Steigende Infektionszahlen in der nördlichen Hemisphäre; sichere Autopsien in Pandemie-Zeiten
+++ WHO: Infektionszahlen auf der Nordhalbkugel steigen – Österreich: mehr Corona-Fälle und neue Varianten – Neuer Corona-Impfstoff kommende Woche verfügbar – Forschung: minimal-invasives Autopsie-Verfahren in Linz entwickelt – „Corona-Denkmal der Hoffnung“ vor Wiener AKH enthüllt +++
WHO: Infektionszahlen auf der Nordhalbkugel steigen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet einen Anstieg von Toten und Klinikaufenthalten im Zusammenhang mit Corona in mehreren Regionen. „Im Vorfeld der Wintersaison auf der nördlichen Erdhalbkugel beobachten wir weiterhin besorgniserregende Covid-19-Trends“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch, 6.9., in Genf.
In den kälteren Monaten seien Menschen höheren Infektionsrisiken ausgesetzt, unter anderem, weil sie sich öfter in Innenräumen aufhielten, erklärte Maria Van Kerkhove, die oberste Corona-Expertin der WHO. Laut der UN-Organisation nehmen Sterbefälle in Teilen des Mittleren Ostens und Asiens zu. Auf dem amerikanischen Kontinent, in Europa und in Asien kommt es zu mehr Krankenhausaufenthalten. „Wir schätzen, dass derzeit Hunderttausende Menschen wegen Corona in Krankenhäusern behandelt werden“, sagte Van Kerkhove.
Tedros und Van Kerkhove riefen ältere Menschen und andere Risikogruppen dazu auf, bei Bedarf Auffrischungsimpfungen in Anspruch zu nehmen. Laut Van Kerkhove schützen die aktuellen Impfstoffe auch bei Infektionen mit neueren Virus-Varianten vor schwerer Erkrankung und Tod. Von der Variante BA.2.86, die seit Mitte August unter besonderer Beobachtung der WHO steht, seien weltweit erst 42 Fälle aus elf Ländern erfasst, sagte die WHO-Expertin. (APA/dpa)
Österreich: mehr Corona-Fälle und neue Varianten
Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder. Das spiegelt auch das SARI-Dashboard (www.sari-dashboard.at) wider, das über stationäre Spitalsaufnahmen mit schweren Atemwegserkrankungen informiert. „Wenn wir sehen, dass derzeit die Corona-Infektionen wieder zunehmen, so ist dies stark auf die neuen Varianten zurückzuführen“, erläuterte Komplexitätsforscher Peter Klimek, der derzeit aber keinen Grund für große Besorgnis ortet. Die Situation sei wenig überraschend, sagte Andreas Bergthaler gegenüber der APA.
Klimek, Forscher am Complexity Science Hub Vienna und der MedUni Wien, macht für das jüngste Aufflammen des Infektionsgeschehens vor allem neue Varianten wie etwa EG.5, auch Eris genannt, verantwortlich. International ist auch die in Österreich bisher noch nicht nachgewiesene Omikron-Subvariante BA.2.86 („Pirola“) eine neue Kraft im Infektionsgeschehen. Aber: „Wenn es um den Schaden geht, den das Virus anrichten kann, ist die Situation heute nicht mehr vergleichbar mit jener Situation in den Jahren 2020 und 2021“, so Klimek. Man sei nun in einer Phase, „wo wir alle paar Monate deutliche Infektionswellen sehen. Nach einem ruhigen Sommer geht es wieder los.“ Die neuen Varianten hätten „relativ schnell relativ große Zuwächse gezeigt“. Genauere Aussagen seien aber schwer zu treffen, da das Monitoring nicht mehr so engmaschig sei.
Die Corona-Hospitalisierungen sind jüngst auch in Österreich wieder angestiegen und lagen laut SARI-Dashboard zuletzt bei etwa 155 verzeichneten stationären Aufnahmen in Kalenderwoche 34 (gegenüber 37 in KW 28). Die Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten in Spitälern sei auf einem „niedrigen Niveau“ im Vergleich zu 2020 und 2021, so Klimek, und es sei sehr unwahrscheinlich, dass es durch Covid wieder zu Spitalsbelastungen wie in den ersten zwei Jahren der Pandemie kommen werde. Daran änderten auch die neuen Varianten nichts. Auch wenn die in Abwasseranalysen erhobene Virenfracht, die auf Corona-Infektionen hinweisen, in den vergangenen Wellen relativ hoch gewesen sei, würde diese in einem viel geringeren Ausmaß in schwere Erkrankungen übersetzt.
