzen aus seiner Arbeit.
ERS 2023, Postersession, “Paediatric viral and bacterial lung infections”, Mailand, 11. 9. 2023
1 Brustad N et al. An urbanized metabolic and airway immune profile increases the risk of infections in early childhood. ERS 2023, Poster PA2721
2 Ruffles T et al. Environmental risk factors for respiratory infection and wheeze in early childhood: a multi-centre cohort study. ERS 2023, Poster PA2722