Nach wie vor gelte laut Klimek, dass, je mehr Risikofaktoren zusammenkommen und je länger die letzte Immunisierung zurückliegt, es desto wahrscheinlicher ist, dass man auch selbst erkrankt. Man sollte hier eine individuelle Risikoeinschätzung zugrunde legen. „Man sollte einfach weiterhin verantwortungsvoll damit umgehen, wenn man Symptome hat, wenn man niest, hustet.“ Es brauche aus epidemiologischer Sicht keine breiten Maßnahmen bzw. Verordnungen, die auf alle Personen abzielten.
Das Tragen von Masken sei unverändert dann gut, wenn man sich in Situationen befindet, wo Viren auch schnell übertragen werden, also etwa bei engem Kontakt. Es sei aber zu früh, um einzuschätzen, „was uns da im Herbst wirklich bevorsteht, etwa in den Spitälern oder in Altersheimen als Hotspots und Hochrisikobereiche“. Hier könnten dann gegebenenfalls wieder Maßnahmen wie vermehrtes Testen, wie es teilweise schon jetzt praktiziert wird, sinnvoll sein.
Virologe Andreas Bergthaler von der MedUni Wien und dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), zeigte sich ebenfalls wenig überrascht: Das SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen nehme zu, wie das bisher in jedem Herbst der Fall gewesen sei, wohl auch zusätzlich befeuert durch den Schulbeginn und andere Faktoren.
Die Variante EG.5 („Eris“) sei mit über 40% in den vergangenen Wochen die dominante Variante in Österreich wie auch in vielen anderen Ländern. „Es gibt bei dieser Variante keine Anhaltspunkte, dass sie grundsätzlich gefährlicher ist als andere Varianten“, sagt Bergthaler. Vereinzelt seien aber bei erhöhtem Infektionsgeschehen wieder schwere(re) Verläufe wahrscheinlich. Im Gegensatz zu 2020 sei „das Immunsystem bei den meisten mittlerweile durch Impfungen oder auch natürliche Infektionen gut trainiert“, daher seien eher wenige schwere Verläufe in der Bevölkerung zu erwarten. Auch könne man heute das Covid-Risiko besser einschätzen, „wenngleich es weiterhin wichtige offene Fragen gibt, gerade zu postviralen Problemen wie Long Covid“.
Die Variante Pirola könne künftig noch eine Rolle spielen, „aber es spricht einiges dafür, dass diese Variante weniger infektiös ist als angenommen und nicht ganz so starke Immunfluchteigenschaften hat“. Zudem würde der an die dominierende Variante Omikron XBB.1.5 angepasste Impfstoff auch Pirola „relativ gut“ abdecken. Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt „kein großes Erregungspotenzial“: „Das Virus verändert sich, wir haben eine Immunität, gleichzeitig geht es gen Winter und die Infektionszahlen werden steigen.“
Wenn das Infektionsgeschehen weiter ansteige und es deutlich steigende Fallzahlen gebe, sei es vernünftig, zum eigenen Schutz sowie zum Schutz anderer auf freiwilliger Basis wieder Maske zu tragen, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) beim Pressefoyer nach dem Ministerrat. Er praktiziere das auch selbst. Eine Maskenpflicht sei aber nicht absehbar. Doch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will eine Rückkehr zur Maskenpflicht nicht ausschließen. „Man wünscht es sich nicht. Wenn nötig, wird man aber reagieren müssen“, sagte er zur „Heute“ (Ausgabe vom 7.9.).
Masken sind jedenfalls noch in großen Mengen vorrätig. Laut Minister Rauch sind derzeit im Bundeslager gemäß Bundeskrisenlagergesetz mehr als 30 Millionen Masken gelagert. Der Großteil davon sind Mundschutzmasken gemäß Norm EN 14683, außerdem mehr als 6 Mio. FFP2-Masken und mehr als 1,29 Mio. MNS-Masken. Dazu kommen noch knapp 850.000 FFP3-Masken. Weiters lagern im Gesundheitsministerium noch 305.000 FFP2-Masken.
Man behalte jedenfalls den Überblick über die Coronasituation, verwies Rauch auf das Abwassermonitoring. Es gebe leicht steigende Zahlen, aber man sei auf den Herbst vorbereitet. (APA/red)
Neuer Corona-Impfstoff kommende Woche verfügbar
Die ersten angepassten Impfstoffe gegen das Coronavirus sind am Dienstag, 5.9., in Österreich eingetroffen. Das teilte das Gesundheitsministerium der APA mit. In den nächsten Tagen werden sie auch in die Bundesländer ausgeliefert und sollten im Laufe der kommenden Woche (KW 37) an den jeweiligen Impfstellen verfügbar sein. Insgesamt sollen im Herbst 1,9 Millionen Dosen zur Verfügung stehen.
Der an die dominierende Variante Omikron XBB.1.5 angepasste Impfstoff des Mainzer Herstellers Biontech und seines US-Partners Pfizer war zuletzt von der EU zugelassen worden. Für den Herbst werden noch weitere angepasste Impfstoffe erwartet, etwa vom US-Unternehmen Moderna.
Das Nationale Impfgremium (NIG) hat vergangene Woche seine Impfempfehlung für Österreich geändert. Waren bisher je nach Impfstoff bis zu drei Dosen für die Grundimmunisierung erforderlich, gilt ab Herbst die Empfehlung für nur noch eine Corona-Impfung. (APA)
Forschung: minimal-invasives Autopsie-Verfahren in Linz entwickelt
Die Covid-19-Pandemie hat die Medizin auf unterschiedlichsten Gebieten verändert – von der wesentlich größeren Verbreitung der Telemedizin bis hin zu den neuen mRNA-Vakzinen. Linzer Pathologinnen und Pathologen haben auf ganz anderem Gebiet geforscht: Sie haben jetzt einen neuen Weg für Autopsien belegt – ein minimal-invasives Verfahren zur Gewinnung von Gewebeproben unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen.
„Minimal-invasive Autopsien (MIAs) erlauben das Sammeln von Gewebeproben für Diagnostik und Wissenschaft in speziellen Situationen, zum Beispiel bei einem hohen Infektionsrisiko wie im Zusammenhang mit Covid-19 oder bei Beschränkungen aus juridischen oder persönlichen Gründen“, schrieben Rupert Langer vom Institut für Pathologie der Kepler Universität Linz und seine Co-Autorinnen und -Autoren in ihrer Studie. Die wissenschaftliche Arbeit ist jetzt in „Virchows Archiv“, einer Veröffentlichung der Europäischen Gesellschaft für Pathologie, herausgekommen (doi: 10.1007/s00428-023-03622-6).
Der Hintergrund, wie ihn die Forschenden schildern: Im Rahmen von Covid-19 gab es zunächst nur kleine Autopsie-Serien von Verstorbenen, wodurch das Wissen zu den typischen Gewebeveränderungen im Rahmen schwerer und schwerster Erkrankungen durch SARS-CoV-2 auf einer relativ schmalen Datenbasis beruhte. „Auf der anderen Seite sind die Sicherheitsaspekte, die man bei Autopsien von Patienten mit hochinfektiösen Erkrankungen berücksichtigen muss, sehr komplex, auch wenn das Personal durch Impfung geschützt ist. Als Konsequenz davon gibt es bisher keine großen Covid-19-Gewebestudien aus einzelnen Zentren“, stellten die Linzer Autorinnen und Autoren fest.
Zu Beginn der zweiten Corona-Welle in Österreich, im Oktober 2020, und unter der „überwältigenden Zahl von an Covid-19-Verstorbenen an der Kepler-Universitätsklinik in Linz (Österreich) und der damit verbundenen Arbeitsbelastung in der Autopsie-Abteilung wurde deshalb eine einfache Methode für ein minimal-invasives Sammeln von Gewebeproben unter niedrigem Infektionsrisiko und geringem Zeitaufwand entwickelt“, so die Linzer Expertinnen und Experten.
Die Körper der Verstorbenen verblieben in den für solche Fälle vorgesehenen doppelten, dichten Kunststoffhüllen (Body Bags). Statt der Eröffnung des Brustraums erfolgten nur kleine chirurgische Schnitte zwischen Rippen, dann eine Entfernung von kleinen Rippenteilen und schließlich die Gewinnung von Proben des Lungengewebes von beiden Lungenflügeln. Das Gewebe wurde in Formalin fixiert und schließlich histologisch untersucht.
„Wir konnten Lungengewebe von 92 Patienten, bei denen SARS-CoV-2 vor deren Tod diagnostiziert worden war, gewinnen. Das machte fast die Hälfte (44%) der 212 Patienten aus, die an Covid-19 an der Kepler Universitätsklinik zwischen Oktober 2020 und April 2021 verstarben“, schrieben die Autorinnen und Autoren in der Studie. Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen bestätigten jedenfalls, dass mit dem Verfahren de facto die gleichen Befunde wie auf anderem Weg, allerdings einfacher und schneller, erzielt werden können. Generell (zu 97%) wurden sogenannte diffuse Alveolarschäden festgestellt, wie sie für ein durch Verletzung oder Infektion hervorgerufenes akutes Lungenversagen (ARDS) typisch sind. Auch weitere beobachtete Schädigungen des Lungengewebes deckten sich mit auch sonst bei Covid-19 gemachten Beobachtungen.
Die Verstorbenen, bei denen diese Form der Autopsie durchgeführt worden war, waren im Mittel 78 Jahre alt (48–98 Jahre) gewesen, davon 38% Frauen und 62% Männer. Letztere waren im Mittel jünger als die verstorbenen Frauen. Nur drei der Toten hatten keine zusätzlichen Risikofaktoren aufgewiesen, 65% hingegen zwei oder mehr Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf. (APA)
„Corona-Denkmal der Hoffnung“ vor Wiener AKH enthüllt
Als „Dank für außergewöhnliche Leistungen“ schenkten Martin und Gerda Essl die begehbare Skulptur an die MedUni Wien.
Ein barrierefrei begeh- und erlebbares Kunstwerk ist am Dienstag, 5.9., als Corona-Denkmal der Hoffnung“ am Vorplatz des Universitätsklinikums AKH Wien enthüllt worden. Gestiftet wurde es vom Unternehmerpaar Martin und Gerda Essl als Zeichen des Dankes „für die außergewöhnlichen Leistungen in der medizinischen Versorgung und Forschung während der Pandemie und darüber hinaus“.
Das vom Künstlerpaar Nora Ruzsics und Emmerich Weissenberger gestaltete Objekt-Ensemble umfasst eine fünfeinhalb Meter hohe und rund zwei mal zwei Meter breite Holzskulptur, in deren Mitte ein Keramikobjekt positioniert ist. Nachdem der Rohling der Skulptur anlässlich der Jubiläumsfestspiele 2020 in Salzburg als Bühne für junge Künstlerinnen und Künstler gedient hatte und nach seiner Fertigstellung 2022 für ein Jahr am Wiener Heldenplatz aufgestellt gewesen war, ging das Denkmal nun als Schenkung an die Medizinische Universität Wien. „Das ,Corona-Denkmal der Hoffnung‘ ist allen Opfern, Leidtragenden und Heldinnen und Helden von Covid-19 gewidmet“, betonten Martin und Gerda Essl laut einer Aussendung.
„Durch ihre Arbeit in mittlerweile über 150 Forschungsprojekten zu Fragestellungen rund um Covid-19 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MedUni Wien maßgeblich zur Bewältigung der Pandemie beigetragen“, erinnerte Rektor Markus Müller. Das Denkmal „lädt mit seinen Sitzbänken zum Innehalten ein und erinnert an diese außergewöhnlichen Leistungen“, verwies Herwig Wetzlinger, Direktor des Universitätsklinikums AKH Wien, auf die Herausforderungen der Corona-Zeit. Die Skulptur wurde CO2-neutral aus massiven Schwarzkiefern gefertigt, die im niederösterreichischen Dunkelsteinerwald vertrocknet waren, hieß es. Das Holz wurde geschlägert, geschält, gehobelt, graviert, geflammt, geölt und gewachst. Erdlinien und Siegel, die mit Blatt-Bronze veredelt sind und für die sieben Kardinaltugenden stehen, machen das Kunstwerk auch haptisch erlebbar. In das Keramikobjekt in der Mitte sind die Begriffe „Include“, „Sustain“ und „Love“ eingebrannt. (APA